Als ich nach Hause komme, ist es totenstill im Haus. Alles, was ich höre, ist mein in den Ohren rauschender Herzschlag. John Lennon flitzt sofort an mir vorbei, nachdem ich die Haustür aufgeschlossen habe. Sein wedelnder Schwanz schlägt gegen die Möbel und Wände im Flur. Er stolpert über Schuhe, die lose im Flur liegen und nimmt sogar einen Gummistiefel ins Maul, mit dem er ins Wohnzimmer flitzt. Ich seufze, bin viel zu erschöpft, um den Hund zurecht zu weisen.
Ich gehe in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. Der Alkohol vom Vortag hat mich doch ziemlich dehydriert. Am Küchentisch sitzt Mum mit eingesunkenem Oberkörper. Als ich eintrete, blickt sie auf. Dunkel umrahmte Augen sehen mich an und in ihren kurzen, schwarzen Haaren kann ich eine graue Strähne ausmachen. Auf einmal wirkt sie um Jahre gealtert. Am liebsten hätte ich sie in den Arm genommen, doch da ist eine Distanz zwischen uns, die mich zurückhält.
„Toni ist weg", sagt sie mit trockener Stimme.
„Gut", antworte ich, hole mir ein Glas aus dem Schrank, das ich mit Wasser fülle und mit ein paar kräftigen Zügen, ohne abzusetzen, austrinke.
„Gut?", fragt Mum hohl.
„Ja gut", antworte ich, „was denkst du denn, wie unangenehm mir das heute Morgen war?" Heiße Wut kocht in mir hoch und meine Wangen glühen, wenn ich an den Vorfall mit der Dusche denke. Am liebsten hätte ich das Haus auf der Stelle wieder verlassen. Zum Glück ist Antonio nicht mehr da.
„Ich wusste nicht, dass du da bist...", verteidigt sich Mum. Ihre Unterlippe zittert verdächtig.
„Wie lange läuft das denn schon? Ist er zum ersten Mal hier?" Darauf schüttelt sie nur mit dem Kopf. „Seit Januar", gesteht sie mit schwacher Stimme. Erschrocken stoße ich die Luft aus. Dass das so lange läuft, hätte ich nun nicht erwartet. Wie oft hat Antonio wohl bei ihr übernachtet, ohne dass Kate oder ich etwas davon mitbekommen haben?
„Weißt du eigentlich, wie unangenehm mir das ist? Bei dem Gedanke, dass er einfach hier in meinem zu Hause rumspaziert, ohne dass ich davon weiß, fühle ich mich nicht gerade wohl", platzt es aus mir heraus. Ich fühle mich betrogen und hintergangen. Wer weiß, was ich noch alles verpasst habe.
„Mum, mal ehrlich, das geht nicht. Ich bringe ja auch nicht irgendwelche Leute mit hierher", füge ich hinzu.
„Brionny... ich wollte doch selbst erst mal wissen, was das mit Toni ist, bevor ich euch etwas erzähle", seufzt sie.
„Ja, vielleicht solltest du da auch vorsichtig sein. Nicht, dass das dann wieder kaputt geht." Als ich das sage, komme ich mir gemein vor. Trotzdem bin ich noch immer sauer auf meine Mutter. Sie muss doch wissen, dass es nicht unbedingt cool für Kate und mich ist, wenn sie einfach einen Mann hinter unserem Rücken anschleppt.
„Es wird aber nicht kaputt gehen", beharrt Mum.
„Ach ja, woher willst du das wissen? Der Kerl ist bestimmt zehn Jahre jünger als du", pfeffere ich ihr entgegen.
„Acht", sagt sie und klingt auf einmal entschlossen.
„Trotzdem, ein Mann in dem Alter will vielleicht Kinder oder aber auf jeden Fall was ganz anderes vom Leben als du."
„Das kannst du doch gar nicht wissen!" Wütend funkelt sie mich an. Es kommt selten vor, dass sie sich zur Wehr setzt, wenn wir uns streiten. Das stachelt mich nur noch mehr an. Ich laufe gerade erst zu Hochtouren auf.
„Ach, wieso denn nicht? Und selbst wenn wird dieses Techtelmechtel wohl nicht ewig halten. Und was machst du dann?"
Daraufhin ist Mum nur still und sagt nichts. Langsam weiche ich zurück. So schnell gibt sie ihre Gegenwehr schon auf. Manchmal macht sie es mir zu einfach. Oder zu schwer, je nachdem. Da ich die Stille nicht länger ertrage, fahre ich mit sanfter Stimme fort.
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Die Elemente
FantasyKate und ich wechseln einen erstaunten Blick. Das ist es also, Marias Geheimnis. Der Grund, aus dem sie uns ihr Tagebuch vermacht hat. "Unglaublich", flüstert meine Schwester. Sie scheint genauso erschüttert zu sein wie ich. Endlich haben wir die fe...