Kapitel 25

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„Wer hat dich geschlagen?", fragte er und strich meine unordentlichen Haare glatt. Seinen Namen auszusprechen, ich könnte kotzen. Allein sein Name reicht aus mich umzubringen, von dieser Welt zu verschwinden.
"Kaan."
Erdems Sicht:
Behutsam strich ich über ihren Arm, um ihr Zittern zu steuern. Ihre Zähne klapperten gegeneinander und ihre Lippen bebten wie verrückt. Zwischendurch strich ich ihre seitliche Strähnen aus ihrem Gesicht, die an ihren immer wieder neu geleckten Lippen klebten und sie höchstwahrscheinlich stören würden. Unter Kontrolle zu bekommen, das versuchte sie, da ihr dies in meiner Nähe mehr als nur unangenehm wurde. Offensichtlich wurde ihr schwindlig, denn sie blickte verwirrt durch die Gegend und tastete um sich herum.
Ich lehnte sie nach hinten und hob ihre dünne Beine nach oben, um ihren Kreislauf zu normalisieren.
"Gehts?", fragte ich nach Minuten.
Nach einem Nicken von ihr posierte ich ihre Beine wieder auf das Bett und deckte sie zu.
"Erzähl mir was über Kaan", erwähnte ich mit leicht zusammen gekniffenen Augen und lehnte jeweils beide Hände auf das Bett, sodass ich sie seitlich wieder betrachten konnte.
Sie scheiterte, als sie ihre Tränen nicht bremsen konnte.
"Er trägt einfach die meiste Schuld, das ich hier festsitze", sprach sie leise und wusch sich jede neu angekommene Träne weg. Wut verteilte sich in mir. Ich hasste diesen Kaan jetzt schon.
"Was hat er denn getan?", fragte ich erhofft über weitere Informationen.
"Hätten meine Eltern mir aber geglaubt, hätten sie mir herausgeholfen, aber weißt du ihnen war das Geld einfach viel wichtiger."
"Okay", sprach ich nickend und senkte meinen Kopf.
"Hat er dich oft geschlagen?"
"Immer, täglich. Er hat mich bloßgestellt vor hunderten Personen."
"Bist du zur Schule gegangen?", fragte ich.
"Und ist er auf deiner Schule gewesen?"
"Ja, aber ich musste abbrechen. Naja weil ich hier bin. Zwar wurde mir angeboten, weiter unterrichtet zu werden, aber dafür hatte ich wegen ihm einfach keine Konzentration mehr."
Wiedereinmal brach sie in Tränen aus und hielt beide Daumen unter ihren Augen.
Sofort fühlte ich mich angesprochen und umarmte sie.
"Beinahe hätte ich mein Abitur in der Tasche!", fluchte sie entsetzt und schluchzte auf.
"Wir kriegen das schon hin", motivierte ich sie weiter.
Ihre Berufskarriere war im Keller. Kein Wunder, das sie in Tränen ausbrach, es war einfach verständlich. Vorallem, weil dieses Geschehnis kurz vor ihrem Abiturende stattfand.
Komischerweise ließ sie mich rasch los, als hätte sie an etwas gedacht.
"Ist was?", fragte ich sie, da sie so blass wurde.
Sie schüttelte wie jedesmal stur ihren Schädel.
"Wenn du hier raus bist-
"Wer sagt, dass ich hier überhaupt noch rauskomme?!", schrie sie wütend. Ihre Gefühle änderten sich echt schnell. Gerade war sie noch traurig und jetzt plötzlich spuckten ihre Augen Feuer.
"Özlem", hauchte ich vorsichtig und versuchte sie zu beruhigen.
"Nein, ich..ich bin auf deine Hilfe nicht angewiesen okay? Was rennst du mir dauernd hinterher und machst mir sinnlose Hoffnungen?", schrie sie und schlug mir sogar dabei auf die Brust, was ich ehrlich gesagt als Kitzeln empfand.
