12 - Die Gabe

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Es fühlte sich an, als würde ich schon Stunden auf der Terrasse kauern.
Je länger ich darüber nachdachte, was Tarven getan hatte, desto schlimmer ging es mir.
Aus Wut rannen mir Tränen über das Gesicht, weil er mich so missbraucht hatte. Er hatte seine Magie benutzt, damit ich mich verhielt, als wäre ich einverstanden damit seine Frau zu werden.
Ich krümmte mich, als eine weitere Welle des Schmerzes ausbrach.
Einen Heiler. Noch weiter hielt ich es nicht aus. Diese Schmerzen fühlten sich nicht mehr normal an, weshalb ich mir langsam doch Sorgen machte.
Schwer richtete ich mich auf, um den Wachen vor meiner Tür bescheid zu geben.
Mein Vorhaben jedoch war vergessen, als Tarven mein Zimmer betrat und die Tür hinter sich schloss.
Ich knurrte und warf eine kleine Statue aus Stein nach ihm, die auf dem Tisch neben mir stand. Er wich gekonnt aus, sodass sie auf dem Boden landete und zersprang.
>>Wie konntest du nur<< knurrte ich in seine Richtung.
>>Du wirst es irgendwann verstehen<< versuchte er sich zu erklären, doch ich schüttelte heftig den Kopf.
>>Du hast deine Magie auf eine Weise eingesetzt, die verboten sein sollte. Du hast mir meinen Willen genommen. Du hast mir meine Entscheidung abgenommen. Du hast mich für deine Pläne missbraucht. Ich dachte tatsächlich, dass du nach dieser langen Zeit deinen Hass gegen mich abgelegt hast. Ich dachte tatsächlich für einige Momente, dass wir Freunde wären.
Ich...<< ich stockte. >>Kaleana es..<< versuchte Tarven anzusetzen, doch ich zwang ihn mit einer Handbewegung zum Stillschweigen.
Ich schrie laut auf und krümmte mich, als die Schmerzen ins Unermässliche anstiegen.
Tarven rannte zu mir und sah mich erschrocken an.
>>Hol einen Heiler<<krächzte ich und schrieh wieder aus vollem Hals.
Es fühlte sich an, als würde sich Säure in mir ausbreiten und mein Gehirn vergiften.
Ich grub meine Fingernägel in Tarvens Arme, als er nach den Wachen rief.
>>Holt Zane. Sofort!<< befahl er und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf mich.
>>Kalea, hey, sieh mich an. Sag mir wo es weh tut. Ich kann dir helfen. Du weißt es. Lass mich dir bitte helfen.<< flehte er.
Das letzte was ich wollte war, dass er seine Macht einsetzte, doch mein Verstand setzte aus und ich wollte nur noch, dass es aufhörte.
>>Mein Rücken, mein Schädel. Es ist wie Säure.<< erklärte ich und schluchzte, als die nächste Welle an Schmerzen mich traf.
Er drehte mich behutsam zur Seite und ich spürte seine Blicke auf meinem Rücken.
>>Verdammt<< hörte ich ihn fluchen.
Im nächsten Moment fühlte ich seine Hand auf meinem Rücken und das Gefühl etwas würde versuchen durch meine Haut zu dringen.
Ich schrieh auf, als es hartnäckiger wurde und krabbelte von Tarven weg.
Meine Sicht schien zu verschwimmen, als ich mich am Bettrand festhielt.
Eine Hand legte sich behutsam auf meine Schulter.
>>Dein Rücken, es. Es ist furchtbar und meine Macht. Sie kann nicht durchdringen. Ich weiß nicht was es ist, ich...<< Tarven klang völlig verzweifelt.
Das Holz ächzte, als ich fester zudrückte.
Die Tür wurde aufgestoßen und ein Mann kam rein. Ich konnte nicht mehr, als seine Silhouette ausmachen.
>>Zane, ihr Rücken<< gab Tarven mit zittriger Stimme wieder.
Der Mann namens Zane kniete sich neben Tarven und strich über meinen Rücken.
Gleißendes Licht durchflutete den Raum. Im nächsten Moment spürte ich, wie das Brennen nachließ.
Kühle Luft strich über meine schweißbedeckte Haut. Zufrieden seufzte ich auf.
>>Da war nichts, was ich hätte heilen können. Das einzige, was ich tun konnte ist sie zu beruhigen.
Etwas vergleichbares habe ich noch nie gesehen.
Ich sehe in meinen Büchern nach und berichte dir später, wenn du das wünschst.<< erklärte Zane an Tarven gerichtet.
>>Wir reden dann später<< antwortete Tarven taub.
Ich hörte Schritte und dann wie die Tür zugezogen wurde.
Im nächsten Moment wurde ich in eine feste Umarmung gezogen, der ich mich nicht entreißen konnte.
>>Es tut mir Leid<< flüsterte Tarven in mein Ohr.
Er wiegte mich, während er mir immer wieder zuflüsterte, dass es ihm Leid täte.
Sein Duft nach Kiefern und Beeren stieg mir in die Nase und wirkte so beruhigend auf mich, dass ich alles vergaß.
Die Erschöpfung nahm Besitz von mir und zog mich in eine Dunkelheit, die ich willkommen hieß.

