14. Marias Geheimnis (2)

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Lieber Finder,

da du diesen Brief gefunden hast, nehme ich an, dass du das Geheimnis meines Tagebuchs gelüftet hast. Nun ist der nächste Schritt, alle Elementträger zu finden und zu vereinen, damit sie gegen Bernardo Falcini antreten und seine Pläne vereiteln können.

Hierbei möchte ich zunächst eines vorweg nehmen. Niemand außer dir darf erfahren, was in diesem Brief geschrieben steht. Sollte jemand davon erfahren, und auch wenn es der Geheimbund und Giacomo sind, ist mein Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Leider konnte ich es nicht selbst in die Tat umsetzen, aber ich hoffe, dass du dies für mich tun wirst. Es ist von unglaublicher Wichtigkeit, dass mein Geheimnis eines bleibt. Zumindest vorerst. Je mehr Menschen davon wissen, desto eher sind die Elementträger in Gefahr.

Es ergab sich nämlich, dass mein Enkel Leonardo vor zwanzig Jahren entführt wurde. Mit Hilfe eines guten Freundes gelang es mir, seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Die Cinquenti hatten ihn in ein Waisenheim gebracht und warteten dort auf weitere Anweisungen von Professor Falcini. In dieser Zeit ist es mir gelungen, Leonardo mit einem der anderen Babys zu vertauschen, ohne dass jemand etwas bemerkte. Und so wurde nicht er, sondern ein anderer Junge in einem Feuer getötet, das die Cinquenti nur zu diesem Zweck legten.

Ich nahm an, dass es sicherer für ihn sei, nicht in dem Wissen aufzuwachsen, dass er Leonardo Falcini ist. Da Leonardos Geschwister Alessia und Philippe Elementträger sind, ist er auch einer. Er kann uns in dem Kampf gegen das fünfte Element einen entscheidenden Vorteil verschaffen, wenn du ihn findest und ihn zu seiner Familie zurückbringst. Darum möchte ich dich bitten. Finde Leonardo, erzähle ihm von den Legenden und den Elementen und überzeuge ihn davon, dass wir ihn unbedingt brauchen. Er ist unser Trumpf, mein Ass im Ärmel. Ohne ihn können wir den Krieg gegen das fünfte Element nicht gewinnen. Ohne ihn sind die Elementträger verloren. Die Cinquenti werden sie für immer verfolgen und das fünfte Element wird zu jeder wachen Sekunde eine Gefahr darstellen. Bitte hilf mir!

M.I.V.


Kate und ich wechseln einen erstaunten Blick. Das ist es also, Marias Geheimnis. Der Grund, aus dem sie uns ihr Tagebuch vermacht hat. „Unglaublich", flüstert meine Schwester. Sie scheint genauso erschüttert zu sein wie ich. Endlich haben wir die fehlende Information gefunden, nach der wir so lange gesucht haben. Ein bisschen fühle ich mich wie damals, als ich zum ersten Mal von den Legenden von Pergula und den Elementen erfahren habe.

„Leonardo lebt", entfährt es mir. Maria ist es gelungen, ihrem Enkel das Leben zu retten. Gleichzeitig ist ein anderes Kind deswegen ums Leben gekommen. Ein eiskalter Schauer läuft mir den Rücken herunter.

„Aber ich dachte, die Cinquenti haben ihn getötet, als er noch ein Baby war", wirft Kate ein.

„Maria muss irgendwie einen Weg gefunden haben, ihn zu beschützen", gebe ich zu bedenken.

„Und wie?"

„Das steht doch dort. Sie hat die Babys vertauscht." Mehr weiß ich schließlich auch nicht. Unglaublich, welches Geheimnis Maria die ganze Zeit mit sich herumgetragen hat. Und obwohl es ihre Familie direkt betraf, hat sie es nie übers Herz gebracht, ihnen die Wahrheit zu verraten. In dem Brief, den sie an uns schrieb, bittet sie sogar explizit darum, ihrem Sohn Giacomo nicht zu verraten, dass sein Kind noch am Leben ist. Die Frage, die sich mir aufdrängt ist: warum?

„Wie alt wäre er heute?", fragt Kate.

„Ziemlich genau zweiundzwanzig", antworte ich. Vor kurzem war ich noch mit Philippe an dem Grab seines Bruders. Bei dem Gedanke, dass Leonardo noch am Leben sein könnte, wird mir mulmig zumute. Bedeutet das, dass all das Leid seiner Eltern umsonst war? All die Trauer der letzten zwanzig Jahre.

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