56 | Herz über Verstand

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„In einem Zwiespalt zwischen dem Herzen und dem Verstand folge dem Herzen."
~Swami Vivekananda

CÉCILIA

„Warum ich? Also, ich meine, wieso wolltest du erst mich? Dann Emilia und danach wieder mich?"

„Kaum vertragen wir uns und du möchtest über die Vergangenheit sprechen, damit wir uns nochmal streiten oder wieso fragst du?"

„Ich möchte nicht streiten", sagte ich und drückte ein Kuss auf seine Hand. „Wirklich."

Devin atmet aus und nickt. Wenige Minuten später hält er das Auto an der Küste an und steigt aus. Verwirrt sehe ich ihm zu. Er kommt auf die Beifahrerseite und öffnet die Tür. „Komm.", mein Blick fällt auf seine Hand, die er mir reichte.

Lächelnd griff ich nach seiner Hand und stieg aus dem Auto aus. Gemeinsam liefen wir am Meer still entlang. Ich konnte schon spüren, dass das Gespräch gleich ziemlich ernst wird, doch ich traute mich auch nicht anzufangen.

„Du warst es immer", fing ich er letztendlich an und bleibt stehen, um mich anzusehen. „Als ich dich das erste Mal im Restaurant gesehen habe, deine Schönheit und deine Ausstrahlung einfach alles hat mich angezogen. Vor dir die ganzen Frauen hatten etwas Gemeinsames, aber du nicht."

„Was bedeutet das?", hackte ich nach und er lächelt leicht. „Die ersten Menschen, die ich getötet habe, haben ihre Kinder verlassen genau wie meine Mutter, Cécilia.", augenblicklich fielen mir Auroras Worte ein. Er erzählt mir wirklich von seiner Vergangenheit. Devin Desmond vertraut mir wirklich. „Wieso hat deine Mama dich verlassen?"

"Erinnerst du dich an Cathy? Du hast versucht sie zu retten am ersten Tag. Die Biologin kannst du dich an sie erinnern?", fragte er mich mit einem leichten Lächeln im Gesicht und ignoriert meine Frage. Ich nickte und er fuhr fort. „Sie hat ihre Tochter verlassen, um Biologie zu studieren.", spöttisch lachte er auf. „Mit der Zeit wurde ich süchtig, weil ich das Gefühl hatte, dass die Frust in mir weniger wurde, doch ich habe mich getäuscht. Anfangs waren es wirklich nur Menschen, die ihre Kinder verlassen haben, doch irgendwann nicht mehr. Desto öfter ich es gemacht habe, desto mehr hat es mich fasziniert und ich konnte nicht mehr aufhören. Dann sah ich dich und ich konnte dir einfach nicht wehtun.", er hört auf zu sprechen und sieht zum Meer.

„Ich habe ein Grund gesucht, um dir weh zu tun, aber diesen hatte ich nicht. Du hattest ein schweres Leben und jedes mal als ich dir wehtun wollte hat es nicht funktioniert und um zu deiner Frage zurückzukommen. Ich habe recherchiert und fand so einiges, was Emilia angestellt hat. Ich wollte dich loswerden und dachte, dass ich es mit Emilia hinkriegen würde, doch das hat nicht geklappt wie wir wissen. Als ich, dann festgestellt habe wie Emilia wirklich ist, wollte ich dich nicht mit ihr ersetzen. Ich konnte es einfach nicht. In dem Moment wusste ich, dass ich eine Bindung zu dir aufgebaut hatte. Selbst als ich deinetwegen im Koma lag, danach wollte ich dir wirklich weh tun. Ich habe mit dem Gedanken gelebt dich zu foltern, aber als ich dich dann das erste Mal in Italien wieder traf, waren diese Gedanken weg. Du solltest die letzte sein, danach wollte ich endgültig aufhören, doch ich konnte dir einfach nicht mehr weh tun als das, was in Deutschland vor paar Wochen passiert ist. Eigentlich sollte das auch nicht passieren, aber du hast mich so provoziert und hast es einfach darauf ankommen lassen. Ich wollte dir Angst machen zum Beispiel, dass mit der Säure, damit du dich von alleine von mir distanziert, aber nein. Du hast dich nicht von mir distanziert und ich konnte es auch nicht. Trotz, dass ich dir psychisch und physisch weh tun wollte. Bestimmt habe ich dir weh getan, aber eigentlich hatte ich ganz andere Sachen vor. Jetzt bin ich wirklich das Monster und du hasst mich noch mehr, oder?"

Ich schüttelte langsam mein Kopf. „Irgendwo bist du mein Monster, aber ich hasse dich nicht, das weißt du", einatmend legte ich meine Arme um seinen Hals. „Danke, dass du es mir erzählt hast", murmelte ich in sein Ohr und drückte mich an sein Körper. „Das, was du in der Vergangenheit getan hast, das ist falsch und unverzeihlich, aber ich komme darüber hinweg."

„Wirklich?", hackte er nach.

„Wirklich, Devin. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass ich Gefühle für dich entwickele", seufzte ich und hauchte einen Kuss auf seinen Hals. Ich blickte hoch in seine Augen. „Hast du wegen deinem Vater angefangen? Aurora hat es mir erzählt. Ich wollte dir nicht zu nahe treten, deshalb habe ich dich nie drauf angesprochen und auch wollte ich es irgendwann von dir hören."

„Habe ich mir gedacht, du warst nicht überrascht, als ich dir gesagt habe, dass meine Mama mich verlassen hat. Mein Vater war ein guter Mann, aber als meine Mama uns verlassen hat, hat er sich geändert und war nicht mehr mein Held. Er hat mich geschlagen, misshandelt und irgendwann an eine Bushaltestelle gesetzt. Der Hass gegenüber meinen leiblichen Eltern ist so groß. Mein erstes Opfer, Selin", sagte er und lachte leise.
„Es war sehr spät in der Nacht damals. Ich war auf dem Weg nachhause, dann sah ich sie im
Park wie sie versuchte ihr Kind zu verstecken. Sie stapelte ganz viele Sachen auf dem Baby, damit es erstickt. Meine Augen wurden schwarz vor Wut. Ich habe sie gepackt und mit zu mir genommen, damals hatte ich keinen Keller. Nichts. Rein gar nichts besaß ich an Foltersachen, doch ein Messer genügte.", er holte sein Handy aus der Tasche und sucht in seiner Galerie nach einem Foto. „Schau, das ist der Kleine. Er ist jetzt acht Jahre alt und wurde von einer tollen Familie adoptiert, die wollten so lange schon ein Kind, aber es hatte nie geklappt und jetzt haben sie Noah. Ich gehe ihn und alle anderen Kinder regelmäßig besuchen."

„Dank dir hat er jetzt ein tolles und die anderen Kinder sicher auch", lächelte ich und er nickte mir zu, nimmt vorsichtig mein Gesicht zwischen seine Hände. „Damals als ich Informationen über dich herausgesucht habe, habe ich nur herausgefunden, dass deine Eltern nicht existieren. Deshalb habe ich nicht weiter spekuliert, aber als ich im Nachhinein herausfand, dass deine Eltern dich weggeben haben hatte ich nur einen einzigen Gedanken. Du und ich wir hatten das gleiche Schicksal, was unsere Eltern angeht. Wie hätte ich dir weh tun können?"

Ich lächelte leicht. Ich war verwirrt. Sollte ich mich jetzt freuen, weil er mir nicht weh getan hat oder soll ich lieber weinen, dass ich trotz allem immer noch bei ihm bleibe?. „Hast du es jemals bereut?", fragte ich um meine Gedanken abzuschalten.

„Nein, diese Kinder haben ein gutes Leben jetzt. Ich bereue nur, dass ich unschuldige Menschen gefoltert habe. Es waren zwar nicht viele, aber trotzdem. Ich hatte nicht das Recht dazu. Generell hatte ich kein Recht zu so etwas, aber das ist eine andere Geschichte. Ich war einfach süchtig, das Blut hat mich fasziniert, dass ich frei experimentieren konnte und mit der Zeit war es wie Kunst für mich. Jetzt ist aber alles vorbei, das verspreche ich und versichere ich dir.", er küsst meine Stirn und sieht danach wieder in meine Augen.

„Ich weiß. Danke, dass du es mir erzählt hast und mir vertraust, Desmond."

Ob es wirklich vorbei war oder wollte ich ihm nur glauben, weil ich Gefühle für ihn entwickele? Mein Herz gehörte einem Killer und ich konnte nichts dagegen tun. Mein Herz war über meinem Verstand. Diesen Kamp hatte eindeutig mein Herz gewonnen....

DEVIN DESMONDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt