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Wie um Himmels Willen konnte er nur?
Wie konnte er nur so etwas sagen? Wie überzeugt von sich selbst und hemmungslos konnte ein Mensch nur sein?!

Mittlerweile saß ich im Bademantel am Küchentisch und ließ mir gerade von Lou Kaffee einschenken.

Meine Freundin war kaum zu bremsen, denn die Situation hatte anscheinend nicht nur mich total durcheinander gebracht.

„Unfassbar Maddie, einfach unfassbar! Ich kann echt nicht glauben, was der Herr Superstar sich mal wieder rausgenommen hat.
Kreuzt besoffen hier auf, schreit das ganze Haus zusammen, legt sich einfach ungefragt in dein Bett und dann... und dann DAS!"

Mit einem Ruck ließ sie sich auf den Stuhl gegenüber plumpsen und wirkte dabei gleichermaßen fassungslos wie belustigt.

„Ja, du hast Recht Lou." Seufzend strich ich mit den Fingerkuppen über den Henkel meiner Tasse.
„Ich habe einfach keinen Plan was er von mir möchte und was er mit seinem Verhalten erreichen will.
Der Abend gestern hat wirklich gut angefangen.
Ich meine... ja, wir haben uns etwas provoziert, aber das war irgendwie... spannend... und neu."
Ich sah zu Boden und ertappte mich dabei, wie ich schief grinsen musste.
„Und gut unterhalten haben wir uns auch. Es hat wirklich alles gepasst, bis... bis dieser Kellner dann aufgekreuzt ist. Hayden ist einfach unberechenbar und wie eine tickende Zeitbombe."

Meine Freundin musterte mich einige Sekunden lang eindringlich, ehe sie das Wort ergriff.

„Maddie, ich will ganz ehrlich zu dir sein. Ich habe keine Ahnung, wohin dich die Treffen mit Hayden führen werden und bin total hin- und hergerissen, ob ich dich von ihm fernhalten oder dich ihm in die Arme schubsen soll.
Sein Verhalten ist echt... nicht von dieser Welt, aber du scheinst ihn irgendwie anzuziehen.
Und so wie du eben grinsend auf die Erde gestarrt hast, scheinst du ihn auch irgendwie... zu wollen.
Ich denke... du könntest auch anders mit ihm Zeit verbringen und Spaß haben, wenn du verstehst...
Er kann dich auf andere Gedanken bringen, beziehungsweise dich deine Gedanken mal komplett ausblenden lassen. Er weiß mit Sicherheit wie du dich mal total fallen oder gehen lassen könntest.
Nach dem ganzen Gefühlsschrott und dem Herzschmerz, den du dank Aaron hattest, wäre das bestimmt eine gute Ablenkung."

Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich meine Mitbewohnerin an und fragte mich, ob sie mir gerade wirklich vorgeschlagen hatte, eine Affäre mit Hayden anzufangen, um mich selbst mal etwas „aufzulockern".

Sprachlos fixierte ich ihr Gesicht.

„Du musst ja nicht sofort mit ihm ins Bett steigen... obwohl, das hat er ja gestern schon gemacht", schelmisch zog Lou ihre Brauen hoch „aber vielleicht  lässt du dich einfach mal etwas auf das ganze Drumherum ein. Geh mit ihm aus, lass dich einladen, geh tanzen, einen trinken und lerne, etwas mit ihm zu spielen. Das würde deinem Selbstbewusstsein unglaublich guttun.
Du hast dir doch vorgenommen etwas zu ändern. Das ist die Chance - er ist die Chance."

Okay...
So hatte ich das noch gar nicht gesehen.
Ich wusste, dass Hayden auf keinen Fall der Mann fürs Leben war und wir bei vielen Dingen einfach nicht auf der gleichen Welle schwammen, aber vielleicht hatte sie ja recht und ich könnte lernen, wie ich durch den Kontakt zu ihm selbstbewusster werden würde, wie ich meine Reize einzusetzen hatte und wie ich mein ständiges Schamgefühl verlieren könnte.
Außerdem hatte es mir gefallen, dass ich mich vor ihm irgendwie stärker, selbstbewusster und zum ersten Mal auch so richtig sexy und begehrenswert gefühlt hatte. So wie er mich ansah, hatte mich vorher noch niemand betrachtet und so wie er mit mir sprach, hatte auch noch nie zuvor jemand mit mir geredet.

Je länger Lou ihren Vortrag gezogen hatte, umso weniger schlecht fand ich ihre Idee und ich wollte schauen, wo sie mich hinführen würde.

Ich seufzte, nachdem ich einen Schluck Kaffee genommen und meine Tasse wieder abgestellt hatte.

„Vielleicht... vielleicht hast du recht.
Ich will mich verändern und er könnte mir dabei helfen ohne es zu wissen und ohne etwas Spezielles dafür tun zu müssen.
Ich will endlich raus aus meiner Haut und mich nicht ständig hinter Anderen verstecken. Ich will nicht mehr bei jeder Kleinigkeit rot anlaufen oder mich beschämt wegdrehen. Ich will endlich selbstbewusst sein.
Ich will so selbstbewusst sein, dass ich keine Scheu mehr davor habe auch mal einen Typen anzusprechen, der mir gefällt. Und vielleicht schaffe ich es ja so irgendwie über mein Trauma hinwegzukommen und lerne Jemanden kennen, für den ich echte Gefühle entwickeln kann."

Vollkommen begeistert und breit grinsend applaudierte meine Freundin mir.

„Ich bin ja soooo stolz auf dich Süße! Du hast es erkannt!" Sie beugte sich über den Tisch und nahm meine Wangen in ihre Hände.

„Es läuft wie folgt:
Du triffst dich mit Hayden, lässt es ein bisschen knistern, holst dir dein Selbstbewusstsein und dann wirst du bereit für die Liebe deines Lebens sein und deine Schüchternheit wird dir nicht mehr im Wege stehen."

Hmm.
Ich biss mir auf die Lippen und schloss kurz die Augen, nachdem meine Freundin von meinem Gesicht abgelassen hatte.

„Irgendwie... Hört sich das gerade ganz schön... ausnutzend an, oder?"

Lou schüttelte wild den Kopf.

„Auf gar keinen Fall!"
Dann legte sie mir ihre Hand auf die Schulter.
„Maddie, der Herr Superstar hat keine Gefühle, die du in irgendeiner Weise verletzen könntest, wenn du diesen Plan verfolgst.
Ihr findet euch körperlich anziehend und das solltet ihr auskosten. Habt einfach Spaß - in welcher Form auch immer und verbringt Zeit miteinander. Ich bin mir absolut sicher, dass dich das weiterbringen wird. Und sobald du dich stark genug fühlst, lässt du das Ganze einfach auslaufen und machst dich auf die Suche nach Mr. Right, der dir dann sein Herz schenken und für immer an deiner Seite sein wird."

Verliebt blickte sie Richtung Decke und klimperte mit ihren Wimpern.

Tja!
Die Geschichte klang verrückt, sehr verrückt.
Aber verrückt hatte ich noch nie in meinem Leben ausprobiert und vielleicht war es nun an der Zeit dafür.

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LondonboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt