Kapitel 2

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Durch einen schmerzhaften Druck und Stechen stand ich auf. Ich riss meine Augen auf und entzog mich der Krankenschwester. Sie war dabei Blut abzunehmen.

"Halt still!", schrie sie und ich zuckte zusammen.

Meine Augen füllten sich, als ich die Nadel fühlte, die durch meinen Arm gepiekst wurde. Ich hasste schon seit meiner Kindheit Spritzen oder wenn mir jemand Blut abnahm.

"Bitte lassen Sie das", flüsterte ich mit vollen Augen, doch ihre Griffe wurden fester und ich schwächer.

Die Tür wurde aufgemacht und meine beste Freundin trat herein. Hilfesuchend sah ich sie an.

"Was ist denn hier los?", fragte sie verwirrt, doch ihre fragenden Blicke wurden beantwortet, als sie sah, was hier vorging.

"Entschuldigen sie? Sie können ihr doch nicht gegen ihren Willen einfach so Blut abnehmen?", sagte Aylin aufgebracht und kam näher.

"Ich kann tun und machen, was ich will. Ihr Blut abzunehmen ist Pflicht für die Untersuchung", sagte die Krankenkenschwester und fuhr fort.

Aylin kam zu mir und umarmte mich.

"Schau nicht dahin", flüsterte sie und strich über meinen Rücken. Sie wusste, dass ich sowas nicht ertragen konnte. Es war einfach zuviel für mich.

"So fertig, so schlimm war das garnicht", sagte sie.

"Ich find das unmöglich, wie sie mit dir hier umgehen", sagte Aylin, nachdem die Krankenschwester den Raum verlassen hatte.

"Wieso tut ihr nichts dagegen?", fragte plötzlich eine unbekannte Stimme.

Neugierig sah ich hinter Aylin, indem ich meinen Kopf herausstreckte.

Hinter ihr stand ein Junge, im Alter von mir. Etwas älter.Er trug einen Dreitagebart und dazu waren seine Haare zum Undercut geschnitten. Er hatte irgendeine positive Ausstrahlung, doch ich wusste nicht woran es lag.

Er kam näher und sofort reagierte ich. Ich wusch mir die Tränen weg und sah ihn an. Er sah mir tief in die Augen und durchbohrte mich mit seinen Blicken. Purer Mitleid war in seinen Augen zu erkennen.

Langsam wendete ich meine Blicke von ihm und sah zu Aylin.

"Das ist mein Bruder", sagte sie grinsend. Ihre Stimme klang so stolz und fröhlich.

"Erdem, Erdem Mesut. Nenn mich Erdem", sagte er plötzlich mit tiefer Stimme. Er streckte mir die Hand heraus. Aylin sah zu mir.Ich zögerte. Aus Höflichkeit wollte ich ihm die Hand geben, doch komischerweise war es die Angst, die es nicht zuließ.

"Lass lieber", sagte sie leise zu ihrem Bruder. Er senkte seine Hand und nahm sich einen Stuhl. Er setzte sich zu uns.

Aylin nahm meine Hand und strich darüber.

"Ich kann morgen nicht kommen", sagte sie traurig und sah mich an.

"Ich hab was wichtiges für die Arbeit zu erledigen. Im Moment geht unsere Firma den Bach runter, deshalb", sagte sie und ich nickte verständlich.

"Hast du schon was gegessen?", fragte sie. Ich schüttelte meinen Kopf und sah nach unten. Erneut hatte ich ihr Versprechen gebrochen. Sie will mich hier rausholen, doch ich unterstütze sie nicht. Ich bin so ein schlechter Mensch, wie undankbar ich sein kann.

"Hast du keinen Hunger? ", fragte sie enttäuscht.

Erneut schüttelte ich meinen Kopf.

"Ich will, dass du heute etwas isst. So kann das nicht weiter gehen", sagte sie streng, um ihre Enttäuschung zu verstecken.

ÖzlemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt