Jimmy - Das Kartenhaus stürzt ein

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So sehr ich mich auch freute, Chiara endlich wieder zu sehen, wusste ich genau, dass ich sie, sobald die Hochzeit vorbei sein würde, eine lange Zeit nicht mehr zu Gesicht bekam. Das schmerzte mich unendlich. Alle Geschwister und deren Familien reisten am Vortag an und wir trafen uns in Paddys neuem Haus. Ich wollte jedoch mit meiner Familie weg sein, bevor Chiara ankam. Also beließ ich es bei einem kurzen Besuch. Meike und die Kinder waren zwar enttäuscht, aber ich ließ mich nicht umstimmen. Bereits am frühen Nachmittag zogen wir uns in den Gasthof, der für uns reserviert war, zurück.
Am nächsten Tag wollte ich Paddy helfen, die letzten Kleinigkeiten zu organisieren und bei ihm sein, denn er war sehr nervös. Ich konnte mich Aufgrund der letzten Organisationen erst später in meinen Anzug quälen. Ich mochte diese Dinger einfach nicht. Meike hatte ein wunderschönes knielanges Kleid für diese Hochzeit gekauft und sah wirklich toll aus. Als wir beide fertig angezogen waren, küssten wir uns. Diese Nähe zueinander spürte ich schon lange nicht mehr und ich genoss es, sie in meinen Armen zu halten. Zärtlich schmiegte sie sich an mich. Ich war glücklich und gleichzeitig nervös, denn bald würde ich Chiara sehen. Diese zwei Frauen trieben mich in den Wahnsinn. Als Meike ihren Platz einnahm und Chiara auf mich zukam, wurde mein Mund trocken, als ich sie sah. Bereits jetzt, wusste ich, das hier würde nicht gut für mich ausgehen. Diese Hochzeitsfeier ließ mich an meine Grenzen stoßen. Ich musste mich zusammen reißen, um meine gierigen Blicke vor meiner Familie zu verbergen. Jeder Blick und jede Berührung von ihr, fachte meine Leidenschaft nur noch mehr an. Natürlich verlor ich die Beherrschung und wir landeten im Bett. Du bist so ein Idiot Jimmy, mach es dir doch nicht schwerer als es ohnehin schon ist, sagte ich zu mir.

Ich brauchte etwas Hartes zu trinken und bestellte mir einen Scotch auf Eis. In einem Zug trank ich aus und bestellte einen weiteren. „Wow brother – are you ok? Calm down." „I'm fine. Na wie findet ihr die Hochzeit und unser Brautpaar?" Joey blickte zu Tanja, sie entschuldigte sich und verließ uns. „Jimmy, was ist hier los?" „Keine Ahnung was du meinst. Ich finde ich habe meine Aufgabe sehr gut gemeistert." „Willst du mich verarschen? Was ist mit diesem Mädchen und dir? Wie war ihr Name noch - Chiara?" „Was soll mit ihr sein. Sie ist die Brautjungfer." „Don't lie to me brother. I saw you dancing." Fuck. „Joey, was soll ich sagen. Sie gefällt mir. Aber es ist vorbei, bevor es begonnen hat, verstehst du?" Ihm konnte ich nichts vormachen. Er kannte mich vermutlich besser als jeder andere. „Das ist ein Spiel mit dem Feuer, das weißt du." Ich nickte bloß.

Durch meinen unachtsamen, intimen Umgang mit Chiara an der Bar, kam es wie es kommen musste und meine Frau ertappte uns. Ich stand vor Meike und blickte beschämt zu Boden. „Was sollte das gerade?" „Meike, bitte es tut mir leid. Ich weiß es hört sich abgedroschen an, aber es ist nicht so wie du denkst." Ich versuchte ruhig zu bleiben, doch mein Herz schlug wild gegen meine Brust. „Ach ja? Ich denke ich habe genug gesehen und gehört. Ich kann es einfach nicht fassen, dass das gerade passiert ist." Ich starrte sie an. Unfähig ein Wort zu sprechen. Was hätte ich auch sagen sollen? Jedes Wort wäre falsch gewesen. „Du warst so lange weg, dass ich dachte ich sollte dich suchen. Ich wollte dir sagen, dass die Kinder ins Bett müssen. Und dann finde ich dich hier so vor." „Ich weiß, es tut mir leid. Wir waren aber nicht alleine hier. Tanja, Joey und Kira sind mit mir an der Bar gestanden und Chiara kam erst später hinzu." „Ich habe gesehen, wie sie beim Tanzen in deinen Armen lag. Jimmy, weißt du eigentlich wie ich mich gefühlt habe? Jeder konnte euch so sehen. Ich möchte Anna und Paddy den Tag nicht versauen und hier eine Szene machen. Wir reden morgen darüber und wage es ja nicht mich anzulügen. Patricia beobachtet dich mit Argusaugen." Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen ließ sie mich stehen. Sie nahm unsere Kinder und ließ sich von Luke zu unserem Gasthof fahren. Ich war am Boden zerstört. Mir graute vor dem morgigen Tag. Nach einem weiteren Drink ging ich zurück ins Zelt und wollte zu meinen Geschwistern. Doch Paddy fing mich am Eingang ab und zog mich zurück in den Garten. Wir stellten uns etwas abseits. Oh oh, dachte ich, jetzt gibt es troubles. Seine Augen funkelten wütend. „Jimmy what the hell... What are you doing? Are you crazy?" „Paddy, sorry. I don't know. All I can say is - Sorry", stotterte ich fast. Eigentlich wollte ich jetzt nicht mit ihm darüber reden und wandte mich zum Gehen. Es war sein Hochzeitstag. Ich wollte ihn nicht mit meinen Problemen zumüllen. Blitzschnell fasst er nach meinem Arm und zog mich zurück. Er gab mir einen kräftigen Stoß gegen meine Schulter, sodass ich zwei Schritte zurücktaumelte. Er hatte scheinbar an Muskeln zugelegt, denn er war stärker als ich vermutete. „Oh no, that's not enough brother. No more. You will talk to me! Right now!" „Paddy, was soll ich sagen. Ich habe Scheiße gebaut, das weiß ich. Aber willst du wirklich HEUTE darüber reden? An deinem Hochzeitstag?" Er ignorierte meinen Einwand und sprach weiter. „Weißt du, abgesehen davon, dass ich Meike mag und du sie mit dieser Aktion verletzt, wäre es mir egal, wenn es nicht die beste Freundin meiner Frau wäre, verdammt noch mal! Was hast du dir nur dabei gedacht?" Er war richtig wütend. „Ich habe gar nicht nachgedacht ok? Es ist einfach passiert. Ich habe mich in Chiara verliebt ohne dass ich es wollte. Oder soll ich dich fragen was du gedacht hast, als du mit Anna angefangen hast OBWOHL du noch verheiratet warst." Wumm, das hatte gesessen. Ich sah es in seinem Blick. Am liebsten hätte er mir eine gescheuert. Er konnte sich nur mit Mühe zurückhalten. „Tut mir leid, Paddy. Ich bin zu weit gegangen." „Tja, das ist in der letzten Zeit deine Spezialität." Er hatte Recht. Doch wäre es eine andere Situation, würde ich jetzt ihm den Kopf waschen. Aber heute gab ich klein bei. „Paddy, ich habe mich entschuldigt. Es tut mir leid ok?" „Lass uns bitte kurz darüber sprechen." „Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich – ich weiß es einfach nicht." Er spürte wie verzweifelt ich war. „Ok Jimmy, beruhige dich. Du warst heute mit ihr am Zimmer nicht wahr? Anna hat euch gesehen." Ich nickte bloß. „Und gleich danach wart ihr tanzen?" Wieder nickte ich. „Jeder der euch bei diesem Tanz gesehen hat, weiß Bescheid, das ist dir klar oder? Wie ihr euch im Arm hieltet, ihr Kopf an deiner Schulter. Mann, du hast ihr ständig zärtlich über den Rücken gestreichelt und es nicht einmal mitbekommen!" Mein Kopf schoss nach oben. Ungläubig blickte ich ihn an. War das wirklich wahr? „Der Großteil unserer Geschwister hat es gesehen. Die, die es nicht sahen erfuhren es augenblicklich durch Erzählungen. Meike stand wie angewurzelt da und konnte es nicht fassen. Sie tat mir unglaublich leid. Aber mir tut auch Chiara leid. Jimmy, sie ist durch Anna ein Teil meiner Familie, verstehst du? Jeder der sie so gut kennt wie wir weiß, dass sie ihre Trauer überspielt. Im Grunde ist sie ein Häufchen Elend. Fuck, sieh sie dir doch an!" Ich drehte mich um und schielte ins Zelt. Seine Worte waren ehrlich und brannten in mir wie Feuer. Er hatte Recht, das wusste ich, aber was sollte ich tun? Ich wandte mich ihm wieder zu. „Ich weiß, es klingt unglaublich hart, aber ich habe ihr nie etwas versprochen. Im Gegenteil. Ich habe ihr immer gesagt, dass ich Meike nicht verlassen kann. Und das werde ich auch nicht. Ich werde alles tun um meine Ehe zu retten." Erschrocken starrte er mich an. „Und dennoch hast du all das zugelassen. Am liebsten würde ich dich ein Arschloch nennen. Aber ich war kaum besser als du. Mit dem Unterschied, dass meine Ehe am Ende war. Doch das ist bei dir nicht so. Du hast nach einer Abwechslung gesucht und jetzt wo es dir zu heiß wird, kriechst du in deine Höhle zurück." „Ich habe keine Abwechslung gesucht verdammt nochmal! Es ist einfach PASSIERT! Nach heute werde ich sie nie wiedersehen. Ich habe das mit ihr abgesprochen. Und Paddy, sie wusste worauf sie sich einließ. Sie ist kein dummes Kind." „Nein das ist sie nicht. Aber, dass du sie nie wiedersehen wirst, glaubst du doch selbst nicht. Sie ist die beste Freundin meiner Frau und wird die Taufpatin unserer Tochter. Sie wird bei vielen Feiern anwesend sein. Das sollte dir klar sein." „Ich werde damit zurechtkommen." „Das weiß ich, aber wird sie das auch?" Er drehte sich um und ließ mich zurück.

Es war schon weit nach Mitternacht und die Gäste verabschiedeten sich nacheinander. Chiara und ich mieden uns, um nicht noch mehr Schaden anzurichten. Beim Abschlusstanz konnte ich sie ein letztes Mal in meinen Armen halten. Als sie mir tief in die Augen blickte und sagte, dass ich nicht so leiden würde wie sie, brach es mir das Herz. Sie hatte recht. Ich hatte eine Familie zu der ich zurückkehren würde und ich werde alles dafür tun, dass Meike mir verzeiht. Dann sagte ich ihr lebe wohl – für eine lange Zeit, wenn nicht für immer, drehte mich um und ging zu Luke, der mich bereits erwartete. Ich verabschiedete mich von allen und ließ mich von meinem Neffen zum Gasthof fahren.

Meike schlief, als ich das Hotelzimmer betrat - oder zumindest tat sie so. Ich hatte keine Ahnung. Am nächsten Morgen begegnete sie mir kühl. Da ich nicht wusste was ich tun sollte verhielt ich mich ruhig. Nach dem Frühstück packten wir alles zusammen und fuhren mit den Kindern nach Hause. Die Stimmung war am Boden. Nach einer gefühlten Ewigkeit, fuhr sie an einen Rastplatz. Die Kinder stiegen aus und tollten auf einer kleinen Wiese herum. Endlich eröffnete sie das Gespräch und stellte mir DIE Frage: „Jimmy, war mehr zwischen euch als gestern bei diesem Tanz und an der Bar? Sei ehrlich zu mir. Das habe ich verdient" „Ja", antwortete ich knapp. Ich wäre sowieso ehrlich gewesen. Was sollte es bringen jetzt zu lügen oder zu leugnen. Es tat mir weh, ihr das Herz zu brechen. Was war nur mit mir los? Innerhalb von ein paar Stunden verletzte ich so viele Menschen die ich liebte. Am meisten meine Ehefrau, die mir seit Jahren zur Seite stand und mir drei Kinder schenkte. Zusätzlich verletzte ich noch eine Frau, die mir in so kurzer Zeit ans Herz gewachsen war und in die ich mich mehr und mehr verliebte, je öfter ich sie sah.
Ich konnte den Schmerz in Meikes Augen kaum ertragen. Tränen rannen über ihre Wangen und sie schlug die Hände vors Gesicht. Sie begann heftig zu schluchzen und ich wollte sie in den Arm nehmen und beruhigen. Doch sie stieß mich weg. Meine Verzweiflung wuchs. Ich hatte Angst vor ihrer Reaktion. Würde sie das überhaupt alles verkraften und verarbeiten? Noch dazu, wo es ihr psychisch nicht so gut ging? Was hatte ich nur angestellt? Meike entfernte sich von mir und ging ein paar Schritte auf dem Parkplatz. Sie deutete mir an bei den Kindern zu bleiben. Die restliche Fahrt nach Hause, übernahm ich das Steuer des Autos und wir sprachen kein Wort mehr miteinander.
Nachdem wir zu Abend gegessen hatten und die Kinder im Bett waren, begann Meike erneut das Gespräch. Ich erzählte ihr alles, was zwischen Chiara und mir passiert war. Auch, dass ich das Wochenende nach der Loreley bei ihr verbrachte und nicht bei Paddy und Anna. Ihr Herz zerbrach vor meinen Augen und ich fühlte mich wie das größte Arschloch im Universum. Ich sagte ihr, wie sehr ich sie liebte. Mehr als alles andere, aber ich mich auch in Chiara verliebt hatte und ich selbst nicht wusste, wie das überhaupt möglich war. Ich flehte sie an, mich nicht zu verlassen und uns eine Chance zu geben. Den Kontakt zu ihrer Rivalin hatte ich bereits abgebrochen. Wir weinten beide und hielten uns in den Armen. Unter Tränen bat ich sie um Verzeihung. Sie versprach darüber nachzudenken und bat mich um Zeit. Natürlich war ich bereit, alles für uns zu tun.

Die nächsten Tage und Wochen waren hart, aber wir näherten uns langsam wieder an. Meike wollte uns noch eine Chance geben. Darüber war ich sehr froh, aber dennoch schlich sich Chiara immer wieder in meine Gedanken und ich vermisste sie sehr. Wie konnte mir nur so viel an ihr liegen? Ich kannte sie doch kaum. Das war mir ein Rätsel. Ich vertraute sonst nicht so schnell einem anderen Menschen, geschweige denn, dass ich jemanden an mich heranließ. Aber mit ihrer lustigen, ehrlichen Art, ihrem offenen Herzen und der frechen Zunge, hatte sie in kürzester Zeit meine Schutzmauern eingerissen und sich einen Platz in meinem Herzen gesichert. Dieser wird ihr immer gehören. Da war nichts zu machen. Ihren etwas fülligeren Körper fand ich außerdem wahnsinnig sexy. Um nicht irgendwann in Versuchung zu kommen sie anzurufen, löschte ich ihre Nummer aus meinen Kontakten. Eines Tages würde auch sie aus meinen Gedanken gelöscht sein, redete ich mir ein. Ich ahnte nicht, wie sehr ich mich irrte.

Butterflies in my BellyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt