6 - Ein einziger Versuch

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Benommen erwachte ich aus dem Schlaf und sah um mich. Die Sonne war noch nicht vollständig aufgegangen und die ersten Vögel fingen an zu zwitchern. Im Wald der Stille waren nie Vögel zu hören.
Verschlafen rieb ich mir die Augen, bis die Fesseln meine Aufmerksamkeit erregten.
Sie waren nicht mehr onyxschwarz. Ganz im Gegenteil, es sah so aus als wären sie durchlässig. Augenblicklich fiel mein Blick auf den Fremden, dessen Brust sich noch immer in einem gleichmäßigen Rhythmus hob und senkte.
Langsam Begriff ich, was es zu bedeuten hatte. Es war zwar nur eine Theorie, doch alles auf der Welt zahlt irgendwann seinen Tribut. Niemand kann in der Lage sein so viel Macht zu haben und einzusetzen, ohne einen Prei dafür zu zahlen.
Ich schob die Felldecke beiseite und lief vorsichtig auf den Fremden zu.
Er bewegte sich noch immer nicht.
Zweifel plagten mich, doch ich hatte keine andere Wahl. So eine Gelegenheit zur Flucht, würde sich mir vielleicht nicht mehr bieten.
Entschlossen schlich ich zum Rand der Lichtung und suchte nach etwas hartem mit dem ich ihn bewusstlos schlagen konnte.
Schließlich griff ich vorsichtig nach einem Stein, welcher groß genug zu sein schien und schob die Schuldgefühle beiseite, die sich bildeten.
Vorsichtig lief ich auf ihn zu und versuchte meine Atmung unter Kontrolle zu bringen. Meine Hände zitterten, als ich den Stein mit beiden Händen umfasste.
Ohne weiter darüber nachzudenken schlug ich kräftig zu.
Die Fesseln leuchteten einmal bedrohlich auf und verschwanden. Sie waren weg. Ich lachte vor Freude auf und rannte zu meiner Tasche.
Zu mehr hatte ich keine Zeit, also verließ ich so schnell es ging die Lichtung. Als ich versuchte das Pferd dazu zu bringen sich zu bewegen, weigerte es sich.
Schweiß bildete sich auf meiner Stirn und mir wurde klar wie irrsinnig es war zu flüchten, wenn er ein Pferd besaß.
Ich hätte das ganze besser durchdenken müssen. Hätte ich doch nur mehr Zeit gehabt.
Doch was ich begonnen hatte, musste ich zu Ende bringen. Also rannte ich in den Wald hinein, ohne zurückzublicken. Ich rannte selbst dann, als meine Seiten anfingen zu schmerzen.
Mein Keuchen durchbrach die Stille, während sich die Farben des Himmels von dunkelblau zu orange veränderten. Ich spitzte die Ohren und versuchte verzweifelt irgendetwas nützliches zu hören. Da war Wasser. Je weiter ich lief, desto sicherer war ich mir, dass es sich um Wasser handeln musste.
Keuchend und voller schweiß zwang ich mich schneller zu rennen. Und als ich das nächste mal die Ohren spitzte entfuhr mir ein unterdrücktes knurren. Ich hörte Pferdehufen auf dem Waldboden. Er war nicht mehr weit. Aussichtslos steigerte ich mein Tempo und wäre fast die Klippe hinuntergestürzt, die vor mir aufragte. Verzweifelt blieb ich stehen und stellte fest, dass ich in der Falle saß. Vor mir erstreckte sich ein Tal und als ich die Klippe hinuntersah, war nichts als Wasser zu sehen.
Springen wäre ein enormes Risiko, denn ich wusste nicht, ob sich unter der Wasseroberfläche Felsen befanden. Mein Herz klopfte wild gegen meine Brust während ich abwegte, ob ich springen oder kämpfen sollte.
Bevor ich einen klaren Entschluss fassen konnte raste der Fremde durch den Wald und stieg von dem Ross ab. Seine Schatten um sich schlagend sah er mich mit glühenden Augen an.
Blut klebte an seiner Wange, doch die Platzwunde war vollständig verheilt.
Vielleicht war es der Schock darüber, wie bedrohlich er wirkte, doch plötzlich war mir die Schlucht willkommen.
Ich drehte mich um, nahm anlauf und sprang.
>>Warte<< rief der Fremde schockiert und ich könnte schwören, dass mich ein Schatten berührte. Doch egal was er versuchte, es war zu spät.
Der Wind peitschte mir entgegen und einen Moment lang fühlte es sich an, als würde ich niemals aufkommen. Im nächsten Augenblick raubte mir der Aufprall auf das kalte Wasser den Atem. Die wucht war so enorm, sodass ich die Kontrolle über meinen Körper verlor. Ich schrieh auf als etwas scharfes mein Bein berührte und meinen Oberschenkel aufschlitzte.
Hektisch versuchte ich auf die Wasseroberfläche zu schwimmen und als ich endlich die Oberfläche durchbrach keuchte ich und spuckte Wasser.
Ein Schatten flog an mir vorbei und fiel ins Wasser. Der Fremde.
Ich zwang meinen Körper sich in Bewegung zu setzen und ans Ufer zu schwimmen, doch ich war nicht schnell genug und nicht annähernd gut geübt im Schwimmen.
Im Augenwinkel nahm ich schwach war, wie sich das Wasser rot färbte. Mein Oberschenkel. Ich biss mir auf die Lippe und schwamm weiter.
Als ich fast am Ufer war packte mich eine Hand an meinem Nacken. Ich wurde an einen warmen Körper gepresst und benommen nahm ich wahr, wie mich starke Arme umfassten, aus dem Wasser trugen und auf etwas weiches legten. Grashalme. Ich lag auf einer tiefgrünen Wiese.
>>Das wird kurz weh tun<< warnte mich der Fremde. >>Du hast dein Bein zerfetzt Kaleana. Hier beiß darauf.<< Er steckte mir ein Stück stoff in meinen Mund und als ich versuchte mir mein Bein anzusehen drückte er mich wieder runter. Im nächsten Moment brannte mein Oberschenkel. Zumindest fühlte es sich an, als würde es brennen. Ich schrieh auf und biss in das Stück stoff hinein.
Schatten schlangen sich um meinen Körper und machten mich Bewegungunfähig. Gerade als ich dachte mein Kopf würde explodieren, hörte das Brennen auf.
Erleichterung packte mich und als die Schatten von mir abließen, rollte ich mich auf die Seite und bettete mein Gesicht auf das kühle Gras.
Schwer atmend, verfluchte ich mich für meine Schwäche.
Ruckartig wurde ich aufgerichtet und von honigbraunen Augen wütend fixiert.
Seine Hände schlossen sich um meine Arme und schüttelten mich.
>>Bist du von allen Sinnen. Kein Fae mit annähernd Verstand, der noch nicht aufgestiegen ist, würde so einen Sprung wagen. Du wärst tot, wenn ich nicht da gewesen wäre!<< brüllte er mich an.
Er hatte recht, doch Wut stieg in mir auf. Denn ich tat es, um meine Freiheit zurückzugewinnen.
>>Ich wäre nicht gesprungen, wenn du mir eine Wahl gegeben hättest. Solltest du denken ich würde mein Schicksal kampflos akzeptieren, dann bist du wohl der dämlichste Fae, der mir je begegnet ist.<< sagte ich.
>>Dämlich bist du, wenn du denkst du könntest nur einen Tag alleine überleben. Ein Kind wie du versteht nicht wie hart das Leben ist!<< knurrte er.
Ich riss mich los und traf ihn im nächsten Moment mit der Faust in sein Gesicht.
>>Du elender möchtegern Held. Mein Leben lang wurde ich herumkommandiert von Männern die dachten, das Überleben würde von ihnen abhängen.
Ich konnte meine Mutter nie kennenlernen, denn mein eigener Vater ließ sie hinrichten!
Alles was mir mein Leben lang weißgemacht wurde ist, dass ich zu nichts mehr gut sein werde als einen Brudkasten für einen weiteren nichtsnutz von König zu spielen.
Jahrelang musste ich beobachten, wie die Frauen um mich herum missbraucht wurden und darüber noch stillschweigen mussten.
Jahrelang musste ich mich gegen arrogante, dominante Männer wie dich behaupten, denn in euren Augen haben wir Frauen doch keinen Wert.
Sag mir nicht ich wüsste nicht wie hart es ist zu überleben. Sag mir nicht ich verstünde das Leben nicht und brüll mich nie wieder dafür an die Ketten, die mich gefangen halten einreißen zu wollen!<< brüllte ich mit bebender Stimme.
Er sah mir stillschweigend in die Augen, seine Fäuste geballt, sodass seine Fingerknöchel hervortraten.
Langsam schien er sich zu beruhigen und ergriff mit zusammengezogenen Augenbrauen das Wort.
>>Die Welt in der wir Leben ist scheußlich Kaleana. Nicht nur du musstest diese Wahrheit erkennen.<<

Kaleana & Tarven - Das SternenreichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt