Kapitel 42

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Als ich aufstand, rieb ich mir den Kopf, da ich mich heute krank fühlte und mein Kopf brummte. Ich hörte Geräusche und ging zügig in die Küche, wo ich Tarik empfang.
"Morgen", lächelte er, was ich schwach erwiederte, doch ich blitzschnell wieder ernst zu ihm sah, als mir auffiehl, dass Erdem immernoch nicht da war.
"Sagst du mir jetzt, wo er ist?"
Seufzend atmete er aus und dachte kurz nach.
"Yenge mach dich erstmal frisch, dann reden wir in Ruhe."
Nickend machte ich mich im Bad fertig, kleidete mich mit einer blauen Boyfriendhose, einem Shirt und einem beigen Cardigan. Dann krempelte ich die Hose etwas hoch und ging schnell zurück in die Küche. Ich hatte mir extra kaum Zeit gelassen, ich war einfach neugierig, wieso er immernoch nicht aufgetaucht war.
"Lass erst frühstücken-
"Nein!", flehte ich ihn an.
"Doch, weil ich weiß, dass du danach nichts mehr essen wirst."
Kurz gab ich ihm einen Killerblick und setzte mich hin. Stumm aßen wir Brötchen und tranken dazu warmen Kakao. Fertig gegessen und aufgeräumt kreuzte ich meine Arme über meine Brust und blickte erwartend zu ihm.
"Erdem ist seit gestern in Untersuchungshaft", äußerte er sich so urplötzlich, dass ich meine Augen aufriss und diesen Satz unmöglich verdauen konnte.
"Untersuchungshaft? Wieso?!", fragte ich aufdringlich.
"Er hat diesen Kaan verprügelt. Der wollte dich nämlich mit deinem Bruder abholen und dann haben die von der Psychiatrie Erdem angerufen, weil die beiden die Frau nicht in Ruhe gelassen haben. Anscheinend wollte es die Frau nicht sagen und dann ist halt Erdem gekommen, aber die Polizei wurde gerufen."
"Kommt er jetzt ins Gefängnis?", fragte ich mit glänzenden Augen, die kurz davor waren, Wasser zu verlieren.
"Weiß ich nicht genau, aber er wird sich schon rausreden", flüsterte er und strich über meinen Rücken.
"Willst du ihn besuchen?"
Ob ich sollte? Ja, ich wollte alles detaillierter von ihm hören.
Kurz nickte ich zu Tarik und schon machten wir uns fertig und fuhren los.
"Hat es Kaan eigentlich viel erwischt?"
"Ja, aber Erdem sollte nicht sofort zuschlagen. Ich kenne ihn, er tickt bei Kleinigkeiten sofort aus."
"Moment mal, musst du nicht erst zur Staatsanwaltschaft und eine Besuchererlaubnis beantragen?"
"Hab ich alles sofort heute morgen geklärt. Termin hab ich auch. Zwar erst in einer halben Stunde, aber die lassen dich früher rein."
Angekommen blieb Tarik im Auto und ich stieg aus. Erst musste ich alle meine Sachen wie Handy abgeben und wurde zunächst kontrolliert. Erst danach führten sie mich zu Erdem und öffneten die Tür. Es war nichts weiteres als ein Tisch und Licht in diesem Zimmer. Sofort sah er hinauf zu mir und stand auf.
"Özlem", hauchte er leise und kam in langsamen Schritten zu mir. Der Polizist schloss die Tür hinter sich, nachdem er ging.
Ruckartig fiel ich ihm um den Hals und stellte mich auf Zehenspitzen. Meine Tränen nahmen ihren Lauf und strömten meine Wangen herunter.
"Es tut mir so Leid", flüsterte er in meine Schulter und drückte mich an sich.
Entsetzt löste ich mich von ihm.
"Musstest du ihn schlagen? Kannst du nichts auch mal ohne Schläge klären?", fragte ich laut und wusch mir meine Tränen weg.
"Tut mir Leid Prinzessin."
"Nein, schau was dir diese Prügelei gebracht hat. Du wirst sowieso mit einer Freiheitsstrafe rechnen müssen!"
"Auf Bewährung Schatz."
"Ich versteh nicht, wie man nach so einer Aktion grinsen kann."
"Wieso bist du mir wütend?", flüsterte er und drückte mich wieder an sich.
"Lass mich verdammt. Weißt du wie Angst ich um dich hatte? Niemand hat mir gesagt, wo du steckst!"
"Bei dir kenn ich einfach keine Grenzen. Er hat mich provoziert-
"Dann geh auf seine Provokation nicht ein!"
"Okay Mutter Theresa."
Wütend schnaubte ich nach Luft und kreuzte meine Arme vor die Brust. Er benahm sich wie vier.
"Tut mir Leid Engel", hauchte er und legte beide Arme um meinen zierlichen Körper.
"Was ist, wenn du ins Gefängnis musst?", flüsterte ich angsterfüllt.
"Nein nein, versprochen ich komme nicht. Du musst irgendwie ohne mich noch auskommen. Aber ich glaub ich schaff das in paar Tagen zu klären."
"Ich hab so Angst", weinte ich in seine Brust.
Was ist, wenn er ins Gefängnis muss? Ich könnte es ohne ihn nicht schaffen und er hat es nicht verdient jahrelang weggesperrt zu sein.
Seine Umarmung verschaffte mir um einiges mehr an Mut und Stärke.
Er entschuldigte sich unzählige Male und versuchte meine Wangen zu küssen, doch ich ließ es nicht zu, damit er weiß, dass ich immernoch auf ihn sauer bin. Ich war auch sauer. Er hatte sich wie ein Idiot selbst eine Falle gestellt und nahm alles so locker, als es eigentlich garnicht ist.
"Pass auf dich auf und verlass die Wohnung nicht. Essen kannst du dir von der Küche selbst machen, ansonsten kauft dir Tarik einfach was. Es liegt außerdem noch Geld in meinem Zimmer in der Schublade links neben meinem Bett. Tarik wird paarmal nach dir schauen und wenn du Albträume hast, ruf ihn an. Sag Aylin nichts davon. Zwar wollte sie gestern kommen, aber Azad hat sie aufgehalten, damit sie nicht kommt. Falls sie kommt einfach eine Ausrede ausdenken und immer durchs Loch gucken, bevor du jemandem die Tür öffnest."
Das schwerste war die Trennung, als ich gehen musste. Ich konnte ihn nicht loslassen und ihn allein lassen.
Ich nickte unter Tränen, umarmte ihn kurz und ging, nachdem ich mir einen dicken Kuss auf die Stirn verdiente. Es fiel mir verdammt schwer und ich hatte schreckliche Panik, dass er ins Gefängnis kommen könnte. Tarik fuhr mich nach Hause und fragte, ob er bleiben solle, doch ich verneinte nur und schätzte, dass ich alles schon in den Griff bekommen würde.
Den Rest der Zeit verbrachte ich damit mich zusammen zu reißen. Um mich abzulenken entschied ich mich für eine erholsame Dusche. Nach knapp zwei Stunden legte ich mich schlafen, doch plötzlich klingelte es an der Tür. Es war Tarik, den ich nur erwartungsvoll ansah.
"Ich schlafe hier, weil mich Erdem sonst umbringen würde, wenn dir was zustößt", sagte er unsicher.
Ich lächelte ihn nur an und bat ihn herein.
"Hast du Hunger?", fragte ich ihn, was er verneinte.
Er fragte mich ebenfallsch, doch ich schüttelte meinen Kopf und wir setzten uns ins Wohnzimmer.
"Yenge?"
"Nenn mich einfach Özlem."
"Ja oder so, ich wechsel mich einfach immer ab. Was ich fragen wollte war."
Er brach selbst mitten im Satz ab und sah nachdenklich zur Decke.
"Scheiße ich habs vergessen."
Leise kicherte ich, weil er so ernst blieb.
"Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?", fragte er plötzlich und ich schluckte. Die Frage kam wie aus heiterem Himmel.
"Wusstest du denn, dass ich in der Psychiatrie war?", fragte ich ihn und würde ihm einfach die Wahrheit erzählen, denn im Endeffekt würde er sowieso erfahren, wie wir uns kennengelernt haben also wozu lügen?
"Eigentlich nicht. Erdem meinte nur, dass wir dich nicht sowas fragen sollen. Wenn du willst, musst du mir das nicht sagen."
Er kam garnicht klar. Es erinnerte mich an Erdem, als er mich zum ersten Mal besucht hatte. Er war genau wie Tarik, überfordert, nervös und plötzlich ruhig.
"Aylin ist meine beste Freundin und sie musste ihn mal mitbringen. So hat sich das alles dann im Laufe der Zeit entwickelt."
"Vorher kanntet ihr euch also garnicht?"
Ich schüttelte meinen Kopf und lächelte leicht.
"Achso und erst vor kurzem bist du also rausgekommen?"
Kurz nickte ich und sah zu Boden.
"Meine Cousine war mal in einer Psychiatrie, obwohl sie meiner Meinung nach garnicht so aufgefallen ist. Wir haben nie verstanden, was sie hat, aber zum Glück ist alles wieder gut. Sie ist zu Hause."
"Hier in Frankfurt?"
"Nein, das war in Hamburg", lächelte er und ich nickte wissend.
"Ich hätte das von Erdem nicht gedacht. Ich hab eher damit gerechnet, dass er seine zukünftige Freundin auf einer Party treffen würde", lachte er.
"Er ist immerhin nicht der Vernünftigste", fügte er hinzu und grinste.
Innerlich fragte ich mich echt, was er mit nicht vernünftig andeuten will.
Weil wir beide aufeinmal gähnten, beschlossen wir schlafen zu gehen. Zu guter Letzt gab ich ihm eine Decke und Kissen, schon legte ich mich in mein Bett und schloss meine Augen.
[...]
Es war eine Woche vergangen und ich durfte Erdem jeden zweiten Tag sehen. Er verriet mir nichts, was jetzt aus ihn wird und genau das war der Punkt, andem ich die Hoffnung aufgab, dass er überhaupt noch aus der Untersuchungshaft raus kann. Wir hatten eine kleine Auseinandersetzung, weshalb ich aufgehört hatte, ihn zu besuchen.
Tarik schlief seit drei Tagen nicht mehr hier, weil ich seine Hilfe nicht mehr brauchte. Aylin kam mich besuchen, doch sie wusste nicht, dass Erdem festgenommen wurde. Ich hatte andererseits schon Schuldgefühle, als mich Aylin fragte, wo ihr großer Bruder sei. Ihr großer Bruder hatte sich wegen mir gekloppt und steckte tief in der Scheiße. Mit Aylin hatte ich zwei Tage was unternommen. Es war gerade erst 17 Uhr, jedoch war es draußen schon dunkel, weswegen ich nichts mehr unternehmen konnte. Um mich nicht allein zu fühlen, rief ich Aylin an und überredete sie bei mir zu übernachten. Erdem ist angeblich bei Tarik, so meine Notlüge.
Erdems Sicht:
Wer hätte gedacht, dass ich nach vier Wochen mich dem Richter stellen konnte und aussagen durfte? Mein Anwalt hatte mich aus der Scheiße geholt und ich kam mit einer Geldstrafe davon, da Kaan keine Folgen meiner Schläge trug und ich vorher noch nie negativ bei der Polizei aufgefallen bin. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass ich noch Monate hier fest sitzen müsste, doch anscheinend konnte die Staatsanwaltschaft und die Polizei der Sache schneller auf der Spur gehen. Meine Freunde Azad und Tarik hatten als Zeugen ausgesagt, was dem Anwalt die Sache erleichtert hatte und die Sache schneller geklärt wurde. Die ganze Zeit musste ich an meinen Engel denken, der wohl wütend auf mich ist, da sie mich schon lange nicht mehr besucht hat. Ich war mit meinen Worten hart zu ihr gewesen. Ich hätte nicht so direkt mit ihr umgehen soll, doch gleich würde ich sofort zu ihr fahren und mich entschuldigen. Ein Wunder, das meine Familie nichts mitbekommen hat, doch Özlem hat dieses Thema sicherlich unter Kontrolle bekommen, weswegen ich ihr noch mehr dankbar bin. Jeden Tag betete ich, dass ihr nichts zustößt, da sie gerade neu aus der Psychiatrie raus ist und man bei ihr nie ansehen kann, wie es ihr geht, weil sie so neutral wirkt. In diesen unzählig langen Wochen hätte sie sich alles antun können, doch Tarik hielt mich auf dem Laufenden. Nachdem ich all meine Sachen zurück bekam, holte mich Tarik ab und fuhr zu mir nach Hause, nachdem wir kurz noch in die Döeneria gingen.
"Du musst es irgendwie gerade biegen", schlug er mir auf die Schulter.
"Sie liebt Döner. Sie wird kreischen vor Freude, wenn ich ihr diesen Döner in die Hand drücke", lachte ich, doch innerlich tat sie mir Leid. Ich hatte ihr den ganzen Monat verdorben, den sie eigentlich sicherlich draußen verbringen wollte, aber ich Arschloch meine Zeit bei der Polizei vergeuden musste und sie somit in Stich ließ.
Natürlich würde ich ihr zur Entschuldigung nicht nur einen Döner, sondern einen Rosenstrauß dazu schenken. So stur wie sie war, wird sie mich ignorieren. Bestimmt.
"Viel Glück", sprach Tarik und ließ mich raus.
Nervös klingelte ich, doch hörte nichts. Niemand hatte ihr gesagt, dass heute meine Entlassung ist. Erst jetzt wurde mir klar, wie sehnsüchtig man auf eine Entlassung wartet. Özlem musste jahrenlang auf ihre Entlassung warten.
Seufzend suchte ich den Schlüssel unter die Fußmatte und grinste. Schnell schloss ich leise die Tür auf und betrat meine Wohnung, die nach Özlems komischem Erdbeergeruch roch.
Alles war fleckenlos sauer geordnet. Sie schlief sicherlich. Leise betrat ich mein Zimmer, da ich Geräusche hörte und sah geschockt zu meinem Bett. Gekauert lag sie angespannt in meinem Bett und verzog ihr Gesicht zum ängstlichen. Ihr Mund war mit der Decke bedeckt, doch ich ahnte, dass sie schlecht träumte. Schwach zog sie ihre Augenbrauen zusammen und bewegte sich jede Minute, als würde ihr der Traum realistisch vorkommen. Meine Beine führten mich automatisch zu ihr und ich setzte mich an die Bettkante. Der Engel vor mir wirkte plötzlich so hilflos, dass es meine Seele traf und ich Schuldgefühle bekam, sie allein gelassen zu haben.
Meine kalte Hand legte ich auf ihre warme Wange und sprach ihren Namen, doch es kam nichts. Nachdem ich an ihr rüttelte schlug sie ihre Augen auf und sah entgeistert zu mir. Meine plötzliche Anwesenheit hatte ihr einen Schrecken eingejagt, denn sie entzog sich meiner Hand und setzte sich aufrecht hin.
"Erdem", flüsterte sie zerbrechlich und verlor eine Träne.
Mit meinen Armen zog ich sie auf meinen Schoß und schon hörte ich sie schluchzen.
Nach einem Albtraum hatte sie so verdammte Angst, dass es selbst mich mit hinein riss. Was träumte sie dauernd, dass alles so krass war? Waren es ihre Familie und Kaan in den Träumen?
Mit meinen Fingern strich ich ihre Strähnen aus ihrem Gesicht, da alles regelrecht an ihr klebte. Sie ist schweißgebadet aufgestanden kein Wunder.
"Alles gut", flüsterte ich und küsste ihre so weiche Wange. Ich hatte sie vermisst.
Sie schien echt bedrückt von dem Traum gewesen zu sein. Diese Angstzustände brachten mich um. Wie kann man nur so leiden?
Dauernd flüsterte ich ihr etwas beruhigendes zu, was sie tatsächlich innerlich auskühlte, doch ihre feuchten Augen immernoch geschlossen waren.
"Wie bist du hierhin gekommen?", piepste sie fragend.
"Ich wurde heute entlassen", antwortete ich ruhig.
"Tut mir Leid, das ich dich beim letzten Besuch so dumm angemacht hab, obwohl du nur wissen wolltest, wann ich hier raus bin", entschuldigte ich mich und hob die Rosen vom Boden, nachdem sie von meinem Schoß herunterkletterte.
Lächelnd überreichte ich ihr diese und sah ihre Augen funkeln. Sie lächelte als Dank und ich wusch ihr nebenbei ihre letzten Tränen weg.
"Wieso schläfst du auf meinem Bett?", grinste ich und bemerkte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss.
"Wie sie mich vermisst hat", lachte ich und kniff ihr fest mit den Fingern in ihre Wangen, was sie wütend machte.
"Morgen erkläre ich dir alles in Ruhe. Ich will einfach nur schlafen."
Sie nickte darauf hin nur und wollte gehen, bis ich sie aufhielt.
"Ich hab dir auf dem Weg einen Döner geholt. Iss bevor du schlafen gehst."
"Danke."
Nickend verließ sie meinen Raum, doch erneut rief ich nach ihr.
"Komm gleich nochmal hier hin, muss dir was sagen."
Natürlich musste ich ihr nichts sagen, nein, ich wollte sie einfach bei mir haben. Sie ist hübscher geworden, als sie schon ist. Je mehr sie zunimmt, desto schöner wird ihre Figur und ihr markenloses Gesicht. Nach etlichen Minuten war sie auch schon fertig und kam im Jogginghose und Hoodie zu mir.
"Was ist?"
"Komm hier hin. So kann ich es dir nicht sagen", sprach ich ernst und weckte um so mehr die Neugier in ihr.
Nachdem sie sich auf mein Bett setzte, umfasste ich ihren Bauch und drückte sie zu mir.
"Gute Nacht Özi", lächelte ich.
"Lass mich in meinem Zimmer schlafen!", zickte sie, doch lachte zwischendurch.
"Ich hab dich so vermisst man, lüften (bitte)."
"Ich wollte dir noch was sowieso sagen. Also leg dich hin."
Sie legte sich letzendlich neben mir und ich deckte sie zu. Erneut stieg mir diese Duftwolke in die Nase, die nach Erdbeeren roch und ich heimlich diesen Duft in mir inhalierte.
"Kannst du die Lampe anlassen?", fragte sie beschämt und ich ließ sie an.
"Wieso hast du so lange gebraucht?", fragte ich ruhig.
"Einen Döner kann man nicht schnell runterkriegen. Ich musste mich noch umziehen und meine Zähne putzen", sprach sie genervt.
In mir sagte etwas, dass sie sauer auf mich war.
Plötzlich setzte sie sich hin und machte sich einen lockeren Dutt.
Kurz darauf legte sie sich wieder zu mir und gähnte.
"Was hast du eigentlich so in der Zeit gemacht?"
"Deine Einkäufe erledigt, mich gelangweilt und Aylin war auch hier."
"Sie hat nichts gemerkt?"
"Nein ich musste sie anlügen."
"Wie konntest du eigentlich so schnell entlassen werden?", drehte sie sich zu mir und sah mir direkt in die Augen.
"Ich hatte einen guten Anwalt, Azad und Cemil haben auch als Zeugen ausgesagt. Wir haben die Geschichte einfach etwas verdreht. Ich weiß auch nicht, wieso alles so schnell ging."
"Ihr habt den Richter eiskalt ins Gesicht gelogen?", fragte sie geschockt.
Schief lächelte ich und nickte.
"Dein Bart ist viel länger geworden."
Mit ihren Fingern strich sie über meinen Bart und schmunzelte.
Wir waren uns so nah, dass ich sie am liebsten sofort küssen könnte, doch ich hatte das Gefühl, dass sie nicht bereit wäre.
"Du bist hübscher geworden", gab ich ehrlich von mir und sah, wie sich ihre Wangen verfärbten. Mit meinen Fingern steckte ich ihre Strähne hinters Ohr.
Als meine Blicke ihre vollen Lippen trafen, hielt ich es nicht mehr aus. Nachdem ich mich ihr näherte, legte ich mit voller Vorsicht meine Lippen auf ihre und küsste sie. Sie erwiederte unsicher meinen Kuss, was mich grinsen ließ. Ich konnte ihr Herzklopfen deutlich spüren, da ihr Oberkörper an meinem klebte. Wie süß kann man nur sein. Sekundenlang beschmeckten wir unsere Lippen, bis sie sich löste und ich lachte.
"Deine Lippen sind angeschwollen, obwohl der Kuss garnicht mal so lang war."
Beschämt lächelte sie.
"Schlaf jetzt", lenkte sie ab und sah weg.
Während ich ihren Atem an meinem Hals spürte, scrollte ich mit meinem Handy durch Facebook. Sie schlief so schnell ein. Sie war einfach eine Schlafmütze. Was ich an ihr hasste war, dass sie sich beim Schlafen immer umdreht und ich sie somit nicht mehr sehe. Nach einer knappen halben Stunde schlang ich meine Arme um sie und lehnte meine Stirn gegen ihren Rücken.
[...]
"Ich mach das schon", grinste sie zuckersüß und nahm ihre Tasche.
Gerade waren wir dabei die wichtigsten Sachen in den Kofferraum zu packen, da wir nach Köln fahren werden. Wir waren bereits in der Innenstadt frühstücken und würden gleich los fahren, da wir Özlems Cousine besuchen würden. Beide sind vor kurzem erst wieder in Kontakt gekommen.
Erst jetzt fiel mir auf, dass sich Özlem leicht geschminkt hat und sie verdammt gut aussah als sie schon war.
"Was?", fragte sie lachend und stieg in den Wagen.
"Hab dich schon lange nicht mehr geschminkt gesehen", schmunzelte ich und startete den Motor.
Sie lächelte und lehnte sich nach hinten, doch plötzlich riss sie ihre Augen auf.
"Du fährst so schlimm Erdem. Fahr langsam. Das ist eine dreißigerzone und du? Du fährst siebzig!"
"Du willst nicht wissen, wann ich meine Fahrprüfung bestanden hab."
"Wann?"
"Beim dritten Mal", lächelte ich.
"Ich sehs! Fahr langsam!", warnte sie mich erneut.
"Du fährst zu schnell."
"Themawechsel du Zicke", sagte ich laut und hielt meine Hand vor ihrem Mund
"Ich bin so müde. Ich konnte nachts nicht schlafen", murmelte sie und schloss ihre Augen.
"Wieso? Musstest du an mich denken?", fragte ich ernst und unterdrückte mein Lachen.
"Lustig", lachte sie sarkastisch.
"Ich hatte Kopfschmerzen", ergänzte sie.
"Statt mich nach einer Tablette zu fragen-
"Du warst am schnarchen. Dich konnte man nicht mehr wecken."
Provokant lächelte sie und sah nach vorn.
"Hexe", sprach ich mit zugekniffenen Augen.
"Schau auf die Straße!", warnte sie, als ich beinahe gegen ein Auto prallte.
"Wie lange bleiben wir eigentlich bei deiner Cousine?"
"Ich schätze nur eine Nacht. Wir haben ja noch vieles zu erledigen, deshalb."
"Wie heißt sie nochmal?"
"Gizem. Wir waren damals so unzertrennlich. Unsere Familien sind mit uns immer in den Urlaub gefahren."
"Fliegt ihr nicht?", fragte ich verwundert.
"Wegen mir nicht. Wir sind einmal geflogen, danach niewieder mehr. Es war die Hölle für mich."
"Ich liebe es zu fliegen."
"Was kann man daran lieben? Höhenangst, Ohrenschmerzen und Lärm?"
"Nächstes mal fliegen wir beide in den Urlaub. Mach dich gefasst", sprach ich zu ihr, was sie sofort verneinte und anfing zu diskutieren.
Anscheinend hat sie meine Worte ernst genommen, doch es wäre schon lustig sie im Flugzeug zu ärgern.
Nach weiterem rumalbern schlief sie ein, während ich konzentriert auf der Autobahn fuhr. Was heißt konzentriert? Da die Hexe neben mir schlief, schaltete ich einen Gang höher und beschleunigte mein Tempo. Nach zwei Stunden kamen wir bei ihrer Cousine an.
Davor weckte ich Özlem noch, damit sie sich fertig machen kann und nicht müde aussieht.
"Ich bin so aufgeregt, ob sie immernoch wie früher aussieht", sprach sie begeistert und sah mich mit ihren glänzenden Augen an.
"Hat sie wenigstens einen Mann, damit ich mich nicht zwischen Frauen langweilen muss?"
"Ja einen Verlobten."
"Gut", seufzte ich erleichtert.
"Lass uns die Sachen erstmal hier lassen."
Sie nahm ihre Handtasche und ging zur Haustür gefolgt von mir. Automatisch nahm ich ihre Hand und verschränkte unsere Finger mit einander.
Ein Mädchen im Alter von uns öffnete die Tür. Wahrscheinlich war es ihre Cousine Gizem, die Özlem herzlich in den Arm nahm, doch ich die Hand nicht losgelassen hatte. Sie hatte mit aller Kraft versucht, unauffällig unsere Hände zu trennen, doch um sie zu ärgern tat ich alles.
Auch mich lächelte sie zur Begrüßung an, was ich nur erwiederte und sie uns herein bat.
Im Wohnzimmer angekommem ließ Özlem abrupt meine Hand los, als sie ihre komplette Familie dort sitzen sah und ihre Gesichtszüge, ihr Lächeln, sofort entgleisten.

ÖzlemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt