Als ich Stunden später in meinem Bett aufwachte, lag ich noch minutenlang wach da und ging im Kopf das ganze Szenario des gestrigen Abends durch. Als ich daran dachte, wie zerzaust ich ausgesehen hatte, nachdem Noah verschwunden war, errötete ich wieder und um nicht weiter darüber nachzudenken, schüttelte ich den Kopf und sprang aus dem Bett. Ich griff nach frischer Wäsche aus dem Schrank und ging in das Bad. Das richtige natürlich, nahm eine schnelle Dusche und putzte mir die Zähne. Mein Spiegelbild sah mir dabei erschöpft und mit tief liegenden Augenringen entgegen. Wie abgemagert ich tatsächlich war, sah man an den stark hervortretenden Knochen und den eingefallenen Wangen. Und auch die Beine und der Bauch waren spindeldürr. Ich fragte mich, was die anderen dachten, wenn sie mich so sahen, erinnerte mich aber an den Unfall, den Josh erfunden hatte, und stellte frustriert die Zahnbürste zurück in den Becher. Sofort ging ich näher an den Spiegel und sah auch dort die Narbe, die Leyna angesprochen hatte. Dort, wo mich das Glas des Fensters getroffen hatte, nahm ich an. Ein Zittern durchfuhr meinen Körper und ich musste aufstoßen. Ich reagierte schnell und hielt den Kopf solange über die Kloschüssel, bis ich mich übergeben hatte und erneut nach der Zahnbürste griff, um den fahlen Geschmack wieder loszuwerden. Danach ging ich so schnell ich konnte die Treppe herunter um Ablenkung zu finden und nicht mehr nachdenken zu müssen.Und ich brauchte nicht lange um sie zu finden. In der Küche saßen bereits Josh und Eric, die gerade mit Leyna diskutierten. Als ich in der Küche ankam legte Josh den Kopf schräg zur Seite, wie als würde er fragen wollen, ob alles in Ordnung war und ich winkte ab. "Wenn ihr findet, dass meine Kochkünste so schlecht sind, dann macht euch euer Essen selbst!" Leyna funkelte uns alle böse an und Josh wandte sich wieder seiner eigentlichen Tätigkeit zu, nämlich mit Leyna diskutieren. "Du hast doch bloß die matschigen Spaghetti von vorgestern mit Eiern in einer Pfanne gebraten und sie mit Ketchup gemischt!" Eric sah angeekelt zu der Pfanne, die Leyna in der Hand hielt. Diese Situation kam mir so surreal vor, dass ich tatsächlich lachen musste. Leyna warf auch mir einen bösen Blick zu, musste dann aber selbst schmunzeln. "Na schön, dann bleibt halt mehr für mich." Sie setzte sich mit der Pfanne an den Tisch. "Setz dich, Claire." Eric klopfte auf den freien Stuhl, der neben ihm stand. Ich tat, wie mir geheißen, und griff nach einer Erdbeere aus der Schüssel, die vor Eric auf dem Tisch stand. Ich griff mit vollem Mund nach einer zweiten. "Heute kommst du übrigens mit mir mit, Claire." Leyna stopfte sich eine volle Gabel in den Mund und kaute laut. „Wir gehen nämlich shoppen." „Und weil das keine Frage war, gehe ich davon aus, dass ich da kein Mitspracherecht habe?" "So sieht's aus!" Leyna lachte und hatte dabei immer noch den Mund voll. Eric verdrehte die Augen und Leyna zeigte ihm den Mittelfinger. "Ist das bei euch immer so?, wollte ich wissen und Josh hob die Schultern "Man gewöhnt sich dran." Nach einer überraschend gutschmeckenden Portion Spaghetti mit Ei und Ketchup holte ich dann den Umschlag aus meiner Schublade, von dem Leyna mir erzählt hatte, und packte ihn, gemeinsam mit dem Schlüssel, in eine Tasche, die unter dem Schreibtisch lag. Dann packte ich vorsichtshalber die Kopfschmerztabletten dazu und machte ich mich wieder auf den Weg nach unten. Nicht anders zu erwarten, wurde dort auch wieder diskutiert. "Nein!" rief Leyna, während sie sich humpelnd ihre Schuhe anzog. „Heute wäschst du ab!" "Aber du bist heute dran!", rief Eric verärgert zurück. "Tja..." Sie packte kichernd meine Hand, als ich