Unser Fluch

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Nele
Ich laufe durch die Trümmer. Im Untergrund ist es kalt und grau. Leblos. Hin und wieder hört man Schreie von der Oberwelt, und hin und wieder muss man erfahren, dass die Magier selbst in diesem Labyrinth den Weg zu uns finden.

Ich durchforste diesen Ort nach nützlichen Sachen. Meine Eltern und meine kleinen Schwestern sowie zwei Engländer haben ein Lager hier und kommen gerade erst von einer Flucht. Wir sind verflucht. Wir Menschen.

Ich hebe Steine zur Seite und versuche weiter etwas im Halbdunkeln zu finden. Ja. Unter angekockelten Holzstücken liegt ein Buch. Es ist angebrannt, aber man kann noch viel lesen. Ich schlage es neugierig auf:

Hallo. Ich hoffe ein Kind findet das. Hier ist alles drinnen: Meine Geheimnisse, mein Leben und meine Reise. Sogar Träume, die ich träumte. Ich weiß nicht, ob das was bringt, da ich bald sterben werde, aber trotzdem könnte es dem ein oder anderem Menschen helfen.
Ich fange dann mal an:
Ich wurde als mittelmäßiger Bürger geboren, mein Vater war wegen einer Krankheit gestorben bevor ich geboren wurde. Als Einzelkind lebte ich glücklich in einer Großstadt. Meine Mutter hieß Christina. Mama war schön, stattlich und liebevoll. Obwohl ich schwarze Haare und sie blonde hatte, wir uns quasi gar nicht ähnlich sahen, zweifelte wir niemals an unserer Zugehörigkeit. Eines Tages, ich war erst zehn, brach man mitten bei uns ein. Die Uhr hatte wahrscheinlich schon zwölfe geschlagen und wir hatten schon geschlafen. Bis jetzt. Die Zerstörung unserer Haustür war ohrenbetäubend. Blitzschnell machte ich Licht und tapste zum Bett meiner Mutter. Sie hatte genauso keine Ahnung was los war. Ich folgte ihr zur Küche. Bewaffnet mit einem scharfen Küchenmesser lief Mama los. Doch die Einbrecher waren gut. Sie wichen Mamas Angriffen aus. Der eine Einbrecher zielte mit seiner Hand auf die Wand. Feuer kam aus der Hand. Ich bekam Angst und Mama ließ das Messer fallen. Es fiel klirrend zu Boden. Der Mann zielte nun auf mich und grinste. ,,Nein!", kreischte meine Mutter. Meine Augen weit aufgerissen musste ich ansehen, wie Mama sich vor mich stellte und... Der Mann ihr das Nachtkleid anfackelte. Meine Mutter nahm die Vase und löschte es. ,,Nicht schlecht, Mensch!", hatte er gehöhnt und nochmal ausgeholt. ,,Nehmt mich!", bat Mama. Der Mann lachte. ,,Gut. Wie du willst." Meine Mutter ächzte erst. Dann... Tränen rannen mir die Wangen hinunter. ,,Willst du etwa auch weggeätzt werden?", sagte der andere von hinten. Ich rannte auf Mama zu, aber der Mann lächelte und verpasste mir das Mal.

Ich schluckte und bemerke erst jetzt meine klebrigen Finger. Ich schwitze und meine Kehle schnürt sich zu. Man hat mir viel über das Mal erzählt. Zuviel. Ich hebe meinen Daumen, der die Seite hält und sah Blut. Blut und Ruß klebt dank dem Schweiß an meiner Hand. Ich keuche.

Sie wurde verbrannt. Die Frau wurde kaltblütig verbrannt. Ich werfe das Buch von mir. Ich will nichts damit zu tun haben. Die Geschichte muss schrecklich sein.

Ich suche weiter nach nützlichen Sachen. Vielleicht hatten die Leute Brot oder so gelagert? Ja. Käse und Brotstücke sind in einem Schrank auf einem Tuch. Wieso der Schrank heil ist, ist verrückt.

Lächelnd biss ich vom Käse ab. Mein Bauch hat auf dem Weg hier hin geknurrt, weil wir nicht viel Zeit hatten. Ich formte eine Kuhle aus meinem T-Shirt und füllte es mit den Lebensmitteln. Lecker.

Bei unserem Lager angekommen, erwähne ich alles, außer das Buch. Obwohl die Schreiberin hoffte, jemand würde es finden und lesen. Nein, denke ich mir. Niemals würde ich zurück gehen...

Am Abend kann ich nicht schlafen. Die Müdigkeit versucht mich zu überrollen, aber es klappt nicht. Ich muss an das Buch denken. Die blutigen Abdrücke.

Vorsichtig stehe ich auf. Ich sollte nicht zurück. Doch ich will es. Als ich den Raum betrete, schwappt eine Welle Traurigkeit über mich. Wir würden wie in einem Fluch sterben. Einem nach den anderem.

Ich pflücke das Buch aus dem Geröll und schlage es an der Seite auf, wo ich aufgehört habe. Bevor meine Augen über die Seiten huschen, setze ich mich auf ein großes Stück Holz. Danach gebe ich mir einen Schubs und fange an zu lesen:

Das 'Mal' können dir nur Feuerbändiger zufügen. Damit stirbst du früher als alle. Es ist wie eine alte Narbe, ein feuerroter Kreis und in dem Kreis ein Phönix. Ich trage es, seit der Nacht, als meine Mutter starb und ich auf der Flucht bin. Gehetzt von der bleibenden Angst, SIE würden kommen und mich töten. Irgendwann werden sie es schaffen. Und du musst bis zum Ende lesen! Bitte.
Seit langem fliehe ich von den Magiern, jetzt, mit 24 Jahren mit verschieden Gruppen. Mal Deutsche, Briten, Holländer. Wir müssen zusammenhalten und überleben.
Im Untergrund zu leben ist schwer. Man muss in die Oberwelt, um Essen und Überlebenswichtige Sachen ran zu holen. Und die meisten sterben bei dem Versuch. Bis jetzt ist nichts passiert. Das wird aber nicht so bleiben, das weiß ich. Jetzt reise ich nur mit Matthias und Mike. Beide nette Kerle, doch ich denke bald wird etwas mit uns geschehen. So ist es immer. ,,Es gibt nix zu melden Sarah!", ruft Matthias mir zu, während ich schreibe. Ich zeige ihn mit einem nicken, dass ich verstanden habe. Gut. Noch ist nichts passiert.
,,Wie steht's mit dem Essen Mike?", frage ich. ,,Fast fertig.", sagt er. Als wir essen, scheint Mike komisch zu sein. Er schwitzt und wenn ich frage, ob es ihm gut gehe, sagt er es wäre die Temperatur vom Untergrund.
Und dann kommt es. Nachdem wir aufgeräumt haben, stürmten Gestaltwandker und ein Feuerbändiger auf uns zu. Ich erstarre in meiner Bewegung. Mike hat uns verraten. Dieses Wiesel. Ich lege meinen Arm um Matthias Schulter, der Arme ist wie zu einer Salzsäule erstarrt.
,,Sehr gut, Mensch.", lobt der Feuermagier Mike und dieser Verräter antwortet auch noch heuchlerisch:
,,Und nun komme ich mit dem Leben davon, nicht wahr?"
,,Wieso solltest du...", Matthias und ich zucken zusammen, als der Feuerbändiger anweist, dass die riesige Gestaltwandler-Bestie Mike zerfleischt. Sie tut es. Mike gibt noch einen einzigen Schrei von sich, dann fließt Blut durch das Gestein und er wird zerfleischt und zerstückelt. ,,Und nun zu euch beiden."

Ich stehe auf und kralle mich entsetzt am Buch fest. Die Geschichte ist so grausam. Verbündete verraten, stetige Angst, von Magiern gefunden und getötet zu werden. Die Tagesordnung von der Schreiberin und vielen eigentlich jedem Menschen auf der Welt. Ich schlucke nochmal, schlage das Buch zu und nehme es bis zum Lager mit. Es ist grausam. Aber das Versprechen will ich halten.

Deadline for HumansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt