In Gedanken versunken, nahm ich nur im Hintergrund wahr, wie wir auf das Pferd stiegen, nachdem wir unser Lager abgebaut hatten.
Ich dachte noch immer an die Erinnerung, die mir Tarven gezeigt hatte und daran, was er mir offenbart hatte.
Noch wusste ich nicht, wohin mich diese Reise führen wird und ob unser gegenseitiger Waffenstillstand halten wird, sobald wir die Grenzen zum Sternenreich überschritten haben.
Etwas in mir wollte diesem jungen Mann vertrauen, der seinen größten Schmerz mit mir geteilt hatte.
Andererseits konnte ich das Misstrauen in mir nicht gänzlich untergraben.
Versunken in meine Gedanken merkte ich nicht, wie ich immer weiter im Sattel zu versinken drohte.
Als ich drohte zur Seite zu kippen, umschlang ein breiter Arm meinen Bauch und zog mich an sich. Seine Hand ruhte auf mir, während er die Zügel fest im Griff hielt.
>>Es tut mir Leid. Das was du durchmachen musstest. Ich stand in deiner Erinnerung nur daneben und hatte das Gefühl, etwas würde mich zerreißen.<< flüsterte ich in die stille Abenddämmerung hinein.
Er atmete einmal hörbar aus und erwiderte >>Es ist schon lange her. Es macht mir nicht mehr viel aus.<<
Ich hörte die Lüge bittersüß heraus. Seine Stimme war hohl und ohne Gefühl, während seine Zerrissenheit an der Oberfläche kratzte.
>>Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Du kehrst an den Ort zurück. Du hast mich dort in der Ruine nur gefunden, weil du an diesen Ort zurückgekehrt bist. Du musst nicht leugnen, was du fühlst.<< flüsterte ich verschlafen.
Er schnaubte und ich spürte den Druck an meinem Bauch, als er seine Hand zur Faust ballte.
>>Wie fühlt es sich an aufzusteigen<< wechselte ich das Thema.
Er lockerte seine Faust und legte seine Hand wieder flach auf meinen Bauch.
>>Es fühlt sich an, als würdest du eine Ewigkeit hinuntertauchen, um dich von deiner Sterblichkeit zu lösen. Im Grunde genommen, hat es nur einige Minuten gedauert, aber für mich war es, als hätte ich Stunden versucht wieder hinaufzusteigen.<< sagte er.
Neugierig richtete ich mich auf und drehte meinen Kopf zu ihm.
>>In einigen Wochen bin ich 18. Mir wurde gesagt man hätte nur dieses eine Jahr um sich zu entscheiden. Manchmal frage ich mich, wozu man so lange leben sollte. Wofür. Ich wüsste es nicht.<< gestand ich ihm. Er sah mir tief in die Augen und schien zu überlegen.
>>Ich wollte es nicht, Kaleana. Nicht aus dem gleichen Grund wie du. Es sind Gründe, die ich nicht nennen möchte. Was ich dir aber sagen kann ist, dass es Rache war, dass mich zum Aufstieg führte. Es passierte, ohne dass ich es bewusst angestrebt habe. Aus diesem Grund war mein Aufstieg mit Schmerzen verbunden, statt Ruhe und Frieden<< offenbarte er mir mit fester Stimme. >>Du bist anders, als ich mir vorgestellt habe Tarven Carver.<< hauchte ich. >>Du auch Kaleana Weraven<< erwiderte er.
Er zog mich wieder in meine alte Position. >>Sobald es Nacht ist, werden wir die Grenze überqueren. Wir machen halt in der Stadt Metraen. Nenne vorerst nicht deinen Namen, das würde nur zu Chaos führen<< bat er mich. Ich nickte und war froh darüber, dass meine Identität vorerst geheim bleiben würde.
Im Kopf ging ich durch, was er mir alles gebeichtet hatte und konnte das Gefühl von Vertrautheit nicht abschütteln.
Der Mann, der jahrelang der Feind meines Reiches darstellte, entpuppte sich als jemand gebrochenes. Ich fing an zu Hinterfragen, ob die Motive meines Reiches ausschlaggebend genug sein könnten. Andererseits erwog ich auch die Möglichkeit, dass mir Tarven Carver bewusst die Seiten verheimlichte, die gefährlich sind. Seiten, die mich niemals dazu hinreißen würden, ihm zu Vertrauen.
Gleichzeitig musste ich daran denken, dass mein Reich mir nicht viel Gutes gezeigt hatte. Ganz im Gegenteil.
Die einzigen Menschen, die mir nun fehlten, waren Ather Dagaan und meine Amme Orubina.
Alle anderen hielten Abstand zu mir.
Bevor ich weiter daran denken konnte flog ich mit Tarven vom Sattel. Er umschlang mich schützend mit seinem Körper und nahm den gesamten Aufprall auf sich.
Unser Pferd lag auf dem Boden, wärend Blut aus ihm sickerte. Verwirrt und traurig wegen des Pferdes rappelte ich mich auf.
