Die Vereinigung

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Lilly Smith
Ich hatte mich versteckt, als Lucius meine Illusion bemerkte. Meine Kräfte hatten mich verlassen und ich war noch nicht bereit, ihm entgegenzutreten. Nun schaue ich zu, wie er sich von mir entfernt. Die Erinnerung nachzustellen ist Kräfte zehrend gewesen. Ich weiß nicht mal, wie ich so etwas hinbekommen habe. Hat es was mit meinen Emotionen zutun gehabt?
Ich spüre Übelkeit in mir aufsteigen. Dann würge ich und übergebe mich. Es ist garantiert zuviel für mich gewesen. Langsam sacke ich zusammen und starre in den Himmel. Ein Vogel macht eine scharfe Kurve und landet weiter entfernt. Neugierde treibt mich zu dem Tier hin. Von einer gewissen Entfernung aus fange ich an, den Vogel zu beobachten. Er verwandelt sich in einen Jungen. Ich schnappe nach Luft. Jeder hat schon einmal von Gestaltwandlern gehört, aber gesehen habe ich noch nie einen. Bis jetzt.
Er schaut sich kurz um und ich lege mich flach auf den Boden, flehend, dass er mich ja nicht entdeckt. Glücklicherweise ist das nicht der Fall. Nun läuft er zum Schulgebäude von Lucius und verwandelt sich in ein Insekt. Ich sehe ihn in das Küchenfenster hineinfliegen. Was will er hier? Die Neugier treibt mich zum Fenster voran und ich versuche es aufzustoßen. Es funktioniert, aber gleichzeitig wirft mich der Schwung in die Küche hinein, sodass ich mich stöhnend wieder aufrichte. Mit wackeligen Beinen stehe ich auf und belaste probeweise meine Beine. Sie scheinen in Ordnung zu sein, versichere ich mich nochmal und spähe hinaus in den Gang. Ich sehe den Jungen gerade noch bei einer Treppe die in das nächste Stockwerk führt. Ich schleiche ihm so leise es geht hinterher, darauf bedacht, gegen nichts zu stoßen, da der Gang in dem wir uns nun befinden, dunkle Schatten wirft.
Ich starrte angespannt in das Halbdunkeln dem Jungen nach. Er geht in ein Zimmer mit einem Türschild: Lucius Mainheart.
Was will er in Lucius Büro?
Ich warte geduldig, bis er den Raum wieder verließ. Danach schlüpfe ich in den Raum hinein und schaue mich um. Eine Scheibe liegt auf dem Boden. Vorsichtig hebe ich sie auf und schaue sie von allen Seiten an. Plötzlich flimmert sie. Ich sehe Lucius Mainheart, der auf dem Weg hier her ist. Dann verschwimmt das Gebilde und verändert sich zu einem Adler, der auf meiner Schulter sitzt. ,,Was hat das zu bedeuten?", hauche ich. Schnell lege ich die Scheibe auf den Tisch und laufe die Treppen runter.
Dumpfe Schreie erreichen meine Ohren. Jemand ruft einen Namen. Könnte es der Junge sein, dem ich gefolgt bin? Ich beeile mich, der verzweifelten Stimme zu folgen. Ich weiß zwar nicht, was mich erwarten könnte, aber mich zieht das kleine Abenteuer wie ein unsichtbares Band an. Also folge ich den Rufen bis in einen Kellergewölbe. Doch statt Weinfässern reihen sich Zellen an. Kälte überollt mich und ich fange an zu zittern. Die Kälte kommt von der hintersten Zelle. Dort sehe ich auch den Jungen. ,,Darryl?", schreit er. Ich nähere mich vorsichtig der Szene. Darryl ist am erfrieren. Seine Aura ist so schwach, dass es mich einfach nur traurig stimmt. ,,Ne- Neno?", bibbert Darryl, gefangen im Eis. Neno verwandelt sich in eine Mücke und fliegt in die Zelle. Sollte ich ihnen helfen? Schuld nagt an mir. Hier in der Schule gibt es Zellen. Einen Kerker. Und die Schule gehört Lucius.
Ich stelle mir vor, wie er Magiern befiehlt, die Zellen zu erschaffen. Dies eckelte mich an.
Mein Blick heftet sich wieder auf den Jungen, der sich in eine Tigerphyton verwandelt und seinen Freund verschlingt. Ich keuche auf. Wie kann er- Wie kann er nur seinen Freund verschlingen? Oder sind sie doch Feinde? Sollte ich den Neno töten? Plötzlich sehe ich kleine Löcher in der Haut der Phyton. Dann wird die Haut aufgerissen und ich sehe Neno, der sich in die Gestalt der Phyton verwandelt hatte, mit seinen tierischen und menschlichen Instinkten kämpfend. Er will den Verschluckten töten. Gleichzeitig sich aber auch dafür opfern... Ein Vogel zwingt sich hinaus und verwandelt sich in einen Jungen, der reglos liegen bleibt. Der Griff einer Phyton. Reglos beobachte ich das Geschehen.
Kurz danach verwandelt sich der Junge ebenfalls zurück, Blut quillt aus seinem Oberkörper und er fällt auf den Boden. Mein Blick wandert schnell zu Darryl hin, danach renne ich zu dem halbtoten Neno, der sein Leben für einen anderen gegeben hat.
Hastig schaue ich, ob er noch atmet. Seine Aura ist ebenfalls schwach, obwohl es scheint, dass er einer der stärksten Auren hat, die ich bisher gesehen habe... Ich schüttele alle gerade ungebrauchbaren Gedanken ab und versuche das was ich aus Leonardos Buch gelernt haben, wieder wachzurufen. Ich nehme einen Stein und kratze, so gut es geht, einen Verband und bereite mich darauf vor, die Gedanken und Erinnerungen, aber so auch die Visionen mit ihm zu teilen. Ich denke nicht nach, sagt mir eine Stimme in meinem Kopf, doch ich blende sie einfach aus. Den Verband, als eine feste Illusion, die in ein paar Stunden verschwinden wird, halte ich nun bereit. Ich fasse an seinen Kopf und stelle mir vor eine Verbindung mit ihm herzustellen. Danach drehe ich seinen Körper auf die andere Seite. Ich beachte nicht das Blut, dass mein Kleid durchtränkt oder das sich Darryl langsam regt. Ich konzentriere mich nur auf den Verband und auf seinen Körper. Ich weiß nicht, ob ich richtig verbinde. Ich weiß nicht, ob die riesige Wunde ganz bedeckt ist. Doch gerade zählt nur Nenos Leben.
Plötzlich sehe ich, wie seine Aura Kraft zunimmt. ,,Danke.", hallt es in meinem Kopf wider. Darryl reißt die Augen auf und starrt auf seinen schwachen, aber lebenden Freund. Danach rennt er zu ihm und fängt an Tränen zu vergießen. Eine kleine Träne bahnt sich den Weg zu dem Boden. Er wird sich um ihn kümmern. Wenn der Verband verschwindet, ist sein Freund halb geheilt. Neno hat nun eine feste Verbindung zu mir. Doch nicht mal ich weiß, was er nun tun kann.
Gleichzeitig sagt mir auch ein Gefühl, das er noch eine große Rolle in meinem Leben spielen wird...

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Wird die Vision in der Scherbe wahr?
Wer weiß...

Deadline for HumansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt