49. Die Suche nach dem Element (2)

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Zuerst protestiere ich heftig. So süß ich seine Idee auch finde und so gern ich einen Ausflug mit ihm machen würde, ich halte es für keine sonderlich gute Idee. Ich habe Angst, dass uns jemand zusammen sieht und dass wir auffliegen.

„Ach komm schon, das ist weit genug weg, damit uns niemand erkennt", entgegnet Lucca auf meine Bedenken, „ich will dich mal richtig ausführen, auf ein Date."

Bei dem Wort Date zucke ich unwillkürlich zusammen. Irgendwie macht es das, was zwischen Lucca und mir ist, so offiziell. Er bemerkt mein Zögern und meint: „Niemand wird da sein. Du musst dir keine Gedanken darüber machen, dass uns jemand erwischen könnte."

Nach einem kurzen Zögern willige ich ein. Vielleicht hat Lucca ja Recht und ich finde mein Element. Dann hat der Ausflug sich auf jeden Fall gelohnt und wenn nicht, kann ich wenigstens die schöne, begrenzte Zeit genießen, die wir beide miteinander haben. Bevor wir losfahren, soll ich mir aussuchen, welches der Dörfer besuchen werden. Da ich unschlüssig bin, zu welchem der Elemente ich die stärkste Verbindung habe, beschließe ich, dass wir nach Corniglia fahren, dem Dorf der Luft.

„Luft also", überlegt Lucca. Daraufhin zucke ich nur mit den Schultern. „Ich denke damit könnten wir anfangen", gebe ich zu. Ich weiß auch nicht, warum ich mir die Luft ausgesucht habe. Vielleicht war es einfach nur Intuition. Es ist das Element, das keiner der Elementträger beherrscht. Wenn Luft mein Element wäre, dann wären alle vier komplett. Irgendwie gefällt mir diese Vorstellung.

Lucca möchte mit dem Motorrad nach Corniglia fahren. Wie es scheint, hat er sich das schon länger überlegt, denn er hat einen Helm für mich dabei. Obwohl ich nun schon öfter mit ihm auf dem Motorrad gefahren bin, wird mir bei dem Anblick der Mördermaschine unwohl zumute. Scheinbar erkennt er, woran ich denke, denn er sagt: „Ach komm schon, so schlimm ist das nicht."

„Ich vertraue den Dingern nun mal nicht", erwidere ich. Daraufhin lächelt er nur. „Darin liegt doch der Spaß", erklärt er mir, „ich lebe lieber kurz und gefährlich als lang und langweilig." Dieser Spruch führt nicht gerade dazu, dass ich mich besser fühle. Trotzdem streife ich mir den Helm über. Gleichzeitig bin ich extrem neugierig auf das, was in Corniglia auf uns wartet. Zwar kann ich noch immer noch nicht so recht glauben, dass die Cinque Terre Dörfer für die fünf Elemente stehen, aber im letzten Jahr habe ich zu viel erlebt, um all die Legenden und Geschichten schlicht als Mumpitz abzutun.

Als wir zusammen über die kurvigen Straßen brausen, kann ich sogar ein bisschen nachvollziehen, was Lucca gemeint hat, als er sagte, er lebe lieber kurz und gefährlich. Es ist ein belebendes Gefühl, zu spüren, wie der Wind gegen meinen Brustkorb drückt. So als würde die Luft mich willkommen heißen und mir neue Energie verleihen. Mein Herz schlägt schneller und alles um mich herum ist mit einem magischen Knistern erfüllt.

Die Landschaft saust an uns vorbei, während ich mich an Luccas Brust klammere. Ich merke, wie er sich bewegt und wie sich seine Muskeln abwechselnd an- und entspannen. Auf eine ganz besondere Art und Weise genieße ich es, ihm so nahe zu sein. Ich muss feststellen, dass ich froh bin, mit ihm auf diesen Ausflug gegangen zu sein. Nur ein paar Minuten auf dem Motorrad und meine Zweifel sind wie weggefegt.

In Corniglia stellt Lucca sein Motorrad am Bahnhof ab. Von hier müssen wir ein Paar Treppenstufen, sowie eine steile, kurvige Straße den Berg hinauf laufen. Corniglia ist das einzige der fünf Dörfer, das nicht direkt am Meer, sondern oben auf einem Berg liegt. Vielleicht ist es deshalb ein Symbol für die Luft. Schon beim Aufstieg in das Dorf hat man einen wunderschönen Blick über die umliegenden Hügel und auf das Meer. Es ist ein strahlend warmer Sommertag. Die Sonne spiegelt sich in den glitzernden Wellen und es scheint, als wollte sie uns mit ihren Strahlen umarmen.

Während wir den Berg hinauf laufen, ergreift Lucca meine Hand. Seine Haut fühlt sich wieder rau und aufgeplatzt an. Scheinbar hat er das fünfte Element nun schon einige Zeit nicht mehr benutzt. Als ich ihn von der Seite anschaue, muss ich jedoch feststellen, dass er besser aussieht denn je. Am liebsten hätte ich mich zu ihm hinüber gelehnt und ihn geküsst, doch hier in der Öffentlichkeit halte ich mich zurück.

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