So schüchtern und zurückhaltend Pietro auch manchmal ist, wenn es etwas zum Feiern gibt, weiß er genau, wie man das anstellt. In solchen Momenten kann er zur absoluten Rampensau mutieren. Schon wenig später steht mein bester Freund wieder an meiner Seite. Die Bierflasche, die er in der Hand hält, ist ungeöffnet. Mit einem verschmitzten Grinsen drückt er sie mir in die Hand. „Sind deine Eltern und Giacomo nicht an der Villa?", frage ich erstaunt.
„Nein. Sie sind unterwegs in Sachen Geheimbund. Alessia muss arbeiten, nur Philippe ist glaube ich noch da."
„Wo sind Giaccomo und deine Eltern?", frage ich. Daraufhin zuckt Pietro mit den Schultern. „Also ich hatte genug mit lernen zu tun, da hat mich der Geheimbund der Elemente in letzter Zeit nicht sonderlich interessiert", gibt er zu. Ich nicke. Mir gehts ja ähnlich. Auch wenn ich neugierig bin, auf welcher Mission die anderen unterwegs sind.
An Pietros Seite schlendere ich zu seinem Auto. Da nicht mehr allzu viele nüchtern sind, quetschen sich die Leute zu fünft auf die Rückbank. Ich finde gottseidank noch neben Pietro auf dem Beifahrersitz Platz und habe genug Beinfreiheit. Auf der Autofahrt wird das Radio voll aufgedreht und alle gröhlen laut und aus vollen Kehlen mit.
„Nimm auch was", meint Stella und hält mir eine Flasche unter die Nase, die so beißend riecht, dass die klare Flüssigkeit da drin mit Sicherheit kein Wasser ist. Als ich ein Schluck nehme, brennt die Flüssigkeit in meiner Kehle so stark, dass ich sie am liebsten in hohem Bogen ausgespien hätte. Tapfer zwinge ich mich zum Schlucken. Das Brennen weitet sich von meiner Kehle über meine Speiseröhre in meinen Magen aus. Im ersten Moment befürchte ich, dass ich mich übergeben muss, aber dann habe ich alles wieder im Griff.
„Was zur Hölle ist das und seit wann trinkst du Alkohol?", quetsche ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Stella ist Epileptikerin. Noch nie habe ich sie Alkohol trinken sehen, nicht mal auf dem Weinfest Ende Oktober.
„Ich trinke nicht, ich bin nur fürs Abfüllen zuständig und du meine Liebe hast leider keine Ausrede", erklärt Stella.
Als ich ihr die Schnapsflasche zurückgeben möchte, bedeutet sie mir, dass ich sie doch lieber behalten soll. Nur widerwillig klemme ich die Flasche zwischen meine Knie. Allein der Geruch von dem Alkohol verätzt meine Schleimhäute. Bis wir bei Pietro sind, trinke ich trotzdem immer mal wieder einen kleinen Schluck, bis ich einen leichten Druck auf meinen Schläfen spüre.
Die Welt draußen zieht schnell und gleichzeitig doch langsam an mir vorüber. In den letzten Wochen hat sich die Landschaft draußen ziemlich verändert. Der Frühling ist nun endgültig im Land eingezogen. Die Bäume tragen weiche, hellgrüne Blätter und weiße oder zartrosa schimmernde Blüten. Die Sonne, die sich im Winter hinter einer dicken Schicht von Wolken versteckt hat, scheint jetzt dafür umso stärker auf die Erde hinab. Bei dem Gedanke an das, was nun vor uns liegt und all die Möglichkeiten, die wir nun haben, breitet sich fast schon automatisch ein Lächeln auf meinen Lippen aus. Dort bleibt es auch sitzen und lässt sich durch nichts wegwischen. Wir haben es geschafft. Endlich frei!
Ich schließe die Augen und genieße den Wind, der durch die geöffneten Autofenster in mein Haar weht. Sogar den leichten Schwindel hinter meiner Stirn genieße ich. Deshalb nehme ich noch ein paar großzügige Schlucke aus der Schnaps-Wasserflasche. Nach einer Weile spüre ich das penetrante Brennen des Alkohols kaum noch. Ich ertappe mich dabei, wie ich zu der schrecklichen Musik sogar vergnügt mit den Knien auf und ab wippe.
Bei Pietro angekommen springen alle grölend aus den Autos. Die Fahrzeuge werden einfach irgendwie auf dem Vorhof der Villa Belluco abgestellt. Ich stolpere, habe mich gleich darauf aber schon wieder gefangen. Trotzdem lande ich irgendwie in Pietros Armen. Er lächelt mich schüchtern an. In seinen Augen liegt ein ernster, fast strenger Ausdruck, so wie ihn nüchterne Leute irgendwie immer haben, wenn sie mit Betrunkenen konfrontiert werden.
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Die Elemente
FantasyKate und ich wechseln einen erstaunten Blick. Das ist es also, Marias Geheimnis. Der Grund, aus dem sie uns ihr Tagebuch vermacht hat. "Unglaublich", flüstert meine Schwester. Sie scheint genauso erschüttert zu sein wie ich. Endlich haben wir die fe...