"Was für Hoffnungen?", fragte ich immernoch beruhigt und verschränkte alle Finger an beiden Händen in meinen.
Hoffnungen? Worauf wollte sie hinaus? Ich natürlich dachte mal wieder an Hoffnungen wie, als würde ich bald eine Beziehung mit ihr eingehen, was völliger Quatsch war. Ich war auf mein Beziehungsleben nicht fixiert, sondern wollte ihr durchaus nur helfen. Dachte ich zumindest.
"Du bist dir im Moment nicht im Klaren. Ruh dich aus", meinte ich sanft.
Sie fluchte, seufzte und ballte ihre Hände zu Fäusten. Wahrscheinlich bereute sie diese Wörter, was mich ziemlich beruhigte. Auch wenn ich wusste, dass sie sich nicht trauen würde, sich zu entschuldigen, nahm ich nichts Böses wahr, sondern lächelte sie an.
"Ich bin dir nicht böse. Ich würde auch austicken, wenn ich über meine schwerste Zeit gesprochen hätte."
Es war alles so durcheinander in den letzten Tagen. Özlem hatte ziemlich enorme Stimmungsschwankungen. Heute fand dies erneut statt. Aufeinmal ist sie mucksmäusschenstill und gehorcht mir.
"Du hast Besuch", hörte ich plötzlich und sah Aylin herein spazieren.
"Hey", lächelte sie eher traurig und legte sich zu ihrer nicht biologisch gesehenen Schwester.
"Warst du?", fragte Özlem.
"Ja, sie waren nicht zu Hause. Ich versuch es ein andern Mal", meinte Aylin.
Nach Özlems großer Fragerei änderte Aylin ruckzuck das Thema und erzählte wie es in unserer Firma lief, die immer mehr Berühmtheit zunahm. Ich würde nach dem Besuch Aylin ansprechen. Irgendwas würde sie doch wohl auspucken können. Mich interessierte es sehr, was wohl mit Özlem passiert war, dass sie alles so schwer auf die Schulter genommen hatte. Eins wusste ich, dieser Kaan war kein guter Memsch, sondern hatte ihr das Leben zur Hölle gemacht, was mich echt störte. Sie hatte es einfach nicht verdient, obwohl sie sich selbst für alles beschuldigt.
Beide unterhielten sich, während ich mich meinem Handy widmete.
"Erdem komm oder willst du bei deiner Prinzessin bleiben?"
"Hä?", fragte ich.
"Ich rufe dich die ganze Zeit. Komm",meinte Aylin lachend une schlug mir auf die Schulter.
Mir fiel ein, was sie eben gesagt hatte. Prinzessin?
Özlem wurde abrupt rot, als hätte sie jemand mit Blut beschmissen.
Kurz zwinkerte ich ihr provokant zu und verschwand. Aylin blieb paar Sekunden, wieso auch immer. Genervt verdrehte ich meine Augen, immer diese Mädchengeheimnisse.
Auf dem Weg zum Auto schrieb ich Özlem, das ich sie morgen besuchen würde, wenn Aylin arbeiten wäre.
"Mit wem schreibst du da?", fragte der neugierige Zwerg neben mir und piekste mich an den Rippen.
"Özlem", antwortete ich arrogant.
"Uhh, ich brech dir jeden Knochen, wenn du sie verarschst!"
"Halts Maul Kleine, ich will ihr nur helfen. Sei nicht so fies, wegen dir schämt sie sich in meiner Nähe."
"Es wäre goldig, euch beide als Paar anzusehen. Du tust ihr gut und naja sie mag dich."
"Ach tut sie das?"
"Sie hat es mir zwar nicht gesagt, aber sie strahlt nach eurer Begegnung dauernd. Du gehst echt gut mit ihr um. Mach es nicht kaputt. Sie hat es nicht verdient, nachdem was alles geschehen ist", sagte sie und wurde leiser.
Ich nickte mir nachdenklich und bremste bei der roten Ampel.
"Wieso weinst du?", fragte ich empört und fasste über ihre nasse Wangen.
"Abi, ich will sie so nicht mehr sehen. Ich vermisse die Alte", schluchzte sie.
"Man was bin ich für eine scheiß Freundin!?",fluchte sie und schlug gegen das Fenster.
"Du bist keine falsche Freundin. Ohne dich wäre Özlem ganz weit unten", sprach ich und schaltete den nächsten Gang ein.
"Du verstehst es nicht. Du redest mit ihr und erfährst einfach mehr als ich, obwohl ich sie eine längere Zeit lang kenne!"
"Bist du eifersüchtig?", lächelte ich.
"Ich hasse dich",zickte sie.
Ich fing an zu lachen und stoppte vor unserem Haus.
"Wohin des Weges? Es ist bald schon dunkel", murmelte Aylin fragend.
"Heute findet in der Shishabar eine Feier statt."
"Und ohne dich geht nix oder was?", fragte sie etwas gereizt.
"Du kannst mich nicht überreden", konterte ich und fuhr davon.
Nachdem Feiern würde ich sie noch ansprechen, wer dieser Kaan war.
Özlems Sicht:
"Mir gehts besser", antwortete ich zu meiner Psychologin.
"Das sehe ich dir seit langem endlich mal an! Lass uns eine Runde spazieren gehen", sagte sie lächelnd.
Nach den Terminen in kurzer Zeit war sie mir nach erst einem Jahr ans Herz gewachsen. Tatsächlich halfen mir ihre Methoden, um meine Aggressivität abzuschaffen.
"Warte, erst soll dich die Krankenschwester von der Infusion befreien", lachte sie und ließ die nette Krankenschwester an mich heran. Nun war ich davon endlich befreit! Fehlt nur noch der nervige Verband an meiner Platzwunde am Kopf.
Wie eine Mutter zog sie mir die Jacke drüber und ich hakte mich bei ihr als angebote Hilfe von ihr ein.
"Wie ist der Bruder von Aylin so drauf? Ich meine er wirkt echt männlich und passt auf dich wie ein Freund auf."
Zwar war sie jung, doch dass sie wie Aylin so dachte, brachte mich innerlich zum Lachen.
"Es ist nichts und er will mir nur helfen", meinte ich darauf und zog kräftig die Luft in mich ein.
"Weißt du, wenn ich ehrlich bin hast du dich dank seiner Hilfe echt gesteigert. Du bist auf dem richtigen Weg", lächelte sie. Ehrlich gesagt konnte ich ihr Recht geben. Zwar empfand ich immernoch Sucht gegenüber der Klingen, doch ich dachte nicht mehr viel nach.
"Ich will hier einerseits so schnell wie möglich raus, aber es gibt Nächte an denen ich denke, hier mein Leben lang zu bleiben", sprach ich meine Gedanken laut aus.
"Weißt du, die Welt dort draußen ist wunderschön. Du wirst vieles verpassen. Ich sag doch, du bist auf dem guten Weg und glaub mir ich glaube stark daran, dass du in den nächsten Monaten frei bist. Du musst nur jedem zeigen, dass du nicht, ich sag es mal so 'suizidgefährdet' bist."
Das sie mich eben als suizidgefährdet abgestempelt hat, war echt hart und schmerzhaft, aber hatte sie nicht Recht?
Ich meinte, dass ich rein will. Im Zimmer schrieb ich einen Text, wie es mir ginge und was mein Ziel ist. Anschließend verstaute ich dies unter meiner Matratze, wie immer eben. Die nächste Stunde verging wie im Flug und ich verabschiedete mich von der Psychologin. Sie hatte gemeint, ich würde durch meine Selbstmordaktion mehr Konsequenzen tragen müssen, was ihr Leid tat. Der Tag verlief ganz okay. Ich hatte leichte Kopfschmerzen doch schlief relativ schnell und ruhig ein.
Am nächsten Morgen wurde ich mit einer süßen SMS geweckt, zumindest freute ich mich sehr darauf, dass mich Erdem angeschrieben hatte. Seine Anrede begann mit mein komplizierter Fall, wie in seiner Weihnachtskarte. Er würde gleich kommen.
Schmunzelnd schüttelte ich meinen Kopf und antwortete mit einem okay.
Meine Krankenschwester kontrollierte meinen Blutdruck und wechselte meinen Verband. Während sie die Wunde an meinem Bauch reinigte, starrte ich dahin und dachte mir, wie ich es nur hinbekommen hatte. Niemals hätte ich Mut dazu, doch an dem folgenden Abend war ich am Ende und hatte nicht einmal richtig nachgedacht. Nur Vorteile hatten sich in mir eingeübt und forderten mich dazu auf, das Messer in den Magen zu rammen.
"Darf ich duschen?", fragte ich sie, worauf sie verneinte und meinte, dass es viel zu gefährlich für meine Verletzung wäre.
"Ich gehe dir Frühstück holen", meinte sie und verschwand. Es vergingen nicht 20 Minuten und Erdem erschien mit einem Blumenstrauß in der Hand.
Beschämt bedankte ich mich und kam mit seiner Hand in Verbindung, als ich nach dem Blumenstrauß griff.
"Siehst süß mit dem Verband an deinem Kopf aus", lachte er mich aus und schloss leicht seine Augen.
Ich verdrehte nur die Augen und wurde wieder still. Es war mal wieder seine Nähe, die mich aus dem Konzept brachte. Und das, obwohl wir uns schon so oft sehen.
"Wie ich sehe, haben die diese Geräte von dir entfernt", sprach er rätselhaft.
Ich nickte nur und blickte zu meinem Pflaster an meinem Arm.
Er trug ein stinknormales weißes Shirt, doch ich musste mich gezwungen an meinem Bruder erinnern, denn er trug öfters weiße Shirts. So seltsam es klang, selbst das kleinste Stück Staub würde mich an meine Familie erinnern.
"Was ist das?", fragte er, als er mir ein Blatt Papier vor die Nase hielt.
Das waren meine Zettel! Abrupt nahm ich das Blatt Papier mir entgegen und verstaute es unter meinem Kissen.
"Hast du das gelesen?", fragte ich völlig empört und versuchte mein Herzklopfen unter Kontrolle zu bekommen. Würde er diese Blätter lesen, würde er alles über mich und meine Gefühle beherrschen.
Klar ließ ich ihn mich besuchen und erzählte ihm was, doch ich blieb sachlich. Es war meine Schwäche, doch ich blieb sachlich. Niemals würde ich ihm erzählen, wie es mir ginge, obwohl mir dieser Fehler oft herausgerutscht ist.
"Nein hab ich nicht", lächelte er und ließ mich erleichtert ausatmen.
Neutral blickte ich ihm ausversehen ins Gesicht und analysierte jede einzelne Pore. Er sah heute müde und krank aus, da seine Nase etwas rot war. Seine Augen sahen mich müde an. Dieser Mann hatte echt nicht einen Makel im Gesicht. Kein Pickel, kein Mitesser, kein Muttermal, keine buschigen Augenbrauen. Ob er wohl seine Augenbrauen säubert oder von Natur solch für einen Mann perfekt angeschaffene Augenbrauen hat? Natürlich hatte er keine dünnen Augenbrauen, sondern nicht zu dick, nicht zu dünn.
"Özlem. Bist du fertig?" Erwischt.
Nein, nein! Nicht schon wieder! Dieses sich ertappt fühlen brachte mich zur Weißglut. Dumme Özlem. Dumme Gedanken.
Zum Glück spazierte die Krankenschwester mit einem Tablett herein und rettete mich hier raus.
"Guten Appetit", waren ihre letzten ausgesprochenen Worte ehe sie das Zimmer verließ.
Auch Schmerztabletten hatte sie mir bei gelegt, die ich ohne Zweifel mit einem Schluck Wasser runterschluckte. Ungern musste ich mich an die Zeit früher erinnern, als ich beinahe an Überdosis Schlaftabletten gestorben wäre. Ich war süchtig nach Schlaf-und Schmerztabletten.
"Davor musst du was Essen", meinte Besserwisser.
"Ich hab kein Hunger", gab ich kleinlaut von mir.
"Iss was", fordete er mich streng auf.
"Bitte", meinte ich nur und sah weg.
"Wann hast du was gegessen?"
"Ich hab gesagt, ich hab keinen Hunger!", protestierte ich.
"Versprichst du mir zum Mittag was zu Essen?"
Ich schwieg. Warum Versprechen halten, wenn man es sowieso nicht hält?
"Özlem-
"Nagut", unterbrach ich ihn.
Die Zeit verging wie im Flug. Erdem war mit mir spazieren und hatte mir mehr über sich und sein Leben erzählt. Er hatte ein echt schönes Leben bis jetzt geführt, bis auf Kleinigkeiten. Er meinte, er wäre zufrieden mit sich. Nach vielen anderen Themen hatte er versucht mich mehr über meine Vergangenheit zu erzählen lassen, doch ich konnte es nicht. Ich konnte es wirklich nicht. Mag es verrückt klingen, es war einfach nicht leicht, vorallem, weil mir selbst bei diesen schrecklichen Gedanken die Tränen stiegen. Er hatte versucht, etwas aus mir rauszubekommen, doch scheiterte. Zum Mittag gab es nichts leckeres, weswegen ich mich weigerte zum Essen und Erdem nun chinesische Nudel für mich holen war, obwohl ich ihn davon abgehalten hatte. Woher er wohl wusste, dass dies mein Lieblingsgericht war, war ein Rätsel. Mit Aylin hatte ich eben sehr lang telefoniert. Sie würde später vorbeischauen, da sie wusste, dass Erdem hier war. Deshalb traf sie sich mit ihrem Freund hinter seinem Rücken, was ich ihr nur allzu gern gönnte. Gerade war ich dabei hektisch nach paar Münzen zu suchen, da ich den Drang hatte zu Hause anzurufen. Ich hatte das Gefühl, es wäre etwas passiert, jedoch wusste ich nicht, ob positiv oder negativ. Da Erdem weg war und ich die letzten Sekunden wegtelefoniert hatte, musste ich nach Geld suchen und der Telefonzelle einen Besuch abstatten.
Tatsächlich fand ich wie aus Wunder Eurostücke und lief von der Hintertür aus zur Telefonzelle. Gerade telefonierte ein Junge in meinem Alter und war zum Glück auch fertig, da ich draußen stand und es regnete, dazu war es eisigkalt.
Schnell warf ich das Kleingeld mit meinen zitternden Fingern hinein und wählte meine Hausnummer. Meine Hausnummer. Wie es klang. Nach drei Pieptönen hob jemand ab. Ich musste strahlen, obwohl mir diese Familie soviel Leid zugefügt hatte, weinte ich vor Freude die Stimme meines Bruders zu hören.
"Abi", hauchte ich weinend und hielt mich an die Wand neben mir fest.
"Wer ist da?"
Ich hatte ihn Abi genannt, war es so schwer zu erraten, wer ich wohl sein könnte?
"I-ich bins Özlem. Deine Schwester. Wie gehts euch?", wurde ich lauter und konnte es immernoch nicht fassen.
"Ich kenne keine Özlem."
"Abi, stell dich doch nicht so an!", fluchte ich schluchzend und sackte bei diesen vier Wörtern zu Boden.
"Wie gehts euch?", fragte ich erneut.
"Kann ich mit Mama telefonieren?"
"W-wie geht's Papa? Habt ihr vor mich wieder zu besuchen?", fragte ich hoffnungsvoll und wusch mir meine Tränen nebenbei weg.
Plötzlich hörte ich nur noch den Ton des Auflegens und schmiss wütend das Telefon gegen den Boden.
"Nein!", kreischte ich entgeistert und tritt gegen den Innenraum der Zelle. Das kann doch nicht wahr sein?! Ich wollte es nicht wahrhaben!
Verdammt ihr fehlt mir so, ich wollte nur eure Stimme hören. Was hab ich bloß falsch gemacht? Mitten in der Zelle, worauf dicke Regentropfen fielen, saß ich darin und stellte mir die Frage, was mein Fehler gewesen war? Ich wollte diese Fragen beantwortet haben, nichts weiteres. Ein Mensch ist ohne Familie ein Nichts, denn ohne Familie erreichst du nichts. Ohne Familie kannst du dich nicht stolz fühlen. Ohne Familie hast du kein Herz, sondern bist auf dich allein gestellt und genau diese Andeutungen führten zu mir!
"Das ist so unfair. Alle haben eine Familie, außer ich!", flüsterte ich empört und schrie auf. Ich war hilflos wie ein kleines Kind ohne Mutter. Selbst die Kraft zum Aufstehen fehlte mir, weswegen ich auf dem kalten Boden sitzen blieb und mir die Seele aus dem Leib flennte. Mein Leben war so unfair. Selbst meine Gebete erfüllten sich nicht. Meine Familie hasst mich, ich will es einfach nicht glauben. So ein Dreck aber auch. Es verging eine unzählig lange Stunde, in der ich vor Kälte zitterte und dachte ich würde noch sterben, da jede einzelne Stelle am Körper betäubt war und mir seelische Schmerzen schenkte.
Mit der Hand griff ich zum Telefon und zog mich nach öfteren Versuchen hoch, bis ich stark gegen die Kante mit dem Kopf knallte und schon ahnen konnte, dass meine Wunde aufgeplatzt war, da Blut herunter tropfte und meine zwei Finger reflexartig zur Verletzung griffen.
Fluchend verließ ich die Zelle und trat dem Regen hervor. So konnte niemand merken, dass ich heftig geweint hatte, doch meine Wunde bedrückte diese innige Aussage.
Durch die Hintertür kam ich ins Gebäude und suchte mein Zimmer, da ich in ein richtiges Krankenzimmer versetzt worden war. Meine Tränen konnte ich nicht stoppen, auch mein Mund verließ wie ein weinendes Kind Wörter sowie schmerzhafte Stöhnereien. Von der Seite sah ich Erdem, der mich noch nicht gesehen hatte, weshalb ich mein Tempo beschleunigte, die Wunde vor der Krankenschwester mit meiner Hand verdeckte, die durch den Flur marschierte und Wache hielt und mich schleunigst im Bad einsperrte. Im Spiegel sah ich die Hälfte meines Gesichtes voller Blut verdeckt. Der Faden war aufgegangen, somit konnte ich jeden Zentimeter der Wunde sehen, so tief. Mit Taschentüchern und Wasser versuchte ich mein Bestes, da ich nicht allzu viel Erfahrungen darüber in mich trug. Nebenbei weinte ich wie verrückt, da ich es mit der Angst zutun bekam und nicht weiter wusste. Jeden Moment würde Erdem anklopfen und mich heraus locken. Dazu nahm mich die Sache mit dem kurzen Telefonat mit, indem meine Fragen an meinem Bruder ignoriert worden sind und er eiskalt aufgelegt hat.
Ich war wie wutgeladen, als ich nichts hinbekam und letztendlich am Rand der Badewanne saß.
"Özlem? Weinst du etwa?"

ÖzlemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt