13. Marias Geheimnis (1)

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Nachdem es wieder dunkel ist, zähle ich in meinem Kopf langsam bis fünfzehn. Dann schiebe ich Kate zur Seite, sodass die Bücherstapel umfallen, die ich als Sichtschutz vor uns aufgebaut habe. „Hey... Nini...  au... das tut weh", jammert Kate. Doch ihre Stimme klingt zum Glück schon um einiges stabiler als noch vor wenigen Minuten.

„So ein Trottel, wir müssen hier raus!", zische ich. Ich erinnere mich noch gut an das letzte Mal, als wir plötzlich im Archiv eingesperrt waren. Damals haben uns die Cinquenti angegriffen. So etwas soll nicht erneut passieren.

„Aber Lucca hat uns doch beschützt", wirft Kate ein, „dann wird er uns auch jetzt nichts antun."

„Erstens brauchen wir ihn nicht, um uns zu beschützen und zweitens bringt uns das nicht viel, wenn wir hier drinnen gefangen sind", erwidere ich darauf nur. Insgeheim bin ich Lucca jedoch dankbar. Er hätte Emma jederzeit von uns erzählen können, aber er hat es nicht getan. Steht er tatsächlich auf unserer Seite? Und falls ja, weshalb?

In der Dunkelheit taste ich mich an der Wand entlang. Plötzlich erscheint jedoch ein helles Licht. Kate hat ihre Taschenlampe angeknipst und leuchtet damit nun das Archiv aus. Die Tür ist verschwunden. Stattdessen fällt der Lichtkegel auf eine steinerne Wand. „Und wie kommen wir hier wieder raus?", fragt sie.

„Mit deinem Element", schlussfolgere ich.

„Aber Lucca hat gesagt, die Cinquenti wissen Bescheid, wenn jemand das Element nutzt, um die Tür zu öffnen."

„Es ist mir egal, was Lucca gesagt hat." Ich will nur noch hier weg und dieses Archiv so weit wie möglich hinter mir lassen. Hoffentlich hilft uns der Hinweis, den wir in Marias Safe gefunden haben weiter. Ein drittes Mal möchte ich nämlich nicht in diesen geheimen Raum hinter dem Steinbruch kommen müssen.

„Okay, dann will ich aber erst mal meine Kräfte sammeln", meint Kate, „hast du vielleicht was zum Trinken?" Stöhnend verdrehe ich die Augen und reiche ihr eine der Wasserflaschen, die wir mitgenommen haben. Am liebsten würde ich das Archiv sofort verlassen, aber was bringt das, wenn Kate noch geschwächt ist?

„Aber beeil dich", weise ich sie an, während ich mich weiter in dem Archiv umsehe. Dabei lasse ich alte Schriftrollen oder Bücher, die mir nützlich scheinen in meine Tasche gleiten.

„Ich kann mir nicht aussuchen, wie lange ich brauche, um mich auszuruhen", mault Kate und setzt die Wasserflasche an ihre Lippen, um einen Schluck zu nehmen.

Plötzlich ertönt wieder das laute Knarzen der Tür. Ein heller, leuchtender Umriss erscheint in dem Felsen. Das Tageslicht ist so grell, dass ich die Augen zusammenkneife. Kate schreit auf und lässt ihre Wasserflasche fallen.

„Ihr seid ja immer noch hier." Lucca. Augenblicklich formt sich meine Hand zur Faust. Ich kann nochmal zuschlagen, sollte es nötig sein.

„Wo ist Emma?", will ich wissen.

„Auf dem Weg nach Hause", erklärt Lucca, „und ihr solltet jetzt auch schnellstens verschwinden."

„Das würde dir so passen", zische ich. Doch insgeheim weiß ich, dass er Recht hat. Hier gibt es nichts mehr für uns. Und je schneller wir wieder zu Hause sind, desto besser.

Kate und ich wechseln einen flüchtigen, erschrockenen Blick. Meine Schwester nickt mir zu. Dann setzten wir uns in Bewegung und stürmen an Lucca vorbei. Nach dem kühlen, dunklen Archiv kommt mir der Frühlingstag heiß und hell vor.

Hastig drehe ich mich zu Lucca um. Auf seinem dunklen Shirt zeichnen sich deutliche Schweißränder ab und in seinem Bart klebt noch ein bisschen Blut. Er sieht überhaupt nicht gut aus, sondern einfach nur entsetzlich fertig.

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