Kurz bevor sich Ginas und meine Lippen berührten, tönten aus den Musikboxen der Bar, die ersten Gitarrenklänge von „Wonderwall". Plötzlich sah ich Annas Lächeln vor mir, als ich ihr am Tag unserer Hochzeit, dieses Ständchen sang. Was machte ich hier nur? Augenblicklich war ich so gut wie stocknüchtern und so klar wie schon lange nicht mehr. „Gina, Stop!" Ich ging ein paar Schritte zurück. „Was hast du Paddy? Ich dachte, dass es für dich nun klar ist, dass du deine Frau verlässt." „Nein! Das könnte ich niemals! Unabhängig davon, bist du meine Assistentin und mit einem meiner besten Freunde liiert. „Aber ich wollte doch immer nur dich! Du spürst doch auch, dass da etwas zwischen uns ist!" Ich sah sie erschrocken an. Hatte sie mich zusätzlich zu meinen Problemen auch noch manipuliert? „Das wars, Gina. Es ist rein gar nichts, zwischen uns! Du wirst einem anderen Künstler zugeteilt." Rasch drehte ich mich um und verließ schon beinahe rennend die Bar. Ich füllte meine Lungen mit der warmen Sommerluft und hatte das Gefühl, zum ersten Mal seit langem wieder atmen zu können. Anna! Das Telefonat! Ich musste sofort nachhause. Ich sprang in das erste Taxi, welches ich erwischte, fuhr zu Pinos Wohnung, wo ich in Windeseile alle meine Sachen in die Tasche warf. Anschließend ließ ich mich zum Bahnhof weiter kutschieren. Auch wenn ich wieder klar denken konnte, musste ich mir eingestehen, dass ich alles andere als nüchtern war. Mit dem Auto so weit zu fahren, war also keine Option. Ich hatte Glück und erwischte den letzten Nachtzug, der den nächsten Bahnhof von uns zuhause anfuhr. Während der Fahrt überlegte ich lange, was ich Anna alles sagen wollte und ließ die letzten beiden Wochen, ohne sie, Revue passieren. Ich war zwar immer noch sauer, dass sie mich angelogen hatte, doch durch den nahen Moment und beinahe Kuss mit Gina, wurde ich endlich wachgerüttelt. Ein Leben ohne Anna, konnte und wollte ich mir nicht vorstellen. Ich war mir sicher, dass wir das alles wieder hinbekommen würden. Meine Gedanken drehten sich im Kreis und ich fand wieder keinen Schlaf. Als ich am späten Vormittag aus dem Taxi vor unserem Haus stieg und meine Schlüssel aus der Tasche kramte, schlug mir mein Herz bis zum Hals. Ich schloss die Tür auf und meine kleine Mia lief mir freudig entgegen. „Hey meine Süße!" Ich nahm sie auf den Arm und drückte ihr ein paar dicke Schmatzer auf ihre Pausbäckchen. „Papa, da bist du ja endlich wieder!" Sofort fielen mir auch Liam und Emma in die Arme. Durch meine blinde Wut, war mir bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht bewusst, wie sehr mir meine Kinder fehlten. Emma hatte Tränen in den Augen. „Ich dachte, du würdest nicht wieder kommen. Mama sagte, sie hätte furchtbaren Mist gebaut." In Sekunden wurde mein schlechtes Gewissen befeuert. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Mich von Anna distanziert zu haben war das eine, aber meine Kinder ebenfalls außen vor zu lassen, war unverzeihlich. Immerhin hatten sie bereits einen Vater, der sich aus dem Staub gemacht hatte. „Es tut mir so leid, Mäuschen! Natürlich würde ich euch niemals verlassen. Ich liebe euch von ganzem Herzen!" Nun liefen auch mir ein paar Tränen über die Wangen. „Wo ist denn Mama?" „Sie liegt noch im Bett. Es geht ihr nicht gut", antwortete mir Liam. Ich gab Mia noch einen Kuss auf den Scheitel und stellte sie wieder auf den Boden. Langsam ging ich die Treppen zu unserem Schlafzimmer hinauf. Als ich vor der Tür stand, atmete ich noch einmal tief durch, bevor ich sie langsam öffnete. Da lag sie, mit dem Rücken zu mir. Meine Anna. Ich blieb wie angewurzelt stehen, als sie sich zu mir umdrehte. „Paddy!", flüsterte sie. Ich erschrak als ich sie sah. Sie hatte ein paar Kilos verloren und ihr Gesicht war Kreidebleich. Das Leuchten in Annas Augen war nicht mehr da und tiefschwarze Augenringe zeichneten sich ab. Immer noch konnte ich kein Wort sagen. Sie setzte sich auf. „Bist du hier, um deine restlichen Sachen zu holen?", fragte sie mich, als sie sich eine einzelne Träne von der Wange wischte. „Anna, ich..." Verdammt, ich konnte die Worte nicht zusammenbringen, die ich ihr so gerne gesagt hätte. „Ich verstehe schon, Paddy. Ich habe einen unverzeihlichen Fehler begangen und das sind die Konsequenzen, mit denen ich jetzt leben muss. Ich lass dich deine Sachen alleine packen. Ich ertrage es nicht, dir dabei zuzusehen." Kelly, jetzt sag endlich etwas! Als sie aufstand, um an mir vorbei durch die Tür zu gehen, hielt ich sie am Arm fest. „Anna, bitte geh nicht." Sie sah mich mit ihren wunderschönen, grünen Augen an und ich konnte nicht anders, als sie fest in meine Arme zu ziehen. „Paddy!" Sofort erwiderte sie meine Umarmung und begann hemmungslos zu schluchzen. Es zerriss mir das Herz, sie so zu sehen. „Baby, bitte weine nicht." „Ich dachte du würdest mich verlassen. In den letzten Wochen, bin ich durch die Hölle gegangen, ohne dich. Ohne zu wissen, ob es dir gut geht, was du gerade machst und ob du jemals wieder kommen würdest." In diesem Moment war alle meine Wut und Enttäuschung verpufft. Meine Familie war mir das wichtigste in meinem Leben und durch meine stoische Sturheit, hätte ich all das beinahe aufs Spiel gesetzt. Wir setzten uns aufs Bett und es dauerte eine Weile bis Anna sich wieder fing. „Es tut mir so leid, dass ich dich angelogen habe. Ich würde alles dafür tun, um es wieder rückgängig zu machen. Bitte glaub mir! Ich habe dich natürlich nicht gestalkt! Ich wusste lediglich, dass du in der Nähe meiner Großeltern wohnen würdest, da bin ich einfach auf gut Glück los, habe mir durch meine dumme Ungeschicklichkeit meinen Knöchel verstaucht und beim erstbesten Haus geklingelt. Den Rest kennst du ja. Ich weiß, ich hätte gleich mit der Sprache herausrücken sollen, fand aber den Mut dazu nicht. Dann wurden die Dinge zwischen uns immer ernster und ich traute mich nicht mehr, dir die Wahrheit zu sagen." Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus und ich nahm mir zum ersten Mal die Zeit, um ihr richtig zuzuhören. Das hätte ich vielleicht viel eher tun sollen. „Mir tut es leid, dass ich einfach so abgehauen bin und nichts von mir hören lassen habe. Das war dämlich und kindisch. Aber ich war so verletzt. Ich dachte immer, unsere Liebe könnte nichts erschüttern." Nun blickte mich Anna wieder schuldbewusst an und flüsterte erneut eine Entschuldigung. „Baby, wir haben beide Fehler gemacht. Ich verzeihe dir!" „Und ich verzeihe dir! Und keine Lügen mehr, das schwöre ich." Plötzlich fiel mir der intime Moment mit Gina wieder ein. Ich musste Anna davon erzählen. „Weil wir gerade beim Thema Ehrlichkeit sind. Es gibt da etwas, dass ich dir sagen muss." Sie schluckte. „Ich habe die letzten zwei Wochen bei Pino und Gina verbracht. Sie machte den Anschein, als wäre sie nur eine gute Freundin mit einem offenen Ohr, doch du hattest Recht. Sie steht auf mich." „Hast du mit ihr geschlafen?", platzte es aus Anna heraus. Ich sah sie entsetzt an. „Natürlich nicht! Aber wir hätten uns um ein Haar geküsst." Gleichzeitig sah ich die Erleichterung und das Entsetzen in ihrem Gesicht. „Das war gleich nach meinem Anruf. Ich war tierisch betrunken und sie nutzte das aus. Das soll natürlich keine Entschuldigung sein, doch in diesem Moment wurde mir klar, wie sehr ich dich liebe und nicht ohne dich leben kann." Ich wartete angespannt auf ihre Antwort. „Weißt du was Schatz, wir haben uns beide nicht gerade von unserer besten Seite gezeigt. Lass uns dieses Kapitel abschließen und nach vorne blicken. Als Team." Ich war erleichtert, dass sie nicht böse auf mich war. Nachdem wir uns stundenlang für unser Gespräch zurückgezogen hatten, gingen wir Hand in Hand die Treppen hinunter und weiter ins Wohnzimmer. Liam und Emma grinsten als sie uns sahen. "Mama, Papa! Mann, sind wir froh, dass ihr euch wieder versöhnt habt." Die Kinder umarmten uns und wir setzten uns zusammen aufs Sofa. Mia spielte erquickend mit ihrem Lego und die Zwillinge hörten Musik. Seit langem, fühlte ich mich wieder vollkommen. Anna lag in meinen Armen und ich streichelte ihr über den Kopf. Sie fehlte mir so sehr. „Jetzt macht dein Ehegelübde gleich noch mehr Sinn." Anna sah mich verlegen an und lächelte. „Erzähl mir doch mal, welcher der erste Augenblick war, in dem du dich in mich verliebt hast." Endlich sah ich die Liebe meines Lebens wieder lachen und lauschte ihrer Geschichte.
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Butterflies in my Belly
FanfictionAnna, 34 , frisch geschieden, Mutter von Zwillingen, macht einen Ausflug in ihre Vergangenheit und trifft dabei auf ihr Teenie Idol, welcher sich als die große Liebe entpuppt. Begebt euch mit ihr auf diese Reise in ein neues Leben. Lernt auch Chiara...