Gähnend erwachte ich aus einem tiefen Schlaf. Ich richtete mich verschlafen auf und versuchte die letzten Ereignisse zu erfassen.
Mit einem Schlag kamen die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück. Erfreut stellte ich fest, dass die Schmerzen fort waren.
Es klopfte an der Tür.
Lia und Rinala kamen herein und sahen mir bestürzt in die Augen.
>>Wir haben gehört was passiert ist. Geht es Ihnen denn wieder gut?<< fragten sie aufrichtig.
Ich nickte und lächelte sie beide an.
Ihre Gesichtszüge glätteten sich wieder.
>>Wir sollten sie Ankleiden. Zane der Heiler und der König selbst möchten mit Ihnen reden.<< erklärte Rinala, woraufhin ich ein Nicken zustande brachte.
Nachdem ich gebadet hatte, frühstückte ich ausgiebig, bevor Rinala und Lia mir beim Ankleiden halfen.
Ich trug ein schlichtes Tüllkleid, das locker auf den boden fiel. Es war moosgrün und so leicht, dass ich das Gefühl hatte ich würde nichts tragen.
Meine Haare fielen in geschmeidigen Locken über meinen Rücken und reichten mir bis zu meinem Hintern.
Rinala und Lia flochten, mit goldenem Band, einige Stränen in mein Haar.
Als ich fertig angekleidet war, machte ich mich auf den Weg zu Tarvens Arbeitszimmer.
Im Zimmer angekommen unterbrach Tarven sein Gespräch mit einem Mann in seinem alter. Er hatte schwarzes, schulterlanges Haar und leuchtend blaue Augen. Zu meiner Überraschung war er genauso gebaut wie Tarven, bis auf die Tatsache, dass er etwas breiter war.
>>Ihr wolltet mich sprechen<< sagte ich ausdruckslos.
>>Das ist Zane, mein bester Heiler.<< stellte Tarven mir den Mann vor.
Ich nickte ihm zu und wartete.
>>Als ich versucht habe dich gestern zu heilen, konnte ich nichts finden.
Also habe ich dir lediglich Beruhigung verschafft. Nach meiner Recherche konnte ich nicht viel mehr als Vermutungen aufstellen.
Ich denke, dass egal was es war, es mit deinen Gefühlen verbunden ist.
Tarven hat mir erzählt was geschehen ist. Jetzt muss ich dich fragen, ob du das schon länger hast und wenn ja seit wann.<< richtete Zane das Wort an mich.
Ich sah zur Seite und überlegte. Das erste mal, als ich es bewusst wahrnahm war in Metraen gewesen.
>>In Metraen.<< antwortete ich knapp.
Er nickte.
>>Was weißt du über deine Gabe. Ich habe davon gehört, dass in dir Mächte ruhen sollen.<< sagte Zane und blickte mich gebannt an.
Einen Moment überlegte ich, was ich tatsächlich darüber wusste, doch da war nur eine Sache. >>Als ich geboren wurde sagte das Orakel nur, dass es Mächte vom alten Volk sein müssten. Mehr weiß ich nicht.<< antwortete ich.
Das alte Volk hatte einst fast in jeder ihrer Blutlinie unermässliche Kräfte.
Das besondere war, dass diese Kräfte nicht vom Blut weitergegeben wurden, sondern auch Jahrhunderte überspringen können, ehe sie sich zeigen. Heute gab es diese Mächte in diesem Ausmaß nicht mehr.
Viele sagen die Götter befinden die neue Generation als unwürdig, andere jedoch sagen, dass die Körper zu schwach wären.
Zane holte angespannt Luft und richtete das Wort an Tarven.
>>Ich denke, dass ihre Gabe sich zeigt, doch ihr sterblicher Körper ist zu schwach dafür. Vielen steht der Aufstieg zur Wahl, doch ich glaube Kaleana stirbt, wenn sie ihre Sterblichkeit nicht ablegt. Und da sie noch nicht das Alter erreicht hat für den Aufstieg wird das vielleicht ein Wettlauf gegen die Zeit.<<
Verkrampft sah ich zu Tarven, der Zanes Worte sacken lies.
Tarvens Augen richteten sich auf mich ehe er sprach.
>>Dann werden wir es zu verhindern wissen.<<

Kaleana & Tarven - Das SternenreichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt