23. Verlorene Familie (2)

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Ich bleibe fast den ganzen Tag bei meinen Großeltern. Viel mehr als Tee bekomme ich allerdings nicht herunter, obwohl meine Großmutter mir immer wieder selbstgebackene Kekse und Salzbrezeln vor die Nase stellt. Sie beschwert sich am laufenden Band, dass ich etwas essen müsse, um wieder zu Kräften zu kommen, doch den Gefallen kann ich ihr einfach nicht tun. Als es Zeit zum Abendessen wird, verschwinde ich ohne mich zu verabschieden nach Hause, bevor meine Großmutter mir eine Spezialität aus der Restaurantküche nach oben bringen kann.

Im ganzen Haus brennt Licht, obwohl niemand da ist. Mum mal wieder. Wahrscheinlich hat sie einfach vergessen, es auszuschalten. Kate ist bei Davide und Vittoria und Mum bereits auf der Arbeit. In der Küche finde ich einen Zettel, auf dem steht, dass sie die nächsten Tage bei Antonio verbringen wird. Ich schnaube genervt, wobei es mir eigentlich ganz recht ist, dass ich sie erst mal nicht sehen muss. Ich mache mir noch einen Tee. Mit der dampfenden Tasse verkrümele ich mich in mein Bett, um mir auf dem Laptop ein paar Folgen irgendeiner Serie anzusehen. Vorher checke ich noch mein Handy. In der WhatsApp-Gruppe unseres Jahrgangs wurden einige Sauffotos von gestern gepostet. Zum Glück bin ich auf keinem davon zu sehen.

Außerdem schreibt Maddie mir: „Hey ho, was geht so in Italien? Wie waren die Prüfungen? Hab bei Pietros Insta-Story gesehen, dass ihr beim Feiern wohl noch viel Spaß hattet. Apropos, die gute Nachricht des Tages: Jeremy und seine Freundin aus Amerika haben sich getrennt. Das hat ihn ganz schön in seiner Ehre gekränkt." Ich zucke nur mit den Schultern. Jeremy ist mein Exfreund und mir wirklich absolut egal. Trotzdem empfinde ich ein bisschen Schadenfreude über seine Trennung, was mich besonders ärgert. Wie hat Nonna nochmal so schön gesagt? Das ist Vergangenheit. Die sollte man ruhen lassen."

Ich ignoriere alle Chats. Bevor ich einschlafe, schreibe ich lediglich Pietro, ob er vielleicht mit Hilfe des Geheimbundes etwas über Ernesto Lombardini und dessen Familie in Erfahrung bringen kann. Zumindest mehr als wir jetzt wissen. Es wird endlich mal Zeit, dass ich handle.

Pietro antwortet mir mit dubiosen Smileys, denen ich entnehmen kann, dass es ihm heute ähnlich ging wie mir. Welch ein verschwendeter Tag. Doch wenn ich die heutigen Ereignisse so Revue passieren lasse, dann muss ich feststellen, dass ich an diesem stürmischen Tag trotzdem einiges neues erfahren habe.

~

An dem Mittag nach meinem Katertag statte ich Pietro einen Besuch ab. Als ich auf dem Anwesen der Bellucos einfahre, kommt mir Philippe entgegen. Er trägt eine verspiegelte Sonnenbrille, ein weißes Poloshirt und eine elegante, schwarze lange Hose und nickt mir zu, als er mich sieht. Ich versuche, seinen Blick erst gar nicht zu erwidern. Schwungvoll parke ich ein, dann schnappe ich mir ebenfalls meine Sonnenbrille aus dem Handschuhfach, damit Philippe meinen genervten Blick nicht sieht. Hastig steige ich aus dem Auto und versuche, ihn so gut es geht, zu ignorieren. Doch das lässt Philippe nicht zu. „Guten Tag, Brionna", begrüßt er mich und macht einen Schritt auf mich zu.

„Ich will Pietro besuchen", entgegne ich nur kühl und weiche ihm dabei aus. Auf ein Gespräch mit Philippe habe ich absolut keine Lust. Die Party vorgestern hat jeden Ansatz einer Freundschaft zerstört, die zwischen uns hätte entstehen können. Nun will ich einfach nur noch, dass er so weit weg von mir ist wie möglich.

„Kann ich dich kurz sprechen?", fragt er.

„Nein", presse ich knapp hervor.

„Keine Angst, ich wollte dir nur mitteilen, dass ich mit dir d'accord gehe. Das mit uns kann nichts werden, selbst wenn wir beide Elementträger sind. Du bist noch eine Schülerin und ich absolviere bald mein Masterstudium", sagt Philippe. Für einen Moment bin ich wirklich erstaunt. Damit hätte ich jetzt nun wirklich nicht gerechnet.

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