bei ihr angekommen war, und die Schuhe angezogen hatte. „Dann ist heute wohl dein Glückstag!" Ich hörte noch, wie Eric uns hinterher schrie, aber genau verstehen konnte ich ihn nicht. Oder wollte es viel eher nicht. Lachend liefen wir über den Rasen und stiegen dann in den rosafarbenen Sportwagen, der hinter dem Minivan geparkt stand. "Mein Baby", sagte Leyna und streichelte liebevoll die Motorhaube. Ich staunte nicht schlecht, als ich im Wagen saß. Ich hätte mir denken können, dass die Autos, vor denen Josh geparkt hatte, zu den anderen gehörten, nur hatte ich nicht damit gerechnet, dass Jugendliche so viel Geld besaßen, um sich solche Autos finanzieren zu können. Geschwiegen denn einen rosafarbenen Sportwagen. Es dauerte nicht mal eine halbe Stunde, bis wir das Shoppingcenter erreichten. Schneller, als Josh es mir beim Frühstück weiß machen wollte. Aber vielleicht lag es auch einfach daran, dass Leyna fuhr, als wären jemand hinter ihr her. "Sieht nicht schlecht aus", sagte ich und stieg aus dem Wagen. „Und drinnen sieht es noch viel besser aus." Sie hob anzüglich die Brauen.
Später, als wir in einem Café auf der anderen Seite des Centers saßen und Donuts aßen, sah Leyna mit einem überschwänglichem Seitenblick auf die Tüten am Boden „Ich glaube wir haben übertrieben." Ich schnaubte und sagte: „Du hast genug für uns alle gekauft." Dann sah ich zu einer Gruppe von Jugendlichen, die ununterbrochen zu uns herüber starrten. "Kennst du die?" fragte ich und nickte in die Richtung der Gruppe. "Die sind aus meiner Schule. Ignorier sie einfach." "Ich weiß nicht, ob das geht, einer kommt nämlich gerade auf uns zu." Ich beobachtete den schlaksigen Jungen, der bis über beide Ohren grinsend auf uns zusteuerte. "Ladys", sagte er, als er vor unserem Tisch stand und erwartungsvoll zu uns hinab sah. Er hatte helles rotes Haar und eine Menge Sommersprossen im Gesicht. Er war nicht besonders groß. "Was willst du?" wollte Leyna wissen und tunkte ihren Donut in ihren Kaffee. "Nur mal Hallo sagen." Er griff nach einem der Donuts, die vor uns in dem Karton lagen. Ich hatte eine Menge von ihnen gekauft, weil ich sie später für die anderen mitbringen wollte. "Hallo?", Leyna sah missbilligend dabei zu, wie er einen großzügigen Bissen nahm. Theatralisch rollte er mit den Augen und wandte den Blick von ihr ab, um mich anzusehen. "Mein Name ist Jake." Er hielt mir die Hand hin. „Mach dir nichts aus Leynas unhöflichen Art. Sie ist unverbesserlich." Ich nahm sie entgegen und schüttelte sie. "Ich bin Claire", sagte ich. "Ihr kommt auf die Party nehme ich an?" Jake nahm einen weiteren Bissen von dem Donut. „Ich finde, du und deine neue Freundin, ihr solltet kommen. Wir brauchen mal etwas Abwechslung. Frischen Wind in der Bude." „Frischen Wind in der Bude." Wiederholte ich und musste mir ein Lachen verkneifen, doch er hatte es mir angesehen, denn er lächelte, stolz auf sich selbst und seinen Witz. "Sind dir die Mädchen dahinten schon zu langweilig?" Leyna wedelte mit ihrer Hand gereizt in die Richtung, aus der Jake gekommen war. Dort saßen zwei Mädchen mit ein paar Jungen, die noch immer zu uns herübersahen, und das nicht besonders freundlich. "Ich muss dich leider enttäuschen", sagte ich, als eines der beiden Mädchen anfing zu kichern, und sah zurück zu Jake. Er grinste amüsiert. "Die Party findet bei mir statt, wo das ist, weißt du ja." Dann beugte er sich vor, um Leyna etwas Unverständliches ins Ohr zu flüstern. "Kannst du vergessen", gab sie zurück. Er schüttelte grinsend den Kopf, zwinkerte mir zu, dann ging er zu seinen Freunden zurück. "Was hat er...?" fragte ich, und Leyna hob abwehrend die Hand. "Glaub mir, das willst du gar nicht wissen."
