Ich stand wie erstarrt da, meine Augen immer noch geweitet. Ein schauer durchliefen meinen Körper und ich fing an zu zittern. "Wie ist das möglich?" Seine Stimme klang plötzlich so warm. "Ich wusste, du kommst zurück zu mir. Ich wusste es einfach." Es war zu dunkel, um zu erkennen, wo genau er stand, doch der Geruch nach Apfel und Parfüm war unverkennbar. "Ich hab dich so vermisst, Claire." Ich sah ihn an, und auch wenn es dunkel war, so erkannte ich doch seine Züge. Das Blut gefror mir in den Adern, und mir wurde bewusst, dass es sich um den Jungen aus meiner Erinnerung handelte. Dasselbe Gesicht, derselbe Geruch und dieselbe Wirkung. Er hob mein Kinn und schaute mir mit einer solchen Intensität in die Augen, dass mein Atem stockte. Sein Arm schlang sich langsam und besitzergreifend um meinen Oberkörper, und dann küsste er mich. Alles verschwamm im Nebel, und ich wusste nicht mehr, was Realität und was Erinnerung war. Ich kannte seine Lippen, und er kannte meine. Mein Körper reagierte wie automatisch auf ihn. Mein Herz klopfte wie verrückt. Es war, als würde es ihn ganz genau erkennen. Nur mein Verstand wollte nicht mitspielen. Es ließ mich immer und immer wieder gegen eine Mauer laufen, eine Mauer, die sich scheinbar nie durchdringen ließ. Im Versuch, von ihm loszukommen, schob ich mich gegen seinen Körper – unfreiwillig und vergeblich. Ich konnte nicht loskommen. Seine Hand wanderte weiter auf meinen Rücken und drückte mich fester an ihn. Der Kuss war so aufdringlich und intensiv, dass mir Tränen in die Augen traten. Oh verdammt, was passiert hier gerade? "Nein... Stopp," murmelte ich in den Kuss und versuchte erneut loszukommen. "Sie hat Nein gesagt," ertönte eine aggressive Stimme aus der Dunkelheit des Waldes. Noah. Der Junge ließ von mir ab, aber nicht los. "Wer ist das?" fragte er mich und festigte seinen Griff. Ich wandte meinen Kopf ab und schaute ängstlich und verwirrt in Noahs Richtung. Er musterte uns mit wütender Miene. "Sie hat Nein gesagt!" wiederholte er und stand nun unmittelbar vor uns. "Und wenn sie Nein sagt, dann meint sie auch Nein, verstanden?" Es geschah alles viel zu schnell. Noah und seine gehobene Hand, das harte, laute aufkommen seiner Faust auf dem Gesicht des Jungen und meine Landung auf dem Boden. "Ist alles okay bei dir?" fragte Demi, rannte auf mich zu und hockte sich neben mich auf den Boden. "Was passiert hier gerade?" Ich blinzelte und starrte, immer noch unzurechnungsfähig, auf die Schlägerei der Jungen. Josh war gerade dabei, Noah und den Jungen voneinander zu trennen. Dabei geriet er aber selbst in die Schlägerei. Der Fausthieb, der eigentlich für Noah bestimmt war, traf Josh mit voller Wucht am Kiefer. Dylan versuchte währenddessen einen der drei Jungs zu packen, geriet ins Straucheln und flog selbst volle Kanne ins Geschehen. Wie gebannt beobachteten Demi und ich, wie Josh anfing, Noah zu schlagen, während Dylan hoffnungslos versuchte, den anderen Jungen davon abzuhalten, ebenfalls auf Noah loszugehen. "Claire, hörst du das?" flüsterte Demi und schaute über die Schulter. "Ich glaube, da kommt noch jemand." Ich antwortete ihr nicht. "Wir sollten lieber verschwinden." Demi zog mich am Arm, doch ich bewegte mich keinen Zentimeter von der Stelle. "Claire, bitte, da sind ganz viele Lichter, die auf uns zukommen, und ich glaube nicht, dass das Leyna ist...-" "Auseinander und Hände hoch!!" Die Jungs wurden gewaltsam voneinander getrennt und allesamt mit Handschellen abgeführt. Bei mir und Demi war es nicht anders, nur dass sie plötzlich anfing zu weinen wie ein Baby. Die Polizisten veranlasste dies letztendlich dazu, sanfter mit ihr umzugehen und die Handschellen zu entfernen. Ich ignorierte den harten Druck des Metalls auf der dünnen Haut meiner Gelenke. Ich ignorierte die Blicke der Schüler, die wie gebannt aus den Fenstern schauten und darauf warteten, wie wir in die Polizeiwägen gesetzt und weggefahren wurden. Ich schaute einfach mit leerem Blick aus dem Fenster und wartete...
Gegenwart-
"Ich nehme an, es ist endlich rausgekommen, dass wir nichts mit diesem Brand zu tun hatten?" Noah grinste schief und mir fiel erst jetzt seine Platzwunde an der Lippe auf. Und das blaue Auge das sich langsam dunkler färbte. "Und jetzt sind sie gekommen, um uns zu sagen, dass wir gehen dürfen. Es gibt keine eindeutigen Beweise, die besagen, dass wir diejenigen waren, die ins Gebäude eingebrochen sind, und den Brand gelegt haben." Officer Pearce fing an zu lächeln und öffnete ihren Mund, um etwas zu erwidern, da fing Noah an zu lachen und sagte: "Ach, wissen sie was, ich glaube, ich lag falsch. Sagen Sie mir bloß, was war es? Eine explodierte Leitung? Ein angelassener Herd?" Die Frau schloss ihren Mund und betrat selbstgefällig das Zimmer. "Verlasst den Raum. Na los, ich will euch nicht mehr hier drin haben." Sie setzte sich auf ihren Stuhl, öffnete eine neue Akte und wedelte, ohne aufzuschauen, mit der Hand in Richtung Tür. "Na los doch!" Ich sprang verwirrt auf, stellte meinen Stuhl zurück an seinen Platz und lief zu der, von Noah aufgehaltenen, Tür. "Das war's? Wir können jetzt einfach gehen?" flüsterte Demi. Josh zuckte mit den Schultern und sagte, genauso verwirrt wie ich mich fühlte: "Lass uns schnell verschwinden, nicht dass sie es sich nochmal anders überlegt." Noah lief gutgelaunt voraus und ich holte ihn mit schnellen Schritten ein. "Woher wusstest du das mit dem Brand?" fragte ich und ertappte mich erneut dabei, auf seine Platzwunde und sein Auge zu starren. "Guter Instinkt," sagte er und grinste vor sich hin. "Und wieso hast du jetzt so gute Laune?" "Ich habe keine gute Laune, Claire. Ich grinse bloß, weil ich ein arrogantes Arschloch bin." "Oh," machte ich. "Dann solltest du ab jetzt wohl immer vor dich hin grinsen." Er verdrehte seine Augen und lief wieder etwas schneller. "Wieso läufst du so schnell?" Ich versuchte mit ihm mitzuhalten und Noah sah zu mir zurück."Ich will dem Typen nicht begegnen. Und ich glaube auch nicht, dass du das möchtest." Schweigend liefen wir nun nebeneinander her, bis wir in die Eingangshalle gelangten und Said sahen. Er sah wütend aus und stand neben einer Frau, die Demi zum verwechseln ähnlich sah. "Mam!" rief Demi und lief weinend auf ihre Mutter zu. Dylan folgte ihr nur langsam. Einige Polizisten hatten einige Meter von ihnen entfernt einen Kreis um eine Person gebildet, die gerade versuchte, sich zu befreien. Sie hielten diese Person davor zurück, auf mich zu rennen. "Claire! Bitte sag diesen Polizisten, dass ich dich kenne!" Er riss seinen Arm aus dem Griff eines Polizisten und machte einen Schritt auf mich zu. Noah war stehen geblieben. Josh stellte sich vor mich. "Komm, wir gehen," sagte er. "Du musst das hier wirklich nicht länger durchmachen." Ich lächelte Josh an. "Ist schon in Ordnung. Mir geht es gut." Dann beugte ich mich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Danke, dass du dir Gedanken um mich machst. Das weiß ich wirklich zu schätzen." Er schaute überrascht und verlegen zur Seite, während Demi mir das erste Mal einen überaus ausgereiften und vernichtenden Blick zuwarf. Selbst von weitem verlor der Blick nicht an Intensität. "Claire, bitte!" Ich riss meinen Blick von Demi los und lief selbstbewusst an Josh und Noah vorbei. "Ich möchte kurz mit ihm sprechen", sagte ich. Die Polizisten ließen den Jungen los und traten ein paar Schritte zur Seite. "Was soll das alles, Claire?" sagte er verzweifelt und streckte seinen Arm nach mir aus. Ich wich zunächst aus, trat dann aber wieder näher. "Ich weiß nicht, was dein Problem ist. Ich weiß nicht woher du mich kennst und was du von mir möchtest," begann ich, "aber wenn du mich noch einmal berührst oder mit mir sprichst, ohne dass ich es möchte..." Er war verwirrt, er war sauer und er war verzweifelt. Das Ebenbild meiner selbst. Nur dass ich meine Zeit geschickt damit genutzt hatte, meine Gefühle zu verbergen und eine selbstbewusste Maske aufzusetzen. "Ich kenne dich nicht," fuhr ich fort. "Ich habe dich noch nie in meinem Leben gesehen." Ich trat näher an ihn heran. "Ich kenne noch nicht mal deinen Namen.Für mich bist du ein Niemand." Dann zog ich mich zurück, kehrte ihm den Rücken zu und lief zu meinen Freunden. Der Junge rief nicht mehr nach mir und ich drehte mich auch nicht nach ihm um. Noah beobachtete mich, während ich versuchte, so gelangweilt wie möglich auf Said zuzulaufen. "Ich bin so verdammt sauer," sagte er, und ich glaubte ihm aufs Wort. Seine Wut musste er dieses Mal nicht vortäuschen. Demi und Dylan sahen noch einmal zu uns herüber bevor sie mit ihrer schimpfenden Mutter das Gebäude verließen. Als die beiden außer Sichtweite waren ließ ich meine Maske fallen und seufzte erschöpft. Josh fing an mit Said zu diskutieren. "Weißt du was?" fragte Noah, als hätte er gerade die größte Entdeckung der Welt gemacht und beugte sich zu mir vor. "Was?" fragte ich und schaute wieder auf seine Lippen. "Ich glaube, du hast heute wirklich jeden außer mich, geküsst." Ich verdrehte die Augen und sah aus dem Augenwinkel, das Josh in seiner Bewegung stockte. "Idiot!" Ich boxte ihm in die Rippen, während er so tat, als hätte ich ihm tatsächlich wehgetan. "Na los," sagte Noah dann und hielt mir seine Hand hin. "Es ist Zeit, nach Hause zu gehen." "Du hast recht." Ich griff nach seiner Hand und ignorierte die Blicke von Josh und Said. "Zeit, nach Hause zu gehen."

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Lost in a Perfect Nightmare
Ngẫu nhiênWisst ihr wie es ist die Neue zu sein? Ganz von vorne Anzufangen und sein Altes Leben hinter sich zu lassen? Claire tut es, denn sie ist diejenigen, die ihr altes Leben hinter sich lassen muss, um neu anzufangen. Und eine Wahl hatte sie nicht .