Schweigend saß ich da und sah aus dem Fenster. Ich betrachtete jeden Menschen, den ich sah. So glücklich und sorgenfrei. Aus diesen zwei Wörtern bestand mein Leben. Bestand. Bis sich mein Leben an einem Tag veränderte. Bis mir das Schicksal mein Glück raubte und ich in einer dunklen Welt gefangen war. Ich bin es immernoch.
Die Tür öffnete sich und ich sah wie meine beste Freundin ihren Kopf rausstreckte.
"Özlem" , sagte sie grinsend und betrat das Zimmer.
Ich nickte als Begrüßung und sie trat herein, setzte sich auf mein Bett und sah sich um. Es gab nichts Besonderes hier. Mein Zimmer bestand aus einem Schrank, Bett und Fenster. Dazu war eine kleine Kommode neben mir. Es befand sich eine weitere Tür im Zimmer, wo mein Bad war. Eine typische Psychiatrie nunmal.
"Wie gehts dir?" , riss mich die Stimme meiner Freundin aus meinen Gedanken.
Ich machte ein Zeichen mit zitternder Hand, dass es mir gut ginge. Ich redete nicht viel, nein ich war nicht in der Lage meine brüchige Stimme zu zeigen.
Sie hieß Aylin. Vom Aussehen her waren wir gleich. Schwarze lange Haare, grüne Augen und dünn. Sie war selbstverständlich hübscher und hatte eine bessere Figur. Ich, im Gegensatz zu ihr, war abgemagert und hatte den Glanz meiner Augen verloren.
"Du hast es schon wieder getan?" , fragte sie enttäuscht und plötzlich.
Ich sah sie fragend an. Als ich mit meinen Augen ihre Blicke verfolgte, wusste ich was sie meinte. Meine Arme. Ich hatte mich gestern geschnitten. Meine Arme trugen tiefe Narben und waren voller Wunden geschmückt. So krank es klingt, ich fand es schön. Jede Narbe hatte eine Bedeutung für mich. Der Anblick verschaffte mir Beruhigung. So schlimm es das Schicksal mit mir auch meinte, die einzige Person, die ich hatte war Aylin. Sie hatte mich nicht losgelassen und hat mir von Anfang bis Ende beigestanden. Ich war ihr mehr als dankbar dafür, doch ich konnte es ihr nicht zeigen. Ich war eine verschlossene Kiste, die ich selbst nicht zu öffnen bekam. Der Schlüssel zu dieser Kiste war verschwunden. Niewieder mehr würde sich die Kiste öffnen.
Sie zog meinen Ärmel hoch und sah mir entsetzt ins Gesicht.
"Du hattest mir versprochen, dass es aufhört" , sagte sie leise und strich über meinen Oberarm.
Ich hatte sie erneut enttäuscht, ich konnte nicht anders. Ich war eine miese Niete, das musste ich zugeben.
"Özlem" , sagte sie und rüttelte an mir.
Ich sah sie an.
"Hast du schon deine Tabletten genommen?" , fragte sie.
Ich schüttelte meinen Kopf.
"Hast du was gegessen? " , fragte sie weiter.
Erneut schüttelte ich meinen Kopf.
"Ich hab dir was mitgebracht. Hab geschafft, etwas durchzuschmuggeln" , sagte sie und fummelte in ihrer Tasche herum.
Sie öffnete die Packung und ich sah chinesische Nudel.
"Deine Lieblingsnudeln. Willst du was?" ,fragte sie grinsend, doch ich verneinte. Ich hatte keinen Appetit.
"Nakomm" , sagte sie mit einem Hundeblick und hielt mir eine Gabel mit Nudeln drauf vor die Nase.
Ich näherte mich und aß es letztendlich. Ich wollte sie nicht traurig machen, dafür war sie mir viel zu wichtig.
Während des Füttern berichtete sie mir über den heutigen Tag. Sie besuchte mich jeden Tag, außer wenn sie viel um die Ohren hatte. Zu wissen, dass sich jemand Zeit für dich nimmt ist ein schönes Gefühl. Doch es reichte mir nicht. Mir fehlte etwas. Es war meine Familie.
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Özlem
RomanceÖzlem, ein depressives und auf sich allein gestelltes Mädchen. Ihr Schicksal hat sich in einer Psychiatrie verheddert.Sie hat niemanden, bis auf ihrer besten Freundin. Was passiert, wenn die beste Freundin eines Tages ihren Bruder mit zu dem Besuch...