Anna - Ein neuer Versuch

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Nach dem Desaster mit Paddy, erhielt ich zur Abwechslung gute Nachrichten. Ich bekam eine neue Wohnung zugesagt, die auch sofort bezugsfertig war, sodass ich aus meinem Kinderzimmer im Elternhaus wieder ausziehen konnte. Da Emma und Liam erst in ein paar Tagen wieder nach Hause kommen würden, wollte ich die Beiden mit der neuen Wohnung überraschen. Chiara und ein Umzugstrupp halfen mir die neuen Möbel in die Wohnung zu bringen. Marc hatte auf die gesamte Einrichtung unserer alten Wohnung beharrt. Vermutlich nur aus Frust über die Trennung, aber auf diese Diskussion wollte ich mich nicht auch noch einlassen. Innerhalb von drei Tagen war alles übersiedelt und aufgebaut. Chiara und ich stießen mit einem Glas Sekt an. Bis jetzt hatte ich ihr noch nichts von meinem Abenteuer mit Paddy erzählt. Als meine beste Freundin, merkte sie natürlich sofort, dass mich irgendetwas beschäftigte. Sofort sprudelte es aus mir heraus und ich gab ihr eine detaillierte Zusammenfassung über meinen Kurzurlaub. „Du hattest tatsächlich Sex mit Paddy Kelly?", kommentierte sie nur trocken. „Ich habe mich eigentlich darauf eingestellt, dass du mir so richtig den Kopf wäscht, Chiara." „Ach, weißt du Anna, natürlich ist als gläubiger Mensch Ehebruch eine Sünde, jedoch ist er erwachsen und seine Gefühle kann man eben nicht steuern. Hat er dir nicht auch erzählt, dass seine Ehe in Trümmern liegt?" „Ja, das stimmt schon, aber ich weiß nicht ob tatsächlich Gefühle im Spiel waren oder ob es einfach nur ein nettes Abenteuer zum tristen Ehealltag war. Ich habe ein schlechtes Gewissen und obendrein hab ich mich bis über beide Ohren in diesen Typen verliebt. Im Moment stolpere ich von einem Drama ins Nächste. „Ach Süße, das tut mir so leid." Chiara tröstete mich mit einer Umarmung und wir quatschten noch bis tief in die Nacht.

Emma und Liam freuten sich riesig über unser neues Zuhause. Wir machten uns gemeinsam mit Chiara noch zwei tolle Urlaubswochen, doch in den stillen Momenten dachte ich an ihn. Meistens war er auch allgegenwärtig – im Radio, Fernsehen, ja sogar aus der Zeitung lachte er mir entgegen. Ich nahm mir vor, keinen Artikel mehr über ihn zu lesen. Doch an einer Headline konnte ich nicht vorbei: Alles aus bei Michael Patrick Kelly? Der gläubige Christ soll sich von seiner langjährigen Frau Joelle getrennt haben! Ich traute meinen Augen kaum. Konnte das wahr sein? Warum hatte er das getan? Etwa meinetwegen? NEIN! Das konnte nicht sein. Immer wieder las ich mir den Artikel durch, tausendmal nahm ich mein Handy in die Hand und wollte seine Nummer wählen, doch genauso oft legte ich es auch wieder zur Seite. Ich wusste ja noch nicht einmal, ob er überhaupt mit mir sprechen wollte. Vielleicht war genau unser Fehltritt der Grund für die vermeintliche Trennung. Es ließ mir keine Ruhe. Ich musste das klären! Aber von Angesicht zu Angesicht. Ich wusste, dass er gerade auf Tour war, also griff ich doch zum Handy, jedoch um Chiaras Nummer zu wählen. „Was hältst du davon, wenn wir am Wochenende einen kleinen Ausflug nach Norddeutschland unternehmen?" „Was wollen wir denn dort?" Ich erzählte Chiara von dem Artikel und den Scheidungsgerüchten. „Ich verstehe, du willst ihn also doch sehen?" Ich konnte mir ihr Grinsen bildlich vorstellen. Natürlich unternahm sie mit mir diesen Trip, sie wäre nicht Chiara würde sie sich das entgehen lassen. Nachdem ich die Zwillinge zu meinen Eltern brachte, ging es los. Paddy war gerade in Hamburg, also lagen über 800 km Autofahrt vor uns. Gefühlte Tausendmal fragte ich mich, was ich hier eigentlich machte. Was wenn er mich gar nicht sehen wollte? War es das wert? Auf diese Frage wusste ich die Antwort sofort: Ja, das war es, denn ich brauchte unbedingt Klarheit. Vielleicht auch, um im wahrscheinlichsten Fall, damit abschließen zu können.

Wir kamen am späten Abend in unserem Hotel in Hamburg an. Chiara und ich gingen noch etwas trinken. Als uns der Weg zur Bar an der Konzert-Location vorbei führte, sahen wir, dass bereits die ersten Fans warteten. „Wahnsinn... weißt du noch, Anna, als wir Teenies waren und unbedingt in die erste Reihe auf einem Kelly Family Konzert wollten? Wir haben auch geplant vor den großen Hallen zu schlafen, aber unsere Eltern erlaubten es natürlich nicht", sagte Chiara amüsiert. „Tja, ich denke, obwohl wir jetzt erwachsen sind, wird sich die erste Reihe morgen auch nicht ausgehen", erwiderte ich belustigt. Ich fand es toll, dass Chiara mitkam. Sie konnte mich immer wieder beruhigen, als meine Nervosität mal wieder ins Unermessliche stieg – und das passierte mittlerweile stündlich. In dieser Nacht schlief ich so unruhig wie schon lange nicht mehr. Ich wusste ja nicht einmal, was ich ihm genau sagen wollte. Eigentlich wollte ich ihn nur sehen. Millionen Gedanken drehten sich im Kreis.

Am nächsten Morgen konnte ich nicht einmal frühstücken, mein mulmiges Gefühl im Bauch ließ es einfach nicht zu. „Hey Schätzchen, es wird schon alles glatt laufen." „Deinen Optimismus möchte ich haben. Was wenn wir so weit hinten stehen, dass er mich gar nicht sieht? Was wenn er mich gar nicht sehen will? Soll ich ihn dann einfach anrufen und sagen: Hey Paddy ich bin gerade in Hamburg auf deinem Konzert, Lust zu quatschen?" Meine Nerven lagen blank. Bereits am Vormittag gingen wir zur Location. Es bildete sich bereits eine Schlange vor dem Einlass von ungefähr 100 Fans. Zum Glück hatten wir tolles Wetter. Chiara und ich verbrachten den Tag in einer Wiese sitzend und plauderten mit ein paar anderen Fans. Wir lernten zwei junge Männer kennen. Ein Pärchen namens Thomas und Matthias. Das war eine willkommene Ablenkung. Wir hatten ziemlich viel Spaß mit den Beiden, doch je näher der Einlass rückte, umso mehr verlor ich die Nerven. Was würde passieren? Würde er das Konzert abbrechen, weil ich da war? Nein, natürlich nicht, er war doch ein Profi. Ich war mit der ganzen Situation überfordert. „Anna, ich gehe nochmal schnell aufs Klo." Chiara war eine ganze Zeit lang weg und ich machte mir schon Sorgen. Plötzlich sah ich sie in der Ferne und sie deutete uns an, zu ihr zu kommen. „Kommt Leute, wir dürfen früher rein." Wir schauten sie nur verdutzt an. Thomas und Matthias waren ganz perplex, freuten sich aber irrsinnig, auch mit uns mitkommen zu können. Sie zog mich augenzwinkernd hinter sich her und stoppte vor einem bulligen Security. Dieser schaute erst grimmig, lächelte Chiara aber schließlich an und ließ uns vier kommentarlos rein. Wir schauten uns an und kicherten. „Ich weiß nicht wie du das gemacht hast Chiara, aber das musst du mir später noch erklären." „Was soll ich sagen? Meinem Charme kann eben keiner wiederstehen", gab sie frech zur Antwort. Und damit hatte sie Recht. Da standen wir also, an vorderster Front, wie wir es uns immer gewünscht hatten und ich wusste in diesem Moment, er würde mich sehen. Thomas war ein lustiger, gutaussehender Kerl, der viele schräge Geschichten zu erzählen hatte. Wir verstanden uns auf Anhieb super. Zehn Minuten vor Konzertbeginn war meine Nervosität am Höhepunkt angelangt, meine Hände wurden feucht und mein Magen spielte verrückt. Mir fiel gar nicht auf, wie viele Menschen um mich herum standen. Alles rückte in den Hintergrund. Und plötzlich... Musik! Es ging los! Da war er! Im hinteren Teil der Bühne zog er seine Show ab, als er beim Refrain des Liedes plötzlich nach vorne lief, setzte mein Herz für einen Moment aus. Mann, war er heiß. Ich war wie hypnotisiert, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Die Menge schrie und jubelte ihm zu und da passierte es! Paddy schaute mir tief in die Augen, hatte sogar einen kurzen Texthänger, fasste sich aber schnell wieder und war ganz der Profi – Stadion-Paddy eben. Anhand seiner Reaktion konnte ich lediglich feststellen, dass er überrascht war mich zu sehen. Ungefähr 20 Minuten, würdigte er mich keines Blickes, er alberte mit seinem Publikum herum und wirkte voll zufrieden. Thomas fiel schon den ganzen Tag auf, dass ich ziemlich unrund war und das, obwohl wir uns gerade erst kennen lernten. „Anna, ist alles klar bei dir? Du wirkst völlig aufgelöst?" „Ja, alles gut", log ich. Er nahm mich in den Arm und drückte mir ein Küsschen auf die Wange. Nach dieser kleinen Geste von Thomas, beachtete mich Paddy offenbar doch, denn unsere Blicke trafen sich erneut. Er sah jedoch alles andere als glücklich aus. Paddy beschloss offenbar, mich ab diesem Zeitpunkt weiter zu ignorieren. Meine Stimmung wurde von Minute zu Minute schlechter. Als ich dann auch noch eine ungemütliche Entdeckung am Rande des Backstage Bereiches machte, musste ich einfach nur weg. Ich sah Joelle. Sie war hier. Mit ihm. Anna, du blöde Kuh, dachte ich mir und drängte mich durch die Menschenmenge in Richtung Ausgang. Chiara rief mir noch hinterher, aber ich konnte mich nicht mehr umdrehen. Natürlich trennte er sich nicht von ihr. Schon gar nicht wegen dieser einen Nacht mit mir. Am liebsten hätte ich mich selbst geohrfeigt. Ich lief zurück in unser Hotel und plünderte die Minibar. Einige Zeit später, kam auch Chiara ins Zimmer. „Anna, sag mal was war denn los? Wieso bist du wie von der Tarantel gestochen weggelaufen?" Ich hatte mal wieder Tränen in den Augen, als ich Chiara schilderte, weshalb ich so schnell weg war. „Seine Frau war da, Chiara. Ich bin so dämlich. Von wegen Trennung." „Oh, Anna. Das tut mir so leid, Schätzchen." Chiara nahm mich in den Arm und ich heulte wie ein Schlosshund an ihrer Schulter. Als wir am nächsten Morgen nachhause fuhren, schwor ich mir, Paddy endgültig hinter mir zu lassen. 

Butterflies in my BellyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt