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Der Freitag verging wie im Flug.

Berauscht dachte ich ständig daran, wie gut meine Arbeit am Tag zuvor bei den Leuten angekommen war, nachdem mein Schmuck bei Francescas Show präsentiert wurde.

Ich erhielt zig Nachrichten mit Bestellungen und hatte Mühe den Wünschen der Kunden nachzukommen. Doch Lou unterstützte mich so gut es ging und gemeinsam schafften wir es, den Großteil der Anfragen aufzunehmen.

Zusammen saßen wir im Atelier und erledigten die letzten Aufgaben des Tages.

„Und, gehst du?", fragte meine beste Freundin mich. „Es ist gleich schon 6", stellte sie mit einem intensiven Blick zur Uhr fest.

Genau darüber hatte ich mir auch schon den ganzen Tag lang Gedanken gemacht.
Sollte ich mich auf das Treffen mit Hayden einlassen?

Ich war absolut zwiegespalten.

Auf der einen Seite schrie mein Körper völlig nach seinen Berührungen, auf der anderen wollte mein Geist genau das verhindern. Er hatte Angst, dass ich wieder wie ein kleines Mäuschen mit rotem Kopf da stehen, mich von meiner peinlichsten Seite zeigen  und dann wieder alles vermasseln würde.

Außerdem mochte mein Geist Haydens herrische Art nicht.

„Ich habe keine Ahnung Lou."

Ich sah sie mit schüttelndem Kopf an.

„Weißt du was Süße? Du gehst hin!
Ich finde zwar, dass er neulich echt arrogant war, aber das könnte auch alles nur Fassade sein.
Und ich glaube er gefällt dir schon, so wie du ihm. Du wirst nie wissen, wie er wirklich ist, wenn du heute zu Hause bleibst.
Und ich bin mir sicher, dass sein Ego so verletzt sein würde, wenn du ihn heute sitzen lässt, dass er sich nie wieder bei dir melden würde.
Ehrlich gesagt ... hat auch sein Geschenk meine Meinung etwas geändert."

Hmm. Hatte sie etwa recht? War er vielleicht nur so, weil es sein Image von ihm verlangte?
Würde ich es bereuen nicht zu gehen und dann vielleicht einen unvergesslichen Abend verpassen?

Wieder beantwortete ich meine eigene Frage mit
Jein.

„Weiß nicht..." ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

„Mads, ich glaube du gehst jetzt nach Hause und ziehst dich um.
Wenn es katastrophal wird rufst du mich an und ich hole dich ab, okay?
Und ich verspreche dir, dann werde ich alles tun um ihn auf ewig von dir fern zu halten."

Sie grinste mich verschmitzt an.

„Okay okay, ich mache mich ja schon vom Acker."

Lou hatte recht. Irgendwie wollte ich ihn ja schon kennenlernen.
Mich interessierte, ob mehr in ihm steckte, als ein oberflächlicher Star mit großer Klappe.
Und aus welchem Grund auch immer schien er sich ja wirklich für mich zu interessieren, sonst hätte er mich ja wohl kaum ausfindig gemacht.
Und das gleich mehrfach.

Ich wollte herausfinden, warum gerade ich es ihm angetan hatte, oder ob alles nur ein Spiel für ihn war.

Schüchternheit hin oder her - ich musste es einfach wissen.

_

Ich betrachtete mich im Spiegel und ließ meine Augen darin an meinem Körper hoch und runter wandern.

Es passte perfekt und stand mir - ich konnte es nicht anders sagen.

Als ob Hayden es genau gewusst hätte.

Ich drehte mich nach einander zu beiden Seiten, ohne meine Augen von meinem Outfit zu nehmen.

Jap, auch im Profil sah es gut aus.

Ich konnte es kaum glauben.
Ich fühlte mich ungewohnter Weise sehr wohl darin, obwohl ich so etwas noch nie zuvor getragen hatte.

Ich löste meine Augen von meinem Spiegelbild und lief ins Bad um mir meine langen Wellen etwas aufzufrischen und die Wimpern zu tuschen.

Übertreiben wollte ich es heute auf keinen Fall.
Wenn Hayden mich gut finden sollte, dann auch ohne viel Make up.

Eins hatte ich mir auf dem Weg vom Atelier nach Hause vorgenommen: Ich wollte an diesem Abend versuchen, meine Schüchternheit so gut es ging zu verdrängen.
Ich wollte einfach locker sein. Genauso locker wie ich es mit Lou war. Einfach die Gedanken auszustellen und mich fallen zu lassen - das war der Plan.
Ich wollte wieder die alte Maddie sein, die Maddie, die ich vor der Demütigung durch Aaron war.
Zwar etwas zurückhaltend, aber keinesfalls verklemmt, kindisch oder die personifizierte Schamesröte.

Doch ob das klappen würde, wagte ich schon vorher zu bezweifeln. Gerade auch weil ich wusste, dass es sicherlich wieder diese Momente zwischen Hayden und mir geben würde.
Momente, in denen wir uns körperlich nah sein würden, so wie bei jeder Begegnung zuvor.

Allein der Gedanke daran ließ meinen Puls sofort wieder rasen.

Ich hoffte, ich würde meine Entscheidung nicht bereuen.

_

18:58 Uhr.

Nach einem letzten Blick in den Spiegel an der Garderobe zog ich die Wohnungstür hinter mir zu und schloss sie ab.

Mit langsamen Schritten lief ich die Treppe hinunter und stand nun vor dem Hauseingang, als ich schon hörte, dass er kam um mich abzuholen.

Nervös biss ich auf meiner Unterlippe herum.
Die Situation war absolut ungewohnt für mich und brachte mich aus dem Konzept.

Die Geräusche wurden immer lauter und er kam vor mir zum Stehen. Dann herrschte Stille.

Er stieg ab - von seinem glänzenden, pechschwarzen, sehr teuer aussehenden Motorrad und nahm seinen Helm ab.

Wow!
Ich hielt die Luft an.
Er sah unfassbar gut aus!

Seine vollen dunklen Haare lagen wirr auf seinem Kopf. Sofort fuhr er mit der Hand durch sie hindurch, um sie wieder in ihre ursprüngliche Position zu bringen.

Die schwarz-rote Lederkombi, die er trug, umschloss seinen durchtrainierten Körper perfekt.

Mit dem Helm in der Hand kam er geradewegs auf mich zu und ich musste kräftig schlucken.

„Hi", sagte er nur rau und mit schiefem Lächeln, als er lediglich wenige Zentimeter vor mir stehen blieb.

Shit!
Ich war mir nicht mehr sicher ob ich meinen Plan durchziehen konnte.
Allein die Nähe zwischen uns - ohne jegliche Berührung - brachte mich schon wieder völlig aus dem Konzept.
Und das bereits in der ersten Minute unseres Aufeinandertreffens.

Mit seinen Augen scannte er meinen kompletten Körper von oben bis unten und atmete dabei durch seine geöffneten Lippen.

„Ich wusste, dass es wie für dich gemacht ist", bewertete er mein Motorradoutfit, nachdem seine Augen wieder meine trafen.
„Du siehst unglaublich aus."

Peinlich berührt kniff ich meine Lippen zusammen.
Das fing ja wieder gut an.

„Danke. Du ... du auch Hayden", konnte ich mir heiser abringen.

„Komm!"
Er grinste verschmitzt, nahm meine Hand und führte mich zu seinem Bike.

Trotz der Handschuhe, die Hautkontakt verhinderten, fühlte sich die Berührung einfach nur gut an.

Er nahm mir meine Handtasche ab, verstaute sie in einem Fach unter dem Sitz und sah mir wieder in die Augen.

„Erstes Mal?", fragte er.

Ich nickte.

„Ich bin mir sicher, es wird dir gefallen.
Vorausgesetzt, du hältst dich an mir fest", sagte er schmunzelnd.

Stimmt, das hatte ich in meiner Aufregung völlig vergessen. Auf dem Motorrad würden wir uns absolut nah sein und es gab keinerlei Möglichkeit, dies zu umgehen.

Doch vielleicht, ganz vielleicht würde mir auch gerade das gefallen.

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LondonboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt