Kapitel 48

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Mit einem dicken Kloß im Hals wartete ich ein wenig und packte die wichtigsten Sachen in meine Tasche und sah, dass es schon 18:13 Uhr war. Eilig ging ich zur Tür und entdeckte Erdem eine rauchen. Ein leichtes Lächeln zierte sein Gesicht, doch augenblicklich sah er wieder besort aus, als er meine Sieben-Tage-Regen Miene im Gesicht sah.
Ein letzter langer Atemzug durchdrang meine Lunge, ehe ich in seine Arme lief und ihn fest drückte.
Seine Arme samt Zigarette in seiner Hand schlang er um mich und hob mich leicht zu sich, weswegen ich meinen Griff verstärkte und er tief durchatmete.
"Du riechst nach Erdbeeren", hauchte er rau in meine Schulter.
Kurz lächelte ich und löste mich von ihm.
"War duschen", gab ich knapp und blickte zu seinem in Papier gedrehten Tabakprodukt.
"Ich hasse es, wenn du rauchst", sprach ich ein wenig überspannt, nahm ihm diese weg und zerstrampelte sie auf dem Boden.
"Özlem", jaulte er schmollend.
"Wieso raucht man überhaupt? Du-
"Okay okay. Ich lass es", lächelte er und lenkte vom Thema.
Eingestiegen fuhr er los, wie üblich, zu schnell für meinen Geschmack.
"Wohin fahren wir?"
"Schnall dich erst an", tat er auf ernst, doch schmunzelte.
Schnell legte ich den Gurt um mich.
"Sag jetzt."
"Ich will dich meiner Familie vorstellen."
"Was? Nein, fahr zurück. Ich seh schlimm aus!", sprach ich aufgebracht.
"Die kennen dich sowieso-
"Trotzdem. Wir haben uns schon lange nicht gesehen."
"Die werden nichts sagen. Ich bin sowieso bei dir."
Mit gemischten Gefühlen lehnte ich mich nach hinten. War das nicht zu früh und plötzlich? Vorallem, weil ich die Sache mit Bahar nicht vergessen kann und ihm langsam vergebe. Wir sind doch gerade mitten in der Versöhnung?
Es dauerte nicht lang, schon kamen wir an. Rasch wurden meine Bauchschmerzen schlimmer. Mein Magen zog sich zusammen. Ich hatte Angst, denn sie wussten, dass ich in einer Psychiatrie war und ich wusste auch, wie sie von mir denken würden. Immerhin wussten sie von allem Bescheid.
Vor der Haustür zog ich ihn zurück, bevor er klingelte.
"Können wir nicht ein anderes Mal?", fragte ich nervös.
Mit seiner Hand umschloss er meine Hand und verschränkte unsere Finger miteinander.
"Ich werde neben dir sein. So schlimm wird das nicht", ermutigte er mich und klingelte.
Leicht drückte ich seine Hand und versuchte meine Atemzüge ruhiger zu stellen.
Erdems Mutter öffnete die Tür und machte große Augen.
"Du bist aber erwachsen geworden", lächelte sie und nahm mich in den Arm.
Herzlich begrüßte sie mich und ich trat herein. Erdem folgte uns ins Wohnzimmer. Dort saß sein Vater und auf dem Essenstisch in der Ecke lagen zahlreiche Essensarten. Anscheinend hatte Erdem Bescheid gegeben, doch wieso reagierten beide Elternteile so..beruhigt?
Auch Erdems Vater begrüßte mich und bat mich, mich hinzusetzen.
"Wie gehts dir?", fragte er höflich.
"Gut und Ihnen?", fragte ich zurück und spürte Erdems Hand an meiner.
"Gut. Ihr seid also zusammen?", fragte er und lehnte sich zurück.
"Ja", stotterte ich verpeilt und sah zu Boden.
"Erdem hat es mir echt spät gesagt, dass zwischen euch was läuft. Ich kenne dich und weiß, dass du eine gute Erziehung genossen hast. Du bist eine vorbildhafte Tochter", lobte er mich.
"Ich schlage vor wir essen erstmal", unterbrach mich Erdem und stupste mich an. Die Mutter brachte uns das Essen, was ziemlich köstlich aussah.
"Wo ist Aylin?", fragte ich die Mutter.
"Mit Serhat Schlittschuhfahren."
Kurz lachte ich auf.
"Typisch Aylin."
Kurze Stille entstand.
"Was möchtest du beruflich machen?", fragte mich wie aus heiterem Himmel sein Vater.
Ich könnte schwören, dass ich mich beinahe am Reis verschluckt hätte. Was sollte ich jetzt sagen? Dass ich keinen vernünftigen Abschluss geschafft habe und auch keine wunderbare Zukunft sehe? Dass ich nicht einmal die Chance haben werde, etwas zu werden?
Auch Erdem schien durchzublicken, als er meine Blicke erkannte.
"Ich bin mir noch nicht genau sicher."
Erdem legte seine Hand auf meinem Oberschenkel und ich platzierte meine über seine.
Die Mutter war mit dieser Antwort nicht einverstanden, doch trotzdem hakte sie nicht nach.
Beim Essen unterhielten wir uns in einer lockeren Stimmung. Um ehrlich zu sein hatte ich beide kaum noch in Erinnerung gehabt und war glücklich sie wieder zu sehen. Wir stießen oftmals wieder auf das Thema Bildung, wie wichtig es doch sei, doch ich ließ mir nichts anmerken.
"Erdem war schon als Kleinkind so stur", lachte sein Vater.
Gerade waren wir dabei uns Bilder von ihm anzuschauen, als er noch ein braver Knabe war. Er war schon als kleiner Junge so süß gewesen, heute scheint er autoritär und selbstbewusster zu wirken. Auch sein Körper hatte sich drastisch in den Jahren verändert. Er war recht pummelig, doch im Alter von bereits dreizehn Jahren hatte er sich dies zu Herzen genommen und an seinem Körper gearbeitet, mit Erfolg.
"Aylin war damals eher die Ruhige, heute redet sie ununterbrochen", gab die Mutter als Kommentar.
Der Tag neigte sich zum Abend, weswegen wir langsam zum Ende kamen und ich mir die Jacke anzog. Erdems liebevolle Mutter gab mir noch Schokolade und eine dicke Umarmung.
Von beiden verabschiedeten wir uns und verließen die Wohnung. Vor uns stand eine wutgebrannte Aylin, die vorallem mich wütend anblickte.
Ohne uns zu begrüßen verschwand sie.
"Was ist los mit ihr?", fragte mich Erdem.
Schulternzuckend sah ich hoch zu ihm.
"Sollen wir nach ihr schauen?"
"Nein, ich stelle sie später zur Rede", meinte nur Erdem und lenkte vom Thema.
"Weißt du noch, wo wir geblitzt wurden?"
Langsam nickte ich.
"Du bist halb auf dem Bild drauf", grinste er.
"Jetzt echt?", fragte ich strahlend.
Ich konnte mich noch genau an dem Tag erinnern.
"Liegt bei mir Zuhause, schicke dir nachher ein Bild davon."
"Moment Mal, du lenskst vom Thema!", zickte ich darauf.
"Wie fandet du es?", fragte er bezogen auf das Treffen mit seinen Eltern.
"Ich fand es schön", schmunzelte ich leicht.
"Die mögen dich", sprach er.
Schüchtern lächelte ich.
"Darf ich jetzt endlich gehen?", fragte ich mit heißen Wangen, als er nichts mehr sagte und mich ununterbrochen in Augenschein nahm.
"Özlem?"
"Ja?"
Sanft küsste er mit seinen weichen und vollen Lippen meine, weshalb ein Feuerwerk ausbrach und ich seine feuchten Lippen erwiederte.
"Ja kannst du", grinste er und schloss die Türen des Autos auf.
Die kalte Luft beruhigte mich und mein Herz. Peinlich berührt lief ich rein und empfang jeden im Wohnzimmer.
"Wo warst du?", fragte Mazlum Abi.
"Bei Erdems Eltern."
"Wieso?", fragte nun meine Mutter.
"Er hat mich seinen Eltern vorgestellt.
Während mein Vater schwach lächelte, sah meine Mutter nur ignorant weg und mein Bruder ein wenig neutral.
"Du konntest uns ruhig Bescheid geben", kam von meiner Mutter.
"Es war spontan."
"Wie war es?", fragte mein Vater und bat mich, mich neben ihn zu setzen.
"Gut, das Essen war lecker", grinste ich verschmitzt.
"Aber Kizim, was ist, wenn er dich wieder verletzt?"
Lächelnd legte ich meine Hände auf seine und sah ihm in die Augen.
"Wird er nicht. Er ist auch nicht so ein Mensch."
"Nein das meine ich doch garnicht. Er ist ein vorbildhafter Sohn, nur habe ich ein mulmiges Gefühl."
"Das ist sicherlich dein Hunger, den du stillen solltest", lachte ich und mein Bruder ebenfalls.
"Möchtest du nichts essen?"
"Ich hab eben schon gegessen und bin voll. Gute Nacht euch", murmelte ich und ging auf mein Zimmer.
Am nächsten Tag stand ich recht spät auf, doch hatte friedlich ausgeschlafen. Nach einer Dusche zog ich mir etwas wärmere Kleidung an und sah meine Familie in der Küche am Tisch sitzen.
"Morgen", lächelte ich jeden an.
Nach einem Brötchen trank ich den Kakao zu Ende und half meiner Mutter beim Aufräumen.
"Wohin?", fragte ich meinen Vater und Mazlum, die dabei waren, ihre Jacken anzuziehen.
"Ihr habt doch frei", grinste ich, doch war innig etwas verwirrt.
"Zum Arzt."
"Baba geht Blut abgeben."
"Warum?", fragte ich verwirrt.
"Nur so zur Kontrolle", gab mir Mazlum einen dicken Kuss auf die Stirn und ging.
Ich beließ es darauf und sah, dass mich Erdem abholen würde.
"Ich gehe später mit Erdem raus, okay?", fragte  ich.
"Ich mag ihn nicht und das solltest du wissen."
"Würde es mich interessieren würde ich mich von ihm trennen", gab ich ebenfalls kühl zurück und schrieb ihm, um welche Uhrzeit er erscheinen solle.
Schnell band ich mir meine Uhr um, sprühte drei Spritzer Parfüm um meinen Oberkörper und verschwand. Wieder einmal war ich zehn Minuten spät dran, doch ihm machte es anscheinend nicht aus, denn er konnte in Ruhe rauchen. Es erinnerte mich an gestern.
"Wieder zu spät. Unpünktlichkeit ist also deine Stärke hm?", lachte er und pustete den Rauch mit Absicht in mein Gesicht.
Wütend zog ich meine Augenbrauen zusammen und zertrat seine Zigarette, die ich ihm unerwartet wegnahm.
"Nach Zigaretten stinken ist also deine Stärke hm?", lachte ich und schnallte mich an.
Wieder diese Duftwolke seines traumhaften Geruches, die meine Sinne betäubte.
"Wohin fahren wir?", fragte ich neugierig.
"Schick Essen. Ich hab meinen Gehalt bekommen", grinste er über beide Ohren.
"Du tust so als wärst du arm gewesen", verdrehte ich meine Augen.
"War ich irgendwie auch", schmollte er und gab Gas.
"Meine Eltern haben nachgedacht."
"Was haben sie gesagt?", fragte ich ein wenig nervös.
"Du gefällst ihnen. Meine Mutter hat angefangen zu schwärmen, wie hübsch ihre Schwiegertochter doch ist", grinste er.
"Sie haben meine Vergangenheit nicht angesprochen?"
"Doch, aber sie meinen, dass wir das gemeinsam schon auf die Reihe bekommen. Es kann jeden Mal treffen, von daher haben sie sich darüber keine Sorgen gemacht."
"Und meine Bildung?"
"Man kann nicht immer die perfekte Schwiegertochter bekommen. Du wirst sowieso nicht arbeiten, weil ich viel verdiene, also wozu?", lächelte er und nahm meine Hand.
Innerlich schaltete mein Herz ab und meine Gesichtszüge entgleisten. Zum ersten Mal hatte er mich nach Jahren wieder mit Mitleid angeschaut. War es ihm also so wichtig?
"Ich will aber", protestierte ich.
"Du bist 18 und willst dein Abitur neu starten?"
"Alter spielt keine Rolle Erdem. Es gibt Menschen, die über vierzig sind und eine Berufschule besuchen."
"Von einer Berufschule ist doch garnicht die Rede", wurde er wütend.
"Ich hab doch in den Augen deiner Eltern gesehen, dass es ihnen wichtig ist, dass die Schwiegertochter selbst auf Beinen stehen soll und in Geschäften einsteigen soll. Bildung steht an erster Stelle."
"Du willst also wegen meinen Eltern-
"Sie halten mich für dumm Erdem", brannten plötzlich meine Augen.
"Ich hab einen Hauptabschluss. Ich bin nicht gebildet, ich bin nicht intelligent", entwich mir eine Träne.
"Halten sie nicht", hauchte er und küsste trotz Fahrens meine Wange.
"Melegim nicht weinen. Für mich spielt es keine Rolle, weil ich dich intelligent finde. Du bist schlau. Du hattest genug Gründe, um dein Abitur nicht zu machen. Du warst nicht in der Lage, es ging dir nicht gut."
Sanft küsste er meine Hand und strich über meinen Handrücken.
Da wir uns einen schönen Tag machen wollten, riss ich mich zusammen und lenkte vom Thema.
Angekommen parkte er wie ein Profi und daraufhin folgte unser Eintreten ins schicke Restaurant, was in Rottönen eingerichtet war.
Ein rotes Tuch mit zwei Kerzen lag auf unserem Tisch, dazu Gläser und Servietten. Alles glasklar sauber, wie geleckt.
Rund herum saßen Menschen in der Stufe des damaligen Adels mit ihren schicken Kleidern.
In mir plagten Schuldgefühle, das er soviel für uns ausgibt, dabei hätte Mc Donalds gereicht.
Kurz entwich mir bei diesem Gedanken ein Lächeln.
Der Kellner kam und nahm unsere Bestellungen auf. Wir hatten eine Menge bestellt, da wir riesen Hunger hatten.
Der erste Gang folgte. Ein Kartoffelgericht  mit allem drum und drand. Daraufhin Spaghetti mit Bolognese. Zuletzt eine große Schüssel Salat.
"Irgendwie passt das zu dritt gar nicht zusammen", kratzte er sich am Nacken, weshalb ich in Gelächter verfiel und stumm lachte.
"Hat trotzdem geschmeckt", entnahm ich ihm die Sorge.
Das Dessert war ein geschmücktes Schokoladeneis, was ich nur bis zur Hälfte aß, da ich soviel garnicht vertrug. Erdem hingegen bekam den Rest meines Eises und zeigte kein Anzeichen fürs satt sein.
Später bezahlte er und führte mich mit seiner Hand heraus. Danach fuhren wir zum Main und suchten als aller erst einen Parkplatz.
Wenig später spazierten wir Hand in Hand den Main entlang und redeten viel dabei. Diese Atmosphäre, dieser Tag, den würde ich niemals vergessen, denn er war so süß wie nie.
Der Wind wehte, der Tag verdunkelte sich, auf das Wetter bezogen. Dunkle graue Wolken schmückten den Himmel, sodass nicht nur die hohen Türme grau aussahen, sondern ganz Frankfurt.
Trotz, dass ich vernünftig Nahrung und Wasser zu mir genommen hatte, spürte ich, wie mein Blutdruck langsam anfing über mich zu herrschen, doch ihm sagen tat ich nicht, da ich die wunderschöne Stimmung versauen würde.
Seine Jacke übergab er mir, da es allmählich kühler wurde.
Plötzlich sah ich von Weitem Aylin und stellte fest, dass man ihren leichten Bauch sehen konnte. Wie lang sie es wohl noch vor ihren Eltern verstecken wollte, wusste ich nicht, doch heute sah es einfach nur auffällig aus. Erdem lenkte ich ab, da er es mitbekommen würde und versuchte sie mit meinen Blicken zu kontaktieren. Neben ihr war Serhat, der ihre Hand hielt und sie gemeinsam lachten.
Zwar wurde ihr Hochzeitstag festgelegt, doch bis dahin wäre ihr Kind umso mehr gewachsen. Das nächste Problem war, welches Brautkleid sie nehmen würde, immerhin hatte sie einen ganz leicht gewölbten Bäuchlein.
"Lass uns gehen. Es ist kalt geworden Erdem", schüttelte ich leicht seinen Oberarm.
"Du bist blass", strich er über meine Wange und sah hinunter zu meinen Lippen, an denen ich wie eine Verrückte kaute.
"Wieso willst du gehen?", hauchte er gegen meine Lippen, was mich schwach machte und ich nervöser denn je wurde.
"Es ist kalt wie schon gesagt", versuchte ich meine Nervösität zu überspielen.
Plötzlich folgte er meinen Blicken und bemerkte Aylin, die seitlich stand und zum Main blickte.
"Was wollen die hier?", seufzte er.
"Wieso so genervt?", fragte ich ihn und drehte seinen Kopf zu mir.
"Weil ich dich grad küssen wollte, aber die beiden reinscheißen."
Kurz kichterte ich und schlug gegen seine Brust.
"Sie ist deine Schwester", lächelte ich und strich mit meinem kleinen Daumen über seine Wange.
Wie ein Mandala zeichnete ich seinen Bart nach und grinste.
"Okay wir gehen. Spring", deutete er auf seinem Rücken.
Unüberlegt sprang ich auf seinen Rücken und hielt mich mit beiden Armen an seinen Nacken fest, während er meine meine Beine über seine Hüfte klemmte und diese dann festhielt.
"Du Feder", meckerte er.
"Lustig", flüsterte ich seinem Ohr hinein, weswegen er zuckte.
Jeder Mensch war am Ohr kitzelig, wenn man darein flüstert.
"Hör auf", versuchte er streng zu klingen, doch ich wusste, dass er vor sich hin grinste.
Wie ein Kind flüsterte ich Sachen in sein Ohr und lachte laut.
Es sah verdammt süß aus, wie er versuchte seine Gänsehaut zu kontrollieren.
Bis zum Auto trug er mich Huckepack und ließ mich auf den Sitz nieder.
Nachdem er sich angeschnallt hatte, fuhr er los und stellte nebenbei den Rückspiegel richtig ein.
"Danke für den Tag", lächelte ich und lehnte mich an den Sitz.
"Kein Ding für den King", schmunzelte er und küsste meinen Handrücken.
"Fährst du mich nach Hause?"
"Lass bisschen bei mir bleiben. Irgendwie keine Lust ohne dich", schleimte er absichtlich, doch ich wiederum grinste nur.
"Weißt du wieso ich so stolz ich bin?", fragte er mich.
"Weil du lächelst. Weißt du noch früher? Du hast dich nicht einmal getraut, weil du es einfach verlernt hast. Das war krass."
"Ich hatte damals keinen Grund", sah ich nachdenklich nach vorn.
Es war eine krasse Zeit. Obwohl ich so lange dort war, wurde ich nicht gesund. Es ist unmöglich dort gesund zu werden, es ist reiner Zwang, den ich mit mir gehen lassen hab und nichts dagegen unternahm. Immernoch bin ich sehr charakterschwach und sensibel, doch auch dies würde ich auf die Reihe bekommen.
Zuhause bei ihm angekommen ließ ich mich erschöpft auf seinen Sofa fallen und schloss meine Augen.
Ich beschloss mich umzuziehen, eine Jogginghose hatte ich hier gelassen, das Shirt nahm ich mir von Erdem und zog es mir im Bad an. Meine Haare band ich mir zu einem hohen ordentlichen Zopf und sah, dass er sich ebenfalls eine Jogginghose mit einem Trikot angezogen hatte.
"Ich muss dir was zeigen", grinste er über beide Ohren und legte seine Hände auf meinen Augen. Blind ließ ich mich von ihm führen.
"Öffne die Tür."
Neugierig öffnete ich die Tür und sah einen Raum voller Fitnessgeräten.
"Nicht schlecht", lobte ich ihn.
Ein Boxsack, ein Laufband, eine Kraftstation und diese Stange mit den Gewichten an den Seiten.
"Du bist doch schon breit. Zu breit ist hässlich", kommentierte ich.
"Nein das ist grad mal das Anfang."
"Der Anfang Erdem", fing ich laut an zu lachen und hielt mich an ihm fest, um nicht gleich vor Lachen zu Boden zu fallen.
"Komm ich teste dich."
"Fang mit dieser Stange an."
"Hanteln Özlem", äffte er mir nach und fing an zu lachen.
"Finde den Witz", streckte ich frech meine Zunge aus.
Er legte sich unter den Hanteln und forderte mich auf, mich auf seine Beine zu setzen, was ich mit leicht erröteten Wangen tat und quasi auf seinen Schoß saß und er die schweren Hanteln problemlos hoch hob.
"Zehn Mal hintereinander hoch und runter", sprach ich wie ein Trainer.
"Zehn Liegestütze. Plus mein Gewicht auf deinen Rücken."
Kichernd setzte ich mich auf seinen Rücken und klammerte mich an ihn wie ein Affe. Er schaffte es, doch war fix und fertig.
Nachdem er sich ein wenig am Boxsack beschäftigte, beobachtete ich ihn.
Er hatte schlagkräftige Arme und gute Taktiken zum Boxen. Er war ein Profi darin. Ungewollt musste ich daran denken, wie er Kaan genau so verprügelt hat. Schnell und aggressiv, pausenlos.
Nach einer knappen halben Stunde ging er duschen, während ich mir einen Tee zubereitete. Danach legte wir uns auf dem Sofa. Ich setzte mich zwischen seinen Beinen, während er meinen Zopf öffnete und mir durch die Haare strich. Der Fernseher lief, eine Doku über einen ungeklärten Mord. Die Doku erweckte die Neugier in mir also sah ich gespannt die nachgestellten Szenen, wie der Mord wahrscheinlich ausgegangen ist, da man den Täter bis heute nicht gefasst hat.
"Er ist bestimmt tot", kommentierte ich zu Erdem.
"Oder er lebt bei dir in der Nähe."
"Ich bin sowieso nie draußen", versuchte ich mich nicht einschüchtern zu lassen und lehnte mich an seine Brust.
Seinen Kinn stützte er an meinen Kopf und machte weiterhin kreisige Bewegen in meinen Haaren, was auf Dauer Gänsehaut an mir verbreitete.
"Özlem ich hab mir etwas überlegt. Es kommt schnell, zu schnell, aber so kann es nicht weitergehen."
"Was denn?"
"Ich brauche eine Putzfrau", grinste er hinter meinem Rücken.
Blitzschnell drehte ich mich um und verschränkte meine Arme vor die Brust.
"Wenn, dann soll es ein Putzmann sein."
"Nein eine Putzfrau."
"Willst du meine Putzfrau sein?", fragte er und legte sich über seine Lippen.
"Nein?", zog ich belustigt meine Augenbrauen zusammen.
Sanft küsste er meine Schläfe und zog mich näher zu sich.
"Werd meine Frau", hauchte er und streifte mit seinen Lippen gegen meinen Lippen.

ÖzlemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt