"Özlem warte", lief er mir hinterher, als ich um die Wette rann und weg wollte. Weg von ihm.
Weg von der Angst, das er alles ruinieren würde.
Heiser schrie ich ein 'Nein' aus mir und entriss mich von seinen Händen, die mich einholten und meine Handgelenke fesselten.
"Ich-
"Nein!", schrie ich laut und ging weiter.
Mir fiel es schwer zu reden. In dem Moment wünschte ich mir von einem Bus überfahren zu werden.
Er ließ nicht nach und packte mich erneut. Mit Gewalt hielt er mich so stark auf, dass ich gegen seine Brust prallte und mein Kopf schmerzte.
"Die wollte reden. Ich schwörs, da war nichts anderes. Ich schwöre auf dich", sagte er verzeweifelt.
"Wieso muss ich das so erfahren, dass ich dich mit ihr sehe?", fragte ich unter Tränen.
"Wir wollten Alican besuchen-
"Wieso sie mit dir?"
"Özi sie interessiert mich nicht-
"Worüber wollte sie mit dir reden?"
"Sie dachte ich will was von ihr."
Hätte ich Selbstbewusstsein und Mut würde ich zu ihr gehen, ihr eine Lektion erteilen, doch die Angst seelisch selbst fertig gemacht zu werden war groß. Erdem war kompliziert. Ich verstand seine Logik nicht. Er wusste ganz genau, dass ich sie seit der Geschichte nicht ausstehen konnte, dass Dank ihr unsere Beziehung in die Hose gegangen ist.
"Ich geh dann mal", ging ich ohne Beachtung los.
"Özlem-
"Ich will nicht gefahren werden. Ich gehe."
"Es ist aber dunkel", diskutierte er und hielt mich auf.
"Lass mich mitkommen. Ich halte meinen Mund, versprochen."
Mein Hals war zugeschnürt, stumm ging ich und er mir hinterher.
"Wo warst du?"
"Du wolltest nicht reden", erinnerte ich ihn wütend.
Ich war sowas von wütend auf ihn. Die Sache mit Bahar war nicht gegessen. Irgendwas stimmte zwischen beiden nicht. Erdem würde aber niemals so untreu sein, ich verstand nicht recht.
"Özlem-
"Ihr habt euch geküsst. Du hattest mich mit ihr betrogen, du warst untreu Erdem. Wieso erwartest du, dass ich locker reagiere, wenn mir der Gedanke aufkreuzt, dass du eine andere Frau angefasst hast?", blieb ich stehen.
"Ich dachte das Thema ist gegessen", sagte er ebenfalls laut.
"Ich werde das niemals vergessen Erdem, niemals. Sowas vergisst man nicht. Würde es dir gefallen, wenn ich während einer Beziehung jemand anderes küssen würde?", fauchte ich.
"Du würdest mich verlassen, so kenn ich dich. Und weißt du was? Ich hab dir verziehen, aber du schätzt es überhaupt nicht wert", wurde ich leise.
"Bitte wein nicht", flüsterte er bekümmert und versuchte mich zu beruhigen.
"Ich versprech es dir, du wirst mich nie wieder mehr mit ihr sehen. Ich war ein Bastard, es tut mir Leid", hauchte er flehend und küsste meine Unterlippe. Ich nickte nur und entfernte mich von ihm.
"Özi in einer Woche ist eine Art Feier in unserer Firma. Ich brauche eine Begleitung und du kommst in Frage. Was hälst du davon?"
"Abstand. Ich bin für sowas nicht geschaffen."
Abrupt stellte er sich vor mir und hielt mich an meinen Schultern fest.
"Doch und wie. Es passt eigentlich schon, wenn du in Jogginghose auftauchst, weil die Typen da dich angaffen werden, wenn du im Kleid da stehst. Ich will das nicht, aber es wäre bisschen komisch wenn du die Einzige mit Joggingshose bist."
"Jogginghose oder nicht?"
"Jogginghose", leckte er sich über die Lippen.
"Wie lange geht der Abend?"
"Paar Stunden. Wir bleiben nicht lange."
"Ich überlege es mir."
Angekommen gab ich ein kleines 'Bye' aus mir und klingelte.
Meine Mutter öffnete die Tür und sofort machten sich mehrere Stimmen bemerkbar.
Wir hatten Besuch, das wurde mir klar.
Sie ignorierte mich und ging wieder zum Besuch, während ich zum Zimmer schlich, doch Schritte hinter mir spürte.
Augenblicklich drehte ich mich um und sah überraschenderweise Kaan, der mich provokant anstarrte und sich neben mir stellte.
"Alles klar Azizam?", versuchte er mich anzufassen, doch ich wich aus und schubste ihn weg, um in mein Zimmer zu gelangen.
Sicherheitshalber schloss ich ab und runzelte die Stirn, da meine Schubladenschränke offen waren. Wahrscheinlich hat meine Mutter etwas gesucht.
Ich war grad fürs Schlafen geschaffen, also sprang ich ins Bett und deckte mich zu.
Vier Tage vergingen. Mit Erdem war alles wieder gut. Wir hatten uns nur einmal wegen dem Kleid für den Abend getroffen. Ich hatte mir ein weinrotes langes Kleid geholt, was ziemlich edel und elegant aussah. Es war jedoch nicht zu teuer, der Preis war noch akzeptabel.
Morgen würde die Feier stattfinden. Heute würde ich mich zum zweiten Mal mit Aylin treffen, da sie zum Frauenarzt musste und mich mitnehmen wollte.
Schnell nahm ich mein Handy zur Hand und machte mich auf dem Weg zum Park, wo sie mit dem Auto auf mich warten würde.
Ich erkannte ihr Auto und stieg ein. Mit einer Umarmung begrüßte ich sie und bekam einen dicken Kuss auf die Wange.
"Wie gehts dir?", fragte sie mich und fuhr los.
"Gut, Erdem hat mich eingeladen, zu einer Feier, die morgen in der Firma stattfinden wird."
"Das ist so langweilig", verdrehte sie lachend die Augen.
"Wir bleiben nicht lange. Ich bin irgendwie aufgeregt. Schließlich sehe ich meinen Schwiegervater."
"Ach das wird schon", lächelte sie.
Angekommen schnallten wir uns ab und stiegen in den Aufzug. Schnell gaben wir Bescheid und setzten uns ins Wartezimmer. Es dauerte sehr lange, doch wir redeten ununterbrochen, was uns nicht fühlen ließ, dass wir mehr als eine halbe Stunde warten mussten. Ihr Name fiel durch dir Sprecher und schon durften wir Platz in einem kleinen Raum nehmen. Sie wurde ans CTG- Gerät angeschlossen. Die Ärztin trug eine Art Salbe auf und schnallte sie an ihrem Bauch quasi mit einem Gürtel ähnlich sehendem Ding an. Als sie angeschlossen wurde, drückte die Ärztin einen Knopf und verschwand auch wieder. Ich sah fragend durch die Gegend.
"Gleich siehst du die Herzschläge des Babys und wie aktiv es ist. Das wird alles auf dem Blatt da unten aufgezeichnet."
Ich nickte und spürte ihre Hand auf meine. Sie drückte meine Hand und lehnte sich zurück.
"Schau mal", zeigte sie zum Display, wo die ersten Herzschläge draufgezeichnet waren und mir Tränen in den Augen stiegen.
"Dein Baby ist voll aktiv", lachte ich, da die Werte höher als normal waren.
"Es hat Stimmungsschwankungen. Mal ist es richtig ruhig, mal geht es ab", lachte sie ebenfalls.
Leicht strich ich über ihren gerundeten Bauch, der noch winzig war, im Gegensatz zum Bauch einer Hochschwangeren.
"So süß", schmunzelte ich.
Es dauerte, bis die Aufzeichnungen vollständig waren und danach wurde ein Ultraschallbild gemacht. Es war alles im grünen Bereich.
Danach aßen wir ein wenig bei Burger King. Erst dann kam ich dazu, ihr zu erzählen, dass Erdem und ich heiraten würden. Sie freute sich riesig, dabei hatte ich mit einer anderen Reaktion gerechnet, da sie zuerst heiraten wollte, doch sie zeigte keinerlei Reaktion von Traurigkeit oder Enttäuschung.
Nachdem wir unseren Magen versorgten, spazierten wir herum, bis sich der Tag zum Ende neigte und ich mich von ihr verabschiedete. Zuhause angekommen würde ich direkt schlafen gehen, doch ich hatte unzählige Schmetterlinge im Bauch, da ich aufgeregt war. Tausende "Was wäre, wenn..." Fragen stellte ich mir und dachte immer pessimistischer.
Der nächste Tag fing hektisch an. Ich stand erst um zwei auf und müsste mit Mazlum Abi einkaufen gehen.
"Fertig?", schrie er von der Küche.
"Fünf Sekunden!", rief ich und schmiss irgendwelchen Krims Krams in meine Tasche.
Wir parkten vor Lidl und ich holte einen Einkaufswagen.
"Um wieviel Uhr musst du denn da sein?", hakte er auf das Thema Erdem.
"Er wird mich abholen", gab ich zum hundertsten Mal von mir.
"Und ihr kommt wann wieder?"
"Wir bleiben nicht lange."
Er nickte und schmiss Chipstüten in den Wagen.
"Anne war nicht so beeindruckt davon."
Ich schwieg nur und tat so, als hätte ich garnichts gehört. Es dauerte ewig, bis wir bezahlten und alles ins Auto räumten.
Da Lidl bei uns in der Ecke war, kamen wir recht schnell an und schafften es in fünf Minuten mithilfe meines Vaters alles in die Wohnung zu räumen. Plötzlich kam meine Mutter lächelnd auf uns zu und umarmte Erdem fest.
"Was hätte ich nur ohne dich getan", lachte sie und küsste seine Wange.
Meine Augen füllten sich bei diesen Anblick. Mein Herz wurde so schwer wie blei und ich schluckte, schluckte, schluckte diesen Schmerz runter. Automatisch bewegten sich meine Beine von allein zum Bad, wo ich mich nieder ließ und meine Tränen stumm frei in Lauf ließ.
Es tat so verdammt weh, von der eigenen Mutter ignoriert zu werden. Ich sehnte mich nach der Mutterliebe. Erst dann, als Mazlum Abi hereinplatzte und mich am Boden sah, stellte ich fest, dass ich garnicht abgeschlossen hatte. Seelenruhig kniete er sich zu mich herunter und nahm mich so fest in den Arm, dass ich mich wie aus dem Nichts so sicher fühlte.
"Ich hab so oft versucht, mit ihr zu reden. Es tut mir Leid", flüsterte er.
Ich schüttelte meinen Kopf, als Zeichen, das er keine Schuld tragen würde.
"Wieso ist sie so gemein zu mir?", fragte ich heiser.
"Mach dir nichts draus. Los steh auf", wischte er meine Tränen weg.
"Du bist gleich in einer riesigen Firma mit deinem Stiefvater. Zieh dich an und mach dich hübsch. Ich spreche nochmal mit ihr."
Schwach nickte ich und wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser, um einen klaren Teint zu gewinnen. Meine Augen waren leicht angeschwollen, doch mit Schminke könnte ich meine Augen anders betonen, sodass die Schwellung nicht zu erkennen wäre. Ich fühlte mich müde, trotz, dass ich ausgeschlafen hatte. Nachdem ich mir das Kleid anzog, schminkte ich mich leicht. Meine Haare glättete ich und machte mir einen Mittelscheitel. Accessoires dürfte nicht fehlen. Ich nahm mir Erdems Kette und seinen Ring, die er mir geschenkt hatte. Ohrringe nahm ich ganz einfache aus Dimanten.
Von draußen hörte ich schon sein Hupen, was hieß, dass ich schon seit zehn Minuten spät dran war. Es war schwer mit den hohen Schuhen, doch ich lief wortwörtlich durch die Wohnung und verabschiedete mich kurz. Draußen sah ich meinen Mann in einem Anzug stehen, worin er unverschämt heiß aussah.
"Das Warten hat sich gelohnt", lachte er frech und nahm mich als Begrüßung in den Arm. Auch ich lächelte breit.
"Siehst gut aus", sagte er leise und küsste unauffällig meine Wange.
"Danke, gleichfalls", grinste ich mit geröteten Wangen.
Eingestiegen fuhr er los und drehte die Musik leiser.
Die Fahrt verging eher langsam, aber wir kam letzendlich doch noch an, ohne geblitzt zu werden.
Ich hakte mich bei Erdem ein, um nicht so zu wirken, als hätte ich ein gebrochenes Bein. Er lachte mich nur aus und führte mich zur Firma, die riesengroß war. Im Forum sahen wir bereits viele andere Menschen in Anzügen mit ihren Begleitern.
"Komm ich stell dir meine Kollegen vor", zog er mich mit sich.
"Emrah das ist meine Freundin Özlem. Özlem das ist Emrah, er arbeitet schon lange hier."
"Schön dich kennenzulernen", lächelte er höflich und überreichte mir seine Hand, die ich schüttelte und sein Lächeln erwiderte.
Während Erdem und Emrah sich unterhielten, wagte ich es, mich umzusehen, doch erstarrte, als ich ein bekanntes Gesicht vor mir sah. Wie aus dem Nichts weiteten sich meine Augen aus und ich? Ich bekam schreckliche Angst und Sorge, was ausgerechnet Kaan hier zu suchen hat. Und verdammt nochmal, woher weiß er, dass ich hier bin? Mittlerweile war mein Puls so hoch, dass man ihn kaum messen könnte. Ich konnte deutlich spüren, wie mein Herzklopfen aus meiner Brust herausragte.
Schnell drehte ich mich um, als er mich noch nicht entdeckt hatte. Meine Beine waren wie gelähmt, so zerbrechlich wie dünnes Glas. Ich spürte deutlich, wie ich drohte umzukippen, doch riss mich zusammen, damit Erdem nichts mitbekommt. Tief atmete ich ein und aus, um alles schnell und zügig zu verarbeiten, doch die Frage brannte mir auf der Zunge. Wieso war er hier? Soweit ich wusste, arbeitete er in die Firma von Erdems Vater doch garnicht?
"Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit", hörte ich plötzlich von allen Sprechern, die an den Wänden hingen. Erdems Vater stand da auf der großen Bühne. Verdunkelte Lichter um uns herum und ein stark beleuchtendes Licht auf den Vater gerichtet. Seine Blicke huschten zu mir und er lächelte mich warm an, was ich sofort erwiderte.
"Lass uns hinsetzen", flüsterte Erdem und schubste mich sanft nach vorn.
Meine Blicke sahen um jede Ecke, kontrollierten jeden Winkel, doch sahen keinen Kaan. Doch knapp hinter uns saß er mit mehreren Männern am Tisch. Plötzlich folgten seine Augen meinen und trafen diese. Geschockt drehte ich mich rasch um und bemerkte den dicken Kloß im Hals. Unerwartet spürte ich kalte Schauer über meinen heißen Rücken. Ich wollte mich in Luft auflösen, jetzt sofort.
Sofort erstarrte ich, als Erdem mich von der Seite in Augenschein nahm und ich betete, dass er nichts merkt. Nervös nippte ich an dem Glas und schluckte das kalte Wasser herunter. Ein Teil in mir entstannte sich, so konzentierte ich mich auf den Vater und auf die riesengroße elegante Uhr an der Wand, die mir verriet, dass wir noch lange hier festsitzen würden. Am Ende würden wir mit Musik richtig feiern. Doch bis dahin war Zeit.
Der Vater lobte verschiedene Projekte beziehungsweise nannte die Besten und Erdems war natürlich dabei. Er hätte hart daran geschuftet, so berichtete er es mir. Zwischendurch erklärte er mir alles genauer, da ich nicht recht verstand, wovon manchmal die Rede war. In dieser Stunde, in der verschiedene Geschäftsmänner aufgetreten sind, habe ich mich nicht einmal getraut, mich nach hinten zu drehen.
"Ich bitte meinen Mitarbeiter Erdem auf die Bühne", hörte ich einen Kollegen von Erdem. Kurz lächelte ich Erdem ermutigend an und klatschte mit der Menge mit, als er da stand und mit seinem Anzug unverschämt zum Anbeißen aussah. Auch Erdem hielt eine kurze Rede, die er ungeplant hielt, da er nicht damit gerechnet hatte, selbst sprechen zu müssen.
Wie aus dem heiterem Himmel zuckte ich nach vorn, als ich kalte Finger an meiner Schulter spürte und mich umdrehte.
"Ich bin auch gleich dran", grinste Kaan.
Ängstlich drehte ich mich um und sah zu Erdem, der zum Glück nichts mitbekommen hatte, denn auf eine weitere Schlägerei hatte ich keine Lust, Erdem war schließlich noch wenige Monate auf Bewährung.
Die Frage, was er hier zu suchen hatte, brannte wie Feuer auf meiner Zunge.
Der Applaus weckte mich aus meinen Gedanken. Rasch klatschte ich und lächelte erneut zu Erdem, als er auf mich zukam und sich neben mir setzte.
"Ich war voll gut ne", lachte er.
"Ganz okay", zog ich meine Augenbraue in die Höhe und küsste unauffällig seine Wange, als er mir näher kam.
Von hinten hörte ich, wie sich der Stuhl verschiebte und ein Quietschen entstand.
Meine Miene fiel, als sich Kaan an mir vorbei wagte und gezielt zur Bühne ging. Mein Magen schmerzte vor Angst und Erdem hatte ihn von hinten nicht erkannt, doch egal ob ja oder nein, er würde ihn gleich sehen und ich wollte dies vermeiden.
"Lass uns kurz raus", lenkte ich ihn, doch er sah zur Bühne.
"Was ist los?", fragte er und sah zu mir, was mich einen Prozent erleichterte.
"Mir ist schwindelig, bitte lass uns nach draußen-
"Was macht dieser Bastard hier?", spuckte er aus sich, was mich zum erstarren brachte und er drohte auszurasten.
"Was soll das man? Der hat hier nix zu suchen!", fluchte er, während ich versuchte ihn zu beruhigen.
"Uns hat die Buchhandlung ein Angebot gemacht", sprach Kaan.
"Nun sitze ich hier und wurde von meiner Psychologin beauftragt, meine Gefühle auf ein Stück Papier freizulassen. Tag zu Tag fühle ich mich schlimmer und verliere mich selbst. Es herrscht ein heißes Klima in mir und der Drang, von dieser Welt zu verschwinden wächst. Ich will hier weg. Ich halte es nicht mehr aus. Anscheinend hat mich meine Familie tatsächlich im Stich gelassen. Dies war ein Ausschnitt vom selbstgeschriebenen Text eines Mädchen. Es wurde vorgeschlagen eine Organisation zu eröffnen, um die Menschen in der Psychiatrie stark zu untersützen. Ich danke Frau Rashid für die Veröffentlichung dieser Geschichte."
Kurz schloss ich meine Augen und verlor beinahe eine Träne, die ich mit meinen Augen hielt und ich mich äußerst schämte. Ich wurde soeben bloßgestellt, vor mehreren Geschäftsmännern, vor großen Firmen aus großen Städten. Ich wurde vor Erdem bloß gestellt. Ich wurde blamiert. Ich fühlte nurnoch Kälte. Siegessicher grinste mir der Mann ins Gesicht, der mir im Moment das Leben zur Hölle machte. Er hatte die Zettel aus der Psychiatrie geklaut, als er bei mir war.
Meine Blicke huschten zu Erdem, der geschockt zu mir sah.
"Erdem, ich- ich muss hier weg", stand ich schweratmend auf und machte mich in schnellen Schritten auf dem Weg nach draußen.
Er folgte mir dicht.
"Bitte warte", sprach er besorgt, doch ich ging weiter, um meine Tränen nicht zu zeigen, um ihm meine Schwäche nicht zu beweisen.
Nur schwer schüttelte ich mit zugedrehtem Rücken meinen Kopf und ging mit den hohen Schuhen mühsam möglichst zügig.
Doch ich kannte ihn. Grob packte er mich und stellte sich vor mich.
"Du kommst jetzt mit. Wir gehen zu ihm, ich nehme ihn auseinander. Das war eine Nummer zuviel Özlem", versuchte er ruhig zu klingen.
"Du kommst mit. Lass dir das nicht mitgehen. Ich will dich nicht so sehen", sprach er zittrig vor Wut und Besorgnis.
"Hol meine Tasche. Ich will hier weg", sah ich zum ersten Mal in seine Augen, nachdem das passiert war, doch senkte meine Blicke sofort.
"Und du bleibst hier, verstanden?", sprach er sanft. Ich nickte.
Wie auf Kommando lief ich in verschiedene Gassen, um weit weg von diesem Ort zu kommen und niemanden sehen zu müssen. Ich lief um mein Leben und das mit High Heels, doch ich war schnell dran. Es war stockdunkel, doch ich hatte statt Angst im Dunkeln, Angst unter die Augen von Erdem oder meines Schwiegervaters zu treten. Ich fühlte mich fehl am Platz, scheiße. Genau dann, als alles hochkam und ich furchbar zu Boden fiel, schluchzte ich laut und rutschte die Wand zwischen zwei nahstehenden Häusern herunter. Laut schrie ich auf und fasste mich an meinen Kopf. Wie konnte er nur? Er hat mich zerstört. Er hat mich verletzt, wie lang soll das noch weiter gehen? Ich dachte es findet ein Ende, ich hoffte seine Spiele hören auf, ich hatte mir ausgemalt, dass er mich in Ruhe lässt. Meine Heirat stand an und genau dann tauchte er kurz davor auf. Ich wollte Erdem nicht mehr sehen, es war mir verdammt unangenehm, dass er diesen Text zu Hören bekommen hat. Ich wollte nicht das psychisch gestörte Mädchen vor seinen Augen sein. Ich wollte vor ihm als normales Mädchen stehen, ihn die Zeit in der Psychiatrie vergessen lassen.
Nach langer Heulerei stand ich nur schwer auf und fand den Weg zur Hinterseite der Firma, wo ich die Straße fand, doch nur schwer den Weg nach Haus. Lang überlegte ich und probierte irgendwelche Wege und kam erst nach zwei Stunden in schmutziger Kleidung und verheultem Gesicht nach Hause.
Zitternd klingelte ich und sah meinen Vater, der bekümmert zu mir sah, ich mich in seine Arme schloss und losweinte.
"Es lief scheiße", flüsterte ich in seiner Brust, als er mich fragte, wieso ich weinte.
"Erdem ist im Wohnzimmer und hat mir schon etwas erzählt, aber nicht ganz", flüsterte er.
"Sag ihm, dass ich duschen gehe. Ich will ihn nicht sehen, bitte schaff ihn weg", flehte ich ihn mit verheulten Augen an. Doch es war zu spät. Er stand an Türrahmen.
Ohne zu überlegen eilte ich ins Zimmer an ihn vorbei und schloss die Tür ab. Erdem tat mir verdammt Leid, er wollte mir nur helfen und bei mir sein, während ich ihn vom Umfeld entfernte und ihn ignorierte. Er trug überhaupt keine Schuld, aber das Schamgefühl brachte mich um. Noch nie war mir etwas so peinlich wie der Auftritt von Kaan, noch nie.
Heimlich schlich ich mich ins Bad und duschte. Nachdem ich mir warme und lockere Kleidung anzog, platzte mein Vater ins Zimmer und stand wegen meinen knallroten Augen unter Schock, doch ich selbst hatte Angst vor mir selbst, denn die roten Augen waren vom Weinen und Duschen.
"Erzählst du es mir?", fragte er vorsichtig und setzte sich neben mich aufs Bett. Nickend sah ich zu ihm und spürte seine Hand an meinem Kopf, die mich zu seiner Brust lenkte und er mir einen sanften Kuss auf den Ansatz drückte.
"Anfangs lief alles gut, aber irgendwie war Kaan da. Er musste ebenfalls eine Rede halten, meint, er hätte einen Vorschlag von einer Buchhandlung bekommen. Er würde es irgendwie veröffentlichen, ich hab es selbst nicht ganz verstanden. In der Psychiatrie hab ich oft meine Gefühle auf ein Blatt Papier geschrieben, weil meine Psychologin mir diesen Tipp gegeben hat. Er war letztends mit seiner Familie hier und hat die Zettel geklaut. Er hat einen Teil davon vorgelesen und meinen Namen erwähnt", brach ich am Ende ab und wusch über meine feuchte Wangen.
"Ich weiß nicht wieso, aber ich hab das Gefühl, das Erdem mich für lächerlich hält, obwohl ich ihn verstehen würde, wenn das so ist, weil es meinerseits so armseelig war. Ich wurde blamiert", schluchzte ich.
"Sogar sein Vater hat alles mitbekommen. Es ist alles so unangenehm."
Mit seiner Hand strich er über meinen Rücken. Er war beunruhigt. Es schien ihm überhaupt nicht zu gefallen.
"Das wird er bereuen. Wieso hast du ihn nicht sofort danach angegriffen? Er hält sich für stark", sprach er wütend.
"Erklär mir, wieso ihr wegen Geld ihn dazu angestiftet habt, mich kennenzulernen. Wärt ihr nicht so heiß aufs Geld, hätte ich ihn niemals kennengelernt. Dieser Mann zerstört die Beziehung zwischen Erdem und mir, er zerstört mich."
"Ich wünschte ich könnte die Zeit zurückdrehen. Es tut mir wirklich Leid."
"Was wollte Erdem hier?"
"Er hat deine Tasche gebracht und hat nach dir wie verrückt gesucht. Wärst du eine Minute später gekommen, hätte er die Polizei gerufen. Er hat mir erzählt, dass Kaan dich wieder geärgert hat, aber auf dieser Weise ist nicht grad harmlos. Ruf ihn morgen hier hin, er macht sich echt Sorgen."
"Das ist es ja. Ich traue mich garnicht mehr", gab ich entsetzt von mir, doch bereute es andererseits von ihm weggelaufen zu sein.
Ermutigend strich er über meinen Oberarm.
"Er ist bald dein Mann. Da braucht dir garnichts mehr peinlich zu sein. Er kennt all deine Macken, er kennt dich auswendig. Er weiß Sachen über dich, bei denen zu denkst, dass er sie nicht kennt. Solange kennt ihr euch, er lacht dich innerlich niemals wegen dem Text aus, niemals. Eher gesagt denkt er grad nach, was er tun soll, damit du nicht mehr weinst. Du weißt garnicht wie schwer es war, ihn wegzuschicken, er wollte dich sehen, bevor er geht."
"Leg dich schlafen. Nach Reden ist dir grad nicht ganz oder?"
Ich bejahte.
"Gute Nacht Melek (Engel)", lächelte er und küsste meine Stirn.
"Und denk jetzt ja nicht über Kaan nach. Ihn knüpfe ich mir noch vor", warnte er mich und deckte mich zu.
"Mach ich nicht", lächelte ich schwach zurück und fühlte mich tausendmal besser.
Erst dann, als er das Licht ausschaltete und ging, fiel mir ein, dass mein Vater gerade die Mutterrolle gespielt hatte. Statt, dass meine Mutter über meine Haare streicht und mir Tipps gibt, hatte er mich getröstet. Ich dankte Gott, so einen liebevollen Vater zu haben.
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Özlem
RomanceÖzlem, ein depressives und auf sich allein gestelltes Mädchen. Ihr Schicksal hat sich in einer Psychiatrie verheddert.Sie hat niemanden, bis auf ihrer besten Freundin. Was passiert, wenn die beste Freundin eines Tages ihren Bruder mit zu dem Besuch...