Als ich die Augen öffne, dreht sich alles. Meine Umgebung schwankt, als wäre ich auf hoher, wilder See. Stöhnend strecke ich einen Fuß aus dem Bett und berühre damit den Boden. Augenblicklich ebbt das Schwanken ab. Trotzdem ist mir noch unfassbar schlecht. Mein Magen ist flau und in meinem Mund klebt ein widerlicher Geschmack. Ich stecke in den Kleidern des Vortages. Vorsichtig drehe ich mich um. Neben mir liegt ein Buch. Humangenetik für Mediziner von Antonio Toscani steht auf dem Einband. Nur langsam hebe ich das Buch hoch. Ich habe es mir gestern Abend tatsächlich noch durchgelesen, ohne allerdings ein Wort zu verstehen.
Alles, woran ich mich erinnere ist, dass das Foto von Antonio Toscani auf der letzten Seite meinem Vater sehr ähnlich sah. Unwillkürlich frage ich mich, ob es sich dabei um ein und dieselbe Person handelt. Oder hat mein Vater vielleicht einen Zwilling, von dem wir nichts wissen?
Ich kneife die Augen zusammen und stöhne erneut. In meinem Zimmer ist es viel zu hell. Während ich mich aufrichte, bohrt sich ein pochender Schmerz in meinen Kopf. Kaum dass ich aufrecht sitze, scheint meine Übelkeit exponentiell zu steigen. Mein Magen zieht sich krampfhaft zusammen. Für einen kurzen Moment kämpfe ich mit dem Würgereiz. Schweiß läuft über meine Stirn, während mein Herz schnell und unregelmäßig stolpert.
Ich möchte mich nicht übergeben. Bitte nicht. Doch scheinbar habe ich keine andere Wahl. Mein Körper rebelliert gegen meine Dummheit und den Alkoholkonsum des Vortages. Binnen weniger Sekunden bin ich auf den Beinen. Die Treppe stolpere ich hinunter und als ich den zweiten Stock erreiche, lege ich mich erst mal der Länge nach hin. Tapfer kämpfe ich mich wieder auf die Beine und falle regelrecht ins Bad.
Ein lautes Prasseln verrät mir, dass jemand unter der Dusche steht. Der Duschvorhang ist vorgezogen, weshalb ich nicht erkenne, ob es sich dabei um Kate oder Mum handelt. Darauf kann ich in meinem Zustand allerdings auch keine Rücksicht nehmen. Ich stürze auf die Toilette zu und reiße den Deckel schwungvoll auf. Keine Sekunde zu spät. Ehe ich mich versehe, stülpt sich mein Magen nach außen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich zuletzt so elend gefühlt habe. Nicht mal nach Silvester ging es mir so, obwohl ich damals auch schon deutlich zu viel getrunken habe.
Noch ein paar Mal muss ich würgen, bis ich mich einfach nur noch leer und ekelhaft fühle. Zitternd stemme ich mich wieder hoch und betätige die Klospülung. Gerade als ich einen Schluck von unserer Mundspülung nehme, um diesen ekelhaften, säuerlichen Geschmack auf meiner Zunge los zu werden, höre ich wie eine tiefe, beinahe schon sanfte Stimme hinter mir fragt: „Fiona, ist alles in Ordnung?"
Ich erschrecke mich so sehr, dass ich mich beinahe an der Mundspülung verschlucke. Hustend spucke ich sie aus und wirbele herum.
Der Duschvorhang wird beiseite gezogen und vor mir steht, vollkommen unbekleidet, Antonio, der Chefkoch meiner Großeltern. Als ich ihn sehe, kreische ich erschrocken auf und weiche zurück, wobei ich den Becher mit den Zahnbürsten vom Waschbecken räume. Scheppernd fällt er zu Boden und die Zahnbürsten kullern über die Fliesen. Auch Antonio zuckt zusammen und schaut mich ungläubig an, so als hätte er nicht erwartet, mich hier zu sehen.
„Was zur Hölle machst du hier?", fahre ich ihn an, wobei ich aber eher erstaunt als wütend klinge.
„Ich... ich dachte, du seist Fiona", stammelt er und versucht, sich hinter dem Duschvorhang zu verstecken, „verzeih mir!"
Ich spüre, wie Blut in meine Wangen schießt. Das ist auch das Einzige, was ich ihn diesem Moment von meinem zerschundenen Körper spüre. Die Situation ist extrem unangenehm und ich weiß nicht, wie ich reagieren soll. Deshalb drehe ich mich einfach um und verlasse das Badezimmer. Auf dem Flur laufe ich beinahe in meine Mutter. Sie wirkt, als hätte sie jemand gerade aus dem Schlaf gerissen. Ihr Haar ist verstrubbelt und sie steckt in einem überdimensional großen T-Shirt von AC Florenz. Seit wann interessiert sie sich denn für Fußball? Jede Wette, dass das nicht ihr Shirt ist.
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Die Elemente
FantasyKate und ich wechseln einen erstaunten Blick. Das ist es also, Marias Geheimnis. Der Grund, aus dem sie uns ihr Tagebuch vermacht hat. "Unglaublich", flüstert meine Schwester. Sie scheint genauso erschüttert zu sein wie ich. Endlich haben wir die fe...