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Am frühen Abend begann es zu regnen.

Nein, okay, das war komplett untertrieben. Es regnete nicht bloß, sondern schüttete wie aus Eimern.

Mit mürrischem Gesichtsausdruck starrte ich durch das Fenster auf die Straße.
Es goss wie verrückt, der Wind wehte immer stürmischer und wirbelte Blätter durch die Luft, der Himmel war grau und die Straßenlaternen leuchteten bereits.
Erschrocken beobachtete ich, wie eine leere Mülltonne seitwärts die Einfahrt des Nachbargrundstücks herunterrollte.

Als es dann auch noch zu donnern begann, drehte ich mich genervt und stöhnend vom Fenster weg und schmiss mich mit einem Satz auf mein Bett.

Auf meinem Handy wurden mir gleich drei Nachrichten meiner Wetterapp angezeigt, die mich davor warnten das Haus zu verlassen.

‚Unwetter mit orkanartigen Böen' las ich.

Ich konnte mich unter diesen Voraussetzungen unmöglich auf den Weg zu Hayden machen und auch abholen würde er mich nicht können.

Ich zuckte zusammen und sah vom Bett aus wieder durch das Fenster. Durch die Blitze war das Grau nun immer wieder für Sekunden hell erleuchtet.

Regen, Sturm und Gewitter - tolle Aussichten!

Seufzend drehte ich mich auf die Seite und zog mir die Bettdecke bis unters Kinn.

Plötzlich klingelte mein Handy.

Nervös nahm ich es in die Hand.

Hayden!

Sicherlich rief er an um unser Treffen abzusagen. Ich fragte mich sofort, ob er wohl ein neues ausmachen wollte, oder ob er die Situation nicht doch für einen Rückzieher nutzen würde.

„Hallo...?", fragte ich leise in die Sprechmuschel.

„Hey, Hayden hier. Hast du gesehen was draußen los ist?"

„Hi. Ja hab ich. Meine App warnt ausdrücklich davor das Haus zu verlassen..."

„Deshalb rufe ich an. Ich denke... wir müssen unser Treffen verschieben. Heute einen Fuß vor die Tür zu setzen wäre wirklich mehr als dämlich."

Obwohl ich ja damit gerechnet hatte, musste ich doch zugeben, dass es mich schon enttäuschte, Hayden nicht mehr zu sehen.

Zwar wäre ich kurz vor dem Treffen sicherlich unfassbar nervös gewesen, hätte mich aber dennoch gefreut, ihm meine neue Wäsche zu präsentieren und zu sehen, wohin der Abend uns geführt hätte.

Bei dem Gedanken daran musste ich schwer schlucken.

Hätten wir wohl wirklich...?

Hitze stieg in mir auf.

„Oder wie siehst du das?", unterbrach Haydens Stimme meine Gedanken.

„Äh... ja, na klar. Wir verschieben das."

„Gut. Ich melde mich dann nächste Woche nochmal, sobald ich aus Berlin zurück bin. Morgen muss ich los."

„Okay, so machen wir das."

„Dann hoffe ich, dass du einen schönen Abend hast und es dir gemütlich machen kannst Maddie. Aber... bleib schön artig!"

Und dann legte er einfach auf.

‚Schön artig bleiben?' Was meinte er damit?

Ich verstand gar nichts.

Und dann wieder dieses Verhalten von ihm! Ohne mich nochmal zu Wort kommen zu lassen einfach aufzulegen. Unglaublich! Er war einfach nicht von dieser Welt!

Schnaubend stand ich auf, zog mir meine Jogginghose und einen weiten Kuschelpulli an, schlüpfte in meine Puschen und schlurfte in Richtung Küche, um dort eine Aufbackpizza in den Ofen zu schieben.

-

Knapp zwei Stunden später lag ich gut gesättigt, mit Turban auf dem Kopf und abgeschminkt wieder in meinem Bett und scrollte mich gelangweilt durch Netflix.

Diesen Abend hatte ich mir in Dessous in Hayden Maxwells Penthouse vorgestellt, lag jedoch jetzt im Jogger und vollgefuttert auf meiner eigenen Matratze.

Nichtmal bei Lou konnte ich mich darüber beschweren, da sie mir eine Nachricht geschickt hatte, dass sie nicht mehr nach Hause kommen, sondern bleiben würde wo sie war. Was auch immer das heißen mochte.

Vielleicht blieb sie bei Dan? Vielleicht im Atelier? Vielleicht...?

Und dann klingelte mein Handy schon wieder.

Und wieder war es Hayden.

Dieses Mal mit einem Videoanruf.

Verwundert legte ich die Fernbedienung aus der Hand und hielt mir mein Smartphone vor, nachdem ich meinen Turban gelöst hatte.

Ich sah alles andere als gut aus und schämte mich ein bisschen, aber wollte dieses Gespräch unbedingt annehmen.

Doch das wäre völlig unnötig gewesen, da das Bild zu erst stockte, dann total verpixelt war und schließlich komplett schwarz wurde, nachdem ich auf Grün gedrückt hatte.

Lediglich ein „warte..." konnte ich von Hayden hören, bevor die Verbindung ganz abbrach.

Sekunden später klingelte es wieder.

Ein normaler Anruf von Hayden ging ein.

Ich nahm ihn entgegen.

„Hi."

„Hey Maddie. Ich glaube das Wetter stört die Verbindung. Aber ohne Bild scheint es zu gehen, oder?"

„Ja, ich höre dich."

Gespannt wartete ich darauf, dass Hayden mir den Grund für seinen erneuten Anruf verriet.

Doch mit dem was er dann sagte, verwirrte er mich nur.

„Gut. Was... was machst du? Was sind deine Alternativpläne?"

Bitte? Alternativpläne? Was wollte er?

„Ich... ähm... ich hab... Pizza gegessen und... liege jetzt im Bett... also... vorm Fernseher. Ich wollte was bei Netflix schauen."

Nach kurzer Stille hörte ich Geräusche von Hayden, die nach einer Mischung aus einem Lachen und einem Seufzen klangen.

„Soso. Du liegst also... im Bett?"

„Ja. Genau. Im Bett. Ich hab ja gar kein Sofa in meinem Zimmer, von daher kann ich nur... vom Bett aus schauen."

„Hast du noch... diese rosafarbene Bettwäsche drauf, Maddie?", fragte er in langsamem Sprechtempo und mit deutlich vertiefter Stimmlage, woraufhin ich mir direkt Gedanken darüber machte, was der Grund dafür war.

„Die ist noch drauf. Rosa und pinke Wäsche stelle ich nächste Woche wieder an. Meist ist Donnerstag Waschtag bei mir."

Nun lachte Hayden kehlig auf.

„Du bist... einfach süß."

Schlagartig wurden meine Wangen heiß.

„So süß... und so unschuldig."

Was? Wieso das denn? Ich hab doch bloß übers Wäschewaschen geredet.

Wo war das denn bitte süß???

„Hayden!!! Ich ...", wollte ich mich beschweren, doch er fuhr mir ins Wort.

„Hab ich's doch gewusst! Du bist also wirklich nicht die verruchte Verführerin. Wenn du nicht mal raushören kannst was ich vor hatte..."

Stumm starrte ich an meine Zimmertür.

Nun verstand ich gar nichts mehr.

„Ich fang mal lieber so an, Maddie: Was trägst du unter deiner Bettdecke?"

Mir stockte der Atem.

In dieser Sekunde wusste ich, was er von mir wollte und mir schoss Hitze durch den kompletten Körper und brachte meine Haut zum Kribbeln.

Er wollte Telefonsex.

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LondonboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt