32

4.1K 218 39
                                        

Ich wusste, dass Manipulation wahrscheinlich gegen viele ethische Prinzipien verstößt und man sie niemals bei seinen eigenen Freunden anwenden sollte. Aber ich hatte nie behauptet, ich wäre ein Engel, und ich konnte auch nichts dafür, dass Alkohol Menschen zu unüberlegtem Handeln führte. Na dann mal los... "Starrt mich nicht so an, Leute. Kann ich ja nichts dafür, dass ausgerechnet die armen, verängstigten Jungs so verdammt heiß aussehen... und am Feuer liegt das bestimmt nicht." Was rede ich da überhaupt...? Das fing ja schon mal gut an. Ayla fing an zu lachen und sagte, "Stimmt, ein ganzer Haufen angeheizter Jungs in einem Trakt klingt wie der Traum eines jeden Mädchens." "Klingt auf jeden Fall wie einer deiner Träume, Ayla", gab Leyna schnippisch zurück und torkelte leicht. "Du stehst ja auf alles, was laufen und gut ficken kann. Oder streichen wir das letztere vielleicht doch lieber. Sonst wärst du nicht so lange mit Said zusammen gewesen." Leyna sprang, etwas wackelig auf den Beinen, von dem Sofa und stützte sich an der Lehne. Die anderen fingen an zu lachen und Said sah ihr wütend dabei zu, doch er ignorierte sie. Zum Glück, denn jetzt kam ich wieder ins Spiel. Die perfekte Gelegenheit: "Ach komm, Leyna. Ich wette, wenn du noch Single wärst, dann wärst du eine der Ersten, die höchstpersönlich zum Internat gegangen wäre, um die 'armen Jungs' zu trösten." Leyna stolperte leicht zu mir rüber und kniff ihre Augen zusammen. "Was meinst du mit 'wenn ich Single wär'? Ich bin unabhängig!" Eric versteifte sich leicht. Und ich, ich hatte sie am Haken. Jetzt musste ich nur versuchen, sie so unauffällig wie möglich an mein Ziel zu locken. "Das war nicht so gemeint, Leyna. Ich meine ja nur..,. es ist einfach etwas anderes. Man verzichtet auf Dinge und wird bodenständiger, oder besser gesagt, man wird sesshafter. Ich wollte dir nicht zu nahe treten, tut mir leid." Den Rest erledigt sie selbst. "Wie bitte? Bodenständig und sesshaft? Ich bin 17! Als würde mich noch jemand davon abhalten können, Spaß zu haben." Sie beugte sich zu Eric vor und gab ihm einen Kuss. "Wir machen eine kleine Spritztour in ein brennendes Haus. Ist doch überhaupt kein Problem." Said stand auf, trat neben Leyna und hielt sie am Ellbogen fest. "Ich halte das für keine besonders gute Idee. Schlag dir den Scheiß sofort aus dem Kopf." Eric spannte seinen Kiefer an. "Und was hast du hier zu sagen?! Fass sie nicht an!" Er riss Leynas Arm aus Saids starkem Griff und starrte ihn wütend an. Josh stand auf und stellte sich zwischen die beiden. Er legte eine Hand auf Saids und die andere auf Erics Brust, um sie voneinander fernzuhalten. Sie starrten sich so an, als würden sie sich gleich gegenseitig umbringen wollen. Noch besser konnte es nicht laufen... "Keiner von euch hat hier etwas zu melden. Ich werde gehen. Punkt." Sie lächelte und drehte sich zu mir. "Na, Lust auf einen Haufen heißer Jungs?" Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu und ich fing an zu lachen. "Du spinnst doch, vergiss es." Sie hob schmollend ihre Schultern, zog Demi an der Hand und sagte, "Also, die Kleine kommt auf jeden Fall mit. Jungs stehen auf süße Mädchen wie dich." Demi schaute sich hilfesuchend um. Ihr war bewusst, dass sie sich da nicht mehr rausreden konnte. "Ähm..., also ich weiß nicht so recht..." Josh blickte nachdenklich auf und ich wusste, sein Beschützerinstinkt ging gerade mit ihm durch. Eric schaute entschlossen zu Leyna und sagte, "Ich bin dabei." Ich spürte Noahs intensiven Blick auf mir ruhen, so als würde er auf meine Reaktion warten und sich fragen, was ich nun machen würde. Wally lachte lauthals. "Ich sowieso...! Aber Leute, wartet mal, worum geht es hier grad eigentlich noch mal?" Noah unterbrach seinen forschenden Blick, stand auf und hielt mir die Hand hin. "Na, Prinzessin, machen wir uns mal auf die Suche nach deinem Prinzen." Ich lachte, als er mir auf die Beine half.

-

 "Ich kann's einfach nicht fassen. Leyna, Wally und Eric sind abgehauen und ausgerechnet wir müssen jetzt die Folgen ihrer Scheißidee ausbaden." Joshs Stimme riss mich aus meiner Trance und holte mich zurück in die Wirklichkeit. Er pustete genervt Luft aus und warf einen kurzen Blick auf Dylans Hand, die seit einiger Zeit nur noch auf einer Stelle meines Rückens verharrte. "Wir können die Zeit ja nicht mehr zurückdrehen und im Endeffekt sind wir ja freiwillig mitgegangen." Demi lächelte Josh aus müden Augen heraus an. "So freiwillig war das gar nicht." erwiderte er schmollend und streckte seine Hand nach ihr aus. Er strich ihr über die langen, braunen Haare und sagte sanft, "Wenn du willst, kannst du schlafen. Ich weck dich, wenn es was Spannendes zu sehen gibt." Sie nickte träge und legte ihren Kopf auf Joshs Schultern. Ich konnte nicht einmal mehr wütend auf sie sein. Denn das alles war überhaupt nicht Leynas Schuld gewesen, sondern meine. Ich war schuld an dem Einbruch und ich war schuld an der Festnahme. Und jetzt gaben sie Leyna die Schuld an allem. "Es ist meine Schuld", sagte ich und senkte den Blick. "Meine und nicht Leynas." "Was meinst du?" fragte Dylan verwirrt und auch Josh schaute verwirrt in meine Richtung. "Ich hatte die Idee in das..." begann ich, wurde jedoch durch ein lautes Lachen unterbrochen. "Hör auf, die Schuld auf dich zu nehmen, Claire. Wir haben doch alle mitbekommen, wie Leyna auf die Idee gekommen ist. Wenn du die Schuld auf dich nimmst, wirft das doch nur unnötige Fragen auf, die du alle nicht beantworten kannst." Ich starrte Noah wütend an und schüttelte ungläubig meinen Kopf. "Es war nicht Leynas Idee, es war meine!" "Ich glaube, Noah hat Recht," sagte Josh. "Du musst Leyna nicht verteidigen." Ich kniff meine Lippen zusammen und spannte meinen Kiefer an. Noah lehnte lässig am Getränkeautomaten und hob provozierend eine Augenbraue. Als Josh meinem Blick folgte, nickte Noah nachdrücklich und tat so, als hätte es den provozierenden Blick vorher niemals gegeben. Ich schluckte meine Wut herunter und setzte ein falsches Lächeln auf. "Ja, ihr habt recht, Jungs, das hat keinen Sinn. Belassen wir es einfach dabei." Dylans Hand fing wieder an, meinen Rücken zu streicheln. "Macht dich die Begegnung mit dem Typen im Wald denn immer noch so fertig?" Dieser Junge im Wald... Ich hatte diese Begegnung so tief wie nur möglich in mein Inneres geschlossen, nicht gewillt, auch nur eine weitere Sekunde darüber nachzudenken. 

Flashback 

Wir stapften bereits seit Stunden orientierungslos durch die Gegend und suchten wie verrückt den Abschnitt des Waldes, auf dem sich das Internat befand. "Lasst uns nach links," sagte Leyna und zog mich am Arm. "Nein, ich glaube, wir sollten weiter geradeaus gehen..." Ich schaute mich um und nickte noch einmal zuversichtlich. "Ja, geradeaus. Ich bin mir sicher." "Okay..." Wally dehnte sein okay immer dann in die länge, wenn er eine Situation komisch oder langweilig fand. Ich zuckte mit den Schultern und lächelte ihn an. "Ich glaube einfach nicht, dass jemand ein Internat so abgelegen im Wald bauen würde. Es ist Instinkt, das ist alles." "Du scheinst aber ziemlich oft den richtigen Instinkt zu haben," sagte Demi. Wollte sie mich bloßstellen?  "Gut, dann sage ich halt einfach nichts mehr." Ich ließ die anderen vorlaufen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Was ist los, Prinzessin, keine Lust mehr auf Prinzensuche?" Noah gesellte sich belustigt zu mir und wartete auf meine Antwort. "Ich brauche keinen Prinzen," antwortete ich und kickte eine leere Bierdose zur Seite. Die Dose flog gegen einen abgesägten Baumstamm und landete dann erneut im Matsch. Ich blieb stehen und starrte auf das leere Bier. Ich spürte ein aufkommendes und feines Stechen hinter meiner Stirn, das sich bis tief in die Schläfen zog. Ich presste meine Handflächen dagegen und drückte fest zu. "Claire? Was ist los?" Obwohl es nicht kalt war, fröstelte ich. "Ach nichts, ist nur das Wetter." Ich löste meine Hand von den Schläfen und lächelte. "Lass uns weiterlaufen, die anderen sind schon ziemlich weit voraus." Noah runzelte die Stirn. "Alles, was du willst, Prinzessin." Nachdenklich schaute er über seine Schulter und beobachtete eine Weile die Dose."Da gibt's nichts zu sehen, Prinzessin," sagte ich und fing wieder an zu laufen. "Komm endlich, die anderen warten nicht auf uns. Ich kann sie kaum noch sehen." Noah holte mit schnellen Schritten auf. "Du kennst den Weg sowieso besser als die anderen." " Instinkt..." begann ich, doch Noah hob abwehrend die Hände. "Alles klar, dein guter Instinkt und nichts anderes." Jetzt war ich an der Reihe, die Stirn zu runzeln. Ich seufzte und fing an mich zu beeilen, so gut es mit dem Bein ging. Tatsächlich fand ich den Weg zu den anderen ziemlich schnell. Doch nur Dylan und Josh waren zu sehen. Sie standen vor einem alten Zaun und warteten dort ungeduldig auf uns. "Die anderen sind vorgegangen," erklärte Dylan und ich nickte. War nicht anders zu erwarten gewesen. "Wieso habt ihr so lange gebraucht?" fragte Josh betont lässig, während er seine Jacke über die stachelige Stelle des Zauns warf. "Wir haben uns verlaufen," antwortete Noah, während ich mich vor den Zaun stellte. "Nach dir, Claire." Noah streckte seinen Arm aus und zeigte zuversichtlich auf die Jacke von Josh. "Vergiss es, Noah, am besten geht jemand anders vor." Dylan zuckte mit den Schultern. "Meinetwegen." Nachdem Dylan und Josh über den Zaun waren, stellte mir Noah eine Räuberleiter. Ich hielt mich zunächst an seinen Schultern fest, drückte mich dann mit voller Kraft ab und sprang. Mit einem kleinen Aufschrei blieb ich an Joshs Jacke hängen und flog mit voller Wucht auf den regendurchnässten, matschigen Boden. Keine zwei Sekunden später landete Noah neben mir und half mir lachend auf. "Bist ja ne richtige Sportlerin." "Versuch du mal, mit dem Bein über so einen Zaun zu springen!" Ich wischte mir die dreckigen Hände am beschmutzten Kleid ab. "Du solltest nicht springen, sondern klettern, du Dummerchen." Ich warf Noah einen 'Halt die Klappe'-Blick zu und er grinste. "Matschige Haare stehen dir." "Lass mich in Ruhe, Noah!" Ich lief wütend weiter. Ich sah Josh und Dylan etwas weiter die Gegend erkunden. Schnell gesellte ich mich zu ihnen, um nicht länger mit Noah reden zu müssen. "Wie siehst du denn aus?" fragte Josh belustigt und ich seufzte. "Der Boden sah so einladend aus, da dachte ich mir, umarme ich ihn einfach mal. Und jetzt kommt, wir müssen hier lang." Wortlos liefen wir weiter durch den Wald und kamen an eine Stelle, die mir auf Anhieb bekannt vorkam. Ich blieb stehen und strich über die Oberfläche eines riesigen Felsens, der mitten im Weg stand. Auf dem Felsen standen vom Regen verbleichte, mit schwarzem Stift geschriebene Worte. Ich hockte mich vor den Steinbrocken und kniff die Augen zusammen. Hinter mir spürte ich Noahs heißen Atem im Nacken, doch er berührte mich nicht. Er fasste einfach über meine Schulter und strich ebenfalls über den Felsen. "Cole...," flüsterte er, "...Faye... und Claire." "Was hast du da gerade gesagt?" flüsterte ich zurück und folgte mit den Augen Noahs Fingern, die gerade über meinen verblichenen Namen strichen. Meine Augen weiteten sich, und ich zuckte zurück. Dabei stieß ich mit dem Kopf hart an Noahs Kinn. "Ahhh verdammt!" rief er und stolperte zurück. "Ist alles okay, Claire?" rief Josh und kam angelaufen. "Was ist passiert? Was hat er getan?" "Nichts, Josh, ich bin einfach wieder ausgerutscht. Ich bin ein Tollpatsch, tut mir leid." Erleichtert pustete er Luft aus. "Gott sei Dank... Ich dachte schon, etwas wäre passiert und..." Cole, Faye und Claire..

Lost in a Perfect NightmareWo Geschichten leben. Entdecke jetzt