Der gestrige Tag war unvergesslich für mich. Aylins Bruder ist einfach so spontan zu mir gekommen. Er war so nett und fürsorglich. Er hat mit allen Mitteln versucht, etwas gutes aus meinem Alltag zu machen. Ich hatte anfangs Angst, weil es so neu für mich war. Er hat mich nach draußen gebracht. Ich hatte den Tag genossen, es war ein wunderschöner Tag. Ich wusste nicht, wieso er bei mir war und wieso er bei mir geblieben ist. Wer würde sich schon Mühe machen, ein krankes Mädchen wie mich zu besuchen? Ich musste bei dem Gedanken an Erdem schmunzeln. Es war diese Sympathie, die ihn strahlen ließ. Er war zwar kalt und sah emotionslos aus, doch wenn man mit ihm über einen langen Zeitraum lang zusammen ist beziehungsweise mit ihm etwas unternimmt, spürt man diese Sympathie. Und das war gestern.
Er hat sich um mich gekümmert und ich konnte mal nach draußen.Wie lange war ich nicht draußen? 1 Monat? Der Grund dafür ist, dass ich vor einem Monat versucht hatte zu flüchten, doch die Polizei mich wieder fand. Man meint, wenn jemand raus aus der Psychiatrie will, dann darf er das. Es hält ihn nichts auf, doch bei mir ist es das Gegenteil. Durch meine vergangenen Suizigversuchen darf ich diese Psychiatrie nicht verlassen, da ich, wenn ich draußen wäre mir selbst etwas antun könnte. Ich hatte weder Familie noch Freunde, bis auf Aylin. Ich darf dieses Irrenhaus verlassen, wenn ich nicht rückfällig werde und ein neues Kapitel anfange. Als ich gestern mit Erdem draußen war, hatte ich dieses Gefühl. Dieses Gefühl, das ich raus will. Dieses Gefühl, dass es so wunderschön ist, wenn man allein auf Beinen ist und machen und tun kann was man will. Seit gestern wollte ich wieder raus und mich plagten negative Gedanken. Die Hintertür.
Mein Verstand schmiedete Pläne, die dafür sorgen würden, dass ich nach draußen dürfe. Ich würde das Gelände verlassen und frei sein. Frei wie gestern.
Meine Mundwinkel zuckten kurz nach oben. Die Tür wurde aufgeschlossen und ich sah Aylin, die lächelnd hereintrat.
Sie setzte sich auf das Bett und umarmte mich fest.
"Du siehst müde aus", sagte sie und strich unter meinen Augen, wo meine dicken Augenringe saßen.
Sie fasste an meine Stirn.
"Du hast Fieber", sagte sie fürsorglich.
"Hast du schon Medikamente genommen?", fragte sie und ich schüttelte meinen Kopf.
"Warte. Dann iss etwas. Danach hole ich Tabletten", sagte sie und holte etwas aus ihrer Tasche.
"Ich hab Pizza dabei, war eben mit meinem Bruder dort", sagte sie und legte die Stücke auf einem Teller.
Sie hielt mir ein Stück vor die Nase und ich biss gezwungenerweise rein.
"Wie war dein Tag gestern?", fragte sie und schenkte mir ihre volle Aufmerksamkeit.
Ich formte meine Lippen zu einem 'Gut'.
"Und deiner?", flüsterte ich leise.
Sie lächelte breit, da ich wieder mal geredet hatte.
"Mach immer weiter so. Eines Tages redest du wie ein Wasserfall", sagte sie lachend und grinste.
"Mein Tag war ganz okay. Ich musste viel in der Firma arbeiten und war kaputt. Am Abend habe ich mich mit Erdem gestritten", sagte sie und ihre Stimmung verwandelte sich zum traurigen.
Ich sah sie traurig an.
"Wieso? ", flüsterte ich leise und rückte näher an ihr.
"Naja du weißt ja meine Eltern sind dauernd auf Geschäftsreisen. Erdem nutzt diese Gelegenheiten aus und feiert fast jeden Tag. Gestern musste ich zusehen, wie er irgendeine Nutte aus der Shishabar zu uns nach Hause brachte. Ich halte es einfach nicht mehr aus. Er macht sich sein Leben so doch nur kaputt!", sagte sie entsetzt und ihre Augen füllten sich.
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Özlem
RomanceÖzlem, ein depressives und auf sich allein gestelltes Mädchen. Ihr Schicksal hat sich in einer Psychiatrie verheddert.Sie hat niemanden, bis auf ihrer besten Freundin. Was passiert, wenn die beste Freundin eines Tages ihren Bruder mit zu dem Besuch...