Wieder zurück in der WG angekommen, war ich mehr als nur erschöpft und wollte so schnell wie möglich ins Bett. Leyna und ich hatten noch ganze zwei Stunden in dem Café verbracht, und auch nachdem Jake und seine Freunde bereits gegangen waren, saßen wir noch da und unterhielten uns über alles Mögliche. Beziehungsweise unterhielt sich Leyna mit mir über alles Mögliche. Der Kopf rauschte mir noch, so viele Namen und Geschichten hatte ich zu Ohren bekommen. Erst als ich mein Gähnen kaum noch unterdrücken konnte, machten wir uns endlich auf den Rückweg. Ich stand schon halb auf der Treppe, als ich mich an die Tüte in meiner Hand erinnerte, in der die restlichen Donuts lagen, und seufzte. Ich machte kehrt, um die Donuts schnell in die Küche zu bringen, und bemerkte die Jungs, die dort an dem Tisch saßen, viel zu spät, als dass ich einfach wieder unbemerkt hätte verschwinden können. Mit der Tüte in der Hand, blieb ich idiotischerweise einfach wie festgefroren auf der Stelle stehen und starrte die Typen an, die dort gemeinsam mit Noah saßen, laut Musik hörten und Chinesisch aßen. "Hey, Claire!", rief Noah mir zu, weil die Musik so laut war. Er klang betrunken. Einer der Typen stellte die Musik leiser, und alle Blicke richteten sich auf mich. "Ja", sagte einer, in demselben Tonfall wie Noah. „Hey, Claire." "Hey." Ich hob kurz die freie Hand und gab mir innerlich einen Ruck. Warum mussten diese Typen mich denn auch so anstarren? Ich fluchte leise, während ich auf den Kühlschrank zu lief und den Karton samt Tüte darin verstaute. „Möchtest du was vom Chinesen?" fragte Noah. Ich sah ihn nicht an und musterte eingehend den Inhalt des Kühlschranks. „Nein danke, ich habe schon was gegessen." Noah lachte leise. Wieder kein nettes Lachen. "Nein danke", wiederholte ich mich und nahm mir ein Wasser, bevor ich den Kühlschrank schloss und mich schnell daran machte, die Küche zu verlassen. "Komm schon, wir beißen auch nicht." Wieder der Typ, der Noah nachgeäfft hatte. Auch er klang betrunken. "Bist du dir sicher?" fragte ein weiterer unschuldig, und da lachten sie wieder. "Wir können auch andere Musik für dich spielen, wenn du möchtest. Auf was stehst du so? Taylor Swift?" Ich schnalzte verärgert mit der Zunge. "Es liegt nicht an der Musik, dass ich nichts mit euch zu tun haben möchte." Betrunkene Jungs waren das Letzte. Nein, Arschlöcher waren das Letzte. Man konnte sich auch betrunken im Griff haben, das war keine Entschuldigung sich zu benehmen wie ein Arsch. "Viel Spaß euch noch." Ich hörte sie noch lachen, während ich an ihnen vorbeiflitzte und die Treppe nach oben, zwei Stufen auf einmal nahm und die Musik lauter gedreht wurde. Noah war das Letzte.

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Lost in a Perfect Nightmare
De TodoWisst ihr wie es ist die Neue zu sein? Ganz von vorne Anzufangen und sein Altes Leben hinter sich zu lassen? Claire tut es, denn sie ist diejenigen, die ihr altes Leben hinter sich lassen muss, um neu anzufangen. Und eine Wahl hatte sie nicht .