Im nächsten Moment wurde ich zur Seite gestoßen und sah nur noch im Augenwinkel, wie sich eine Schlinge um Tarven wand und ihn bewegungsunfähig machte.
Sie leuchtete bläulich auf. Ich sah entsetzt zu, wie er sich wand und doch nichts erreichte.
Im nächsten Moment wurde ich an meinen Haaren hochgerissen und von zwei Armen fixiert.
Ein Mann tauchte vor mir auf und betrachtete mich einmal von oben nach unten. Schließlich ließ er von mir ab und drehte sich zu Tarven um.
>>Frischfleisch. Was denkst du was die uns einbringen werden Rin<< fragte der Mann, der sich an Tarven wandte. Seine Fratze war übersät von winzigen Narben und die Kleidung abgenutzt.
Er wirkte nicht unbedingt stemmig. Und anhand dessen, wie der Mann hinter mir sein Gewicht verlagerte wusste ich, dass er nicht geübt sein konnte im Kampf.
>>Boss, eine Menge<< erwiderte der Mann hinter mir. Sein Mundgeruch ließ mich einmal aufwürden.
Er beugte sich vor und roch an meinem Haar. >>Die kleine hier vielleicht sogar doppelt so viel<< sprach er aus.
Tarvens knurren durchbrach die Nacht. Daraufhin verpasste ihm der Typ, der vor Tarven stand einen Tritt.
>>Ganz ruhig brauner<< lachte er auf.
Meine Wut stieg ins Unermässliche.
Ich tastete nach meinem Dolch an meinem Oberschenkel und machte mich bereit.
Als der Mann vor Tarven sich zu ihm vorbeugte, nutzte ich meine Chance. Mit meinem Kopf holte ich aus und hörte die Nase von dem Mann namens Rin brechen, als ich meinen Kopf nach hinten schleudern ließ.
Ich bückte mich und drehte mich mit ausgestrecktem Bein im Kreis, sodass ich Rin von den Füßen riss.
Der Mann mit den Narben richtete sich erschrocken auf und stürzte auf mich zu.
Ich schnappte nach dem Dolch und bückte mich, als er mit seiner Faust ausholte.
Er zückte ebenfalls einen Dolch und rannte unkontrolliert auf mich zu.
Schwachkopf dachte ich in meinem Kopf und grinste, als ich seinen Arm zur Seite schlug und meinen Dolch in seine Niere rammte.
Der andere Namens Rin rappelte sich auf und stürmte auf mich zu.
Mit meiner ausgetreckten Hand traf ich seinen Adamsapfel. Er fiel zu Boden und krümmte sich, während er verzweifelt nach Luft schnappte.
Der Mann mit den Narben im Gesicht sah mir erschrocken ins Gesicht, als ich mich vor ihm hinkniete.
Ich hielt meinen Dolch an seine Kehle und zwang ihn, mir in die Augen zu sehen.
>>Wie löse ich das Seil<< fragte ich bedrohlich.
>>Wasser, du musst es mit Wasser auflösen<< keuchte er. Verwirrt sah ich ihm in die Augen und schlug ihm danach mit meinem Dolch kräftig gegen seine Schläfe.
Das anerkennende Pfeifen von Tarven überhörte ich und holte stattdessen Wasser von unserer Satteltasche.
Mit dem Lederschlauch voll Wasser beugte ich mich vor Tarvin und goss den Inhalt über das Seil. Der Mann hatte die Wahrheit gesagt. Das Seil löste sich auf und vor mir ausgebreitet lag ein grinsender Tarven.
>>Ich wusste nicht, dass du so brutal sein kannst<< lachte er.
Ich grinste und bot ihm meine Hand an, die er annahm. Noch immer sah er mir in die Augen. >>Wie kommt es, dass du diese Volltrottel nicht vorhergesehen hast, wenn du sonst so bedrohlich durch die Weltgeschichte läufst.<< fragte ich mit einer Spur von Belustigung in der Stimme.
>>Ich war abgelenkt<< erwiderte er und sah mir mit einer Intensivität in die Augen, die mich zwang wegzusehen.
>>Abgelenkt<< flüsterte ich und schielte zu ihm rüber. Diese Grübchen, dachte ich und erwiderte sein Lächeln.
Tarven lief mit großen Schritten zu dem Pferd und umhüllte es mit seiner vertrauten Dunkelheit.
Ich sah ihm dabei zu, wie er es heilte und war fasziniert, als sich das Pferd wieder aufrappelte.
>>Unglaublich<< sagte ich und stieg mit ihm auf das Pferd.
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Kaleana & Tarven - Das Sternenreich
Fantasy>>Die Welt, in der wir leben, ist scheußlich Kaleana. Nicht nur du musstest diese Wahrheit erkennen.<< Kaleana musste schon Jung lernen, dass man von ihr erwartete zu gehorchen. Ihr Leben wurde danach ausgerichtet eines Tages zugunsten des Sonnenrei...