Josh
Ich hatte von Anfang an keine Lust auf diese Party gehabt. Ich war kein Partymensch. Zu laute Musik, zu viele betrunkene Leute auf einem Haufen, die Scheiße bauten, nur um diese dann am nächsten Tag wieder zu bereuen. Darauf konnte ich verzichten. Ich spazierte umher und erst als ich anfing, mir Gedanken darüber zu machen, was die anderen so trieben, machte ich mich auf den Weg zurück zu Jakes Party. Das Sofa im Springbrunnen war Beweis genug dafür, dass vor wenigen Augenblicken noch Betrunkene in dem Garten herum gewütet hatten. Ein nackter Typ schwamm auf einem aufblasbaren Flamingo im Pool und schnarchte. Ich runzelte die Stirn und machte mich auf den Weg in Jakes Haus. Die Musik war leiser gedreht worden und ein riesiger Kreis hatte sich um ein Mädchen gebildet, das auf einer Stufe saß und den Kopf in den Nacken hielt. Sie presste sich ein Tuch auf die Nase. Ich stieß die Leute, die im Weg standen, zur Seite und erkannte Ayla auf der Stufe sitzen und Marie, die auf Jake einbrüllte. Sie sah wütend aus, das Haar stand ihr zu Berge. Und was kaum zu übersehen war, ihre Knutschflecken am Hals. Noah. Ich hatte keine Ahnung, wieso er das machte. Ich machte mich auf die Suche nach meinen Freunden. Etwas entfernter in der Küche, und nicht anders zu erwarten, diskutierte Leyna mit Eric. "Du hättest ihr doch nicht gleich die Nase brechen müssen!", rief dieser wütend. "Sie wollte es aber nicht anders!", erwiderte Leyna, und klang seltsam gefasst dabei. "Ach ja?" Eric schnaubte. „Hat sie dich etwa darum gebeten?" "Ja, das hat sie! Indirekt." Leyna fasste sich beleidigt an die Stirn. „Außerdem habe ich selbst etwas abbekommen. Die Kopfnuss hat mich selbst schwer erschüttert." "Zeig mal her." Er seufzte, musste sich jedoch angestrengt ein lachen verkneifen. "Ernsthaft?" fragte ich und grinste, während ich näher kam. „Eine Kopfnuss auf die Nase?" Nun fing auch Eric an zu lachen. „Das findet ihr lustig, ja?" Leyna schmunzelte. "Ich werde einen blauen Fleck auf der Stirn bekommen." Sie nahm die Hand vom Kopf und Eric tat so, als hätte er eine Lupe in der Hand um sich die Stirn anzusehen. „Sieht gut aus, die Stirn." Leyna schob ihn lachend beiseite. "Was ist denn so lustig?" Wir drehten uns unisono herum. Claire stand da und krallte sich an Noahs Oberarm fest. Er lehnte am Türrahmen und beobachtete uns stumm. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu und er hob provozierend eine Braue. "Was ist passiert, Claire?" Ich sah besorgt zu ihr. Sie hatte Noahs Shirt an und am Arm trug sie einen Verband. "Claire hatte ihren Spaß?" wollte Leyna fragend wissen und Claire runzelte die Stirn. "Hä?" machte sie und Noah schüttelte genervt Claires Hand ab, mit der sie sich an ihm festgekrallt hatte. Ihre Wangen waren gerötet und ich bemerkte, wie wackelig sie auf den Beinen war. Blanke Wut stieg in mir auf, als ich auf die beiden zulief. "Hast du sie abgefüllt und dann gefickt, so wie du es mit allen machst?" Ich schob Claires Haar beiseite und schaute mir ihren Hals an, konnte aber keine Knutschflecken entdecken. "Was machst du da?" fragte Claire mich verwirrt und trat einen Schritt zurück. Noah sagte nichts. Ich war so wütend. Noah machte mich so wütend. "Alles gut bei dir, Leyna?" fragte Noah und ignorierte mich. Ich verließ die Küche. Claire sah mir fragend hinterher, doch ich ignorierte auch sie. Dabei stieß ich Noah mit der Schulter beiseite. Im Wohnzimmer sammelte Jake gerade hektisch Alkoholflaschen und leere Drogenpäckchen auf und stopfte sie in eine Mülltüte. "Was ist los?" fragte ich ihn, als er an mir vorbeirannte und die Eingangstür abschloss. Es waren kaum noch Leute da. "Irgendjemand hat die Polizei gerufen, nachdem der Krankenwagen für Ayla kam," antwortete er und rannte weiter. Ich lief ans Fenster und sah Streifenwagen vorfahren. Mit schnellen Schritten lief ich zurück zur Küche und schluckte meine Wut und meinen Stolz herunter. "Leute," sagte ich und bemühte mich, ruhig zu bleiben. „Wir müssen sofort weg hier."
Claire
"Was ist los?" fragte Noah misstrauisch. "Die Polizei ist los," antwortete Josh angepisst. „Wir müssen sofort weg." „Verdammt!" Leyna bekam große Augen. "Ich darf auf keinen Fall erwischt werden! Wenn Petra das herausfindet, bin ich so am Arsch!" "Wieso?" Ich sah fragend in die Runde und Eric machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. "Leyna wurde mal verhaftet." "Verhaftet?", wiederholte ich entsetzt, doch Leyna schnalzte bloß verärgert mit der Zunge. "Meine Eltern haben Petra ein Vermögen dafür bezahlt, mich von Partys fernzuhalten, und wenn ich sie das nicht schafft, schicken sie mich woanders hin." Sie ging an das Fenster und sah hinaus. "Wir müssen hier sofort raus." Dann ging sie zur Tür und sah zu ihnen zurück. "Worauf wartet ihr noch?" Eric lief ihr hinterher. Noah war ganz die Ruhe selbst. Er rührte sich nicht mal von der Stelle. "Wir können nicht einfach vorne heraus spazieren. Leyna stoppte in ihrer Bewegung und Eric lief in sie hinein. "Wieso nicht?" "Denk doch mal logisch," erklärte Josh. Er stand jetzt neben Noah. Ein komischer Anblick. "Die Polizei kommt von vorne und Jake hat abgeschlossen um Zeit zu schinden." Er klang wie jemand, der einem Kind erklären musste, wieso es keinen Sinn machte, sich einen Stift in die Nase zu stecken. Ich lief zum Fenster und sah hinaus. Polizisten bahnten sich mit Taschenlampen in den Händen einen Weg durch den Garten. Es standen ziemlich viele Sofas im Weg. "Sie sind schon im Garten," sagte ich und Eric rannte zu mir an das Fenster. Er war genauso hibbelig wie Leyna. "Sie hat recht!" sagte er. Leyna raufte sich die Haare. „Was mach ich denn jetzt?" Ihre Stimme bebte. „Wir müssen von hinten raus. " Josh packte mich am Handgelenk. Noah nickte und sagte nichts, als er aus der Küche ins Wohnzimmer lief. Wir sprachen nicht, während wir ihm alle in einer Reihe hinterherliefen. Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte ich bestimmt angefangen zu lachen, weil wir aussahen wie hintereinander herlaufende Babyenten. Hektische, betrunkene Babyenten. Ich stolperte gerade über eine leere Wodkaflasche, als die Eingangstür aufgetreten wurde und jemand "Alle stehen bleiben!", schrie. Sie hätten wenigstens klopfen können. Leyna, die vor mir lief, fing plötzlich an zu rennen. "Wohin rennst du?!" rief ich und fing ebenfalls an zu rennen. "Keine Ahnung!" rief sie zurück. Warum musste Jakes zu Hause auch so groß sein? Noah überholte Leyna und rannte nach rechts in einen kleinen Seitenflur. Es waren auf jeder Seite mehrere Türen, die dicht beieinanderstanden. Noah wurde langsamer und stoppte am Ende des Flurs. Dann zog er an einer von der Decke hängenden Schnur und die schweren Vorhänge, die das Fenster verdeckt hatten, öffneten sich auf beiden Seiten. "Das ist gruselig," sagte ich, aber keiner antwortete. "Die sind abgeschlossen." Josh rüttelte an den Griffen. "Warum haben wir kein anderes Fenster genommen? Du musst doch gewusst haben, dass sie abgeschlossen sind!" "Weil die Cops uns sonst gesehen hätten!" zischte Eric, anstelle von Noah, und versuchte ebenfalls, das Fenster zu öffnen. Leyna wippte mit dem Fuß nervös auf und ab. „Noah, tu irgendwas!" Ich überlegte und sah mich um. Ich spazierte etwas weiter den Flur zurück, bückte mich und nahm eine solide wirkende Vase in die Hand. Die wog ganz schön was. Dann nahm ich mit der Vase in der Hand Anlauf und Josh und Noah sprangen schnell zur Seite, als ich an ihnen vorbeiraste. Die Vase warf ich mit voller Wucht gegen die Scheibe und das Fenster zersprang mit einem lauten Knall. Josh fing mich auf, als ich zurückstolperte und als ich wieder alleine stehen konnte, sah ich Eric, der ohne Shirt am Fenster stand. Er legte es über den Fensterrahmen, von dem noch spitze Scheiben abstanden, boxte sie ab. Dann stiegen sie alle aus dem Fenster, Leyna gefolgt von Eric und Josh. Ich wartete darauf, dass Noah voranging, aber er schüttelte den Kopf. "Du gehst zuerst." "Noah, komm schon, geh vor." Er schüttelte wieder den Kopf. Ich seufzte, denn es hatte keinen Sinn zu diskutieren. Ich stemmte mich am Shirt ab, da ertönten laute Schritte hinter uns und jemand rief: "Sofort stehen bleiben!" Mich überkam Panik und ich rutschte ab. "Verdammt!" Noah packte mich an der Hüfte, dann hob er mich hoch und warf mich einfach aus dem Fenster. Als wäre er sich sicher, dass mir gleich ein paar verdammte Flügel wachsen würden! Ich kam verdattert auf die Beine, sehr hoch war das Fenster nicht gewesen, und sah Noahs Bein, das verloren aus dem Fenster ragte. Er hätte schon längst springen müssen. Ich machte ein paar Schritte zurück, um besser sehen zu können, was Noah daran hinderte, mit dem Rest seines Körpers aus dem Fenster zu schwingen, da sah ich einen Polizisten, der ihn am linken Bein gepackt hielt. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, um ihm zu helfen, und sah mich hilfesuchend um. Die anderen waren schon viel zu weit vorgerannt. "Lauf endlich!" rief Noah, während er immer noch versuchte, sich dem Polizisten zu entreißen, da fing ich an zu kreischen. Ich wusste selbst nicht, dass ich so laut schreien konnte. Der Polizist, total aus dem Konzept gebracht, lockerte seinen Griff um Noahs Bein etwas, und als endlich das dumpfe Geräusch neben mir ertönte, hörte ich auf zu kreischen. Noah war gesprungen und stand wie eine Eins neben mir. Dann nahm er meine Hand und riss mich mit sich. Er verschwendete keine Zeit. Wir rannten schnell, doch ich war mir sicher, dass der Polizist genauso schnell war wie wir. "Wohin-" fragte ich und keuchte. „Rennen wir?" Bei dem Tempo, das Noah hinlegte, konnte ich keinen zusammenhängenden Satz hervorbringen, ohne nach Luft schnappen zu müssen. Noah beschleunigte das Tempo sogar noch und antwortete nicht. Irgendwann wurde er dann langsamer und wir stoppten vor einem Zaun. "Keine Diskussion," sagte er. „Du gehst als Erste." Ich nickte und schaute hinter mich. Von weitem sah ich jemanden mit einer Taschenlampe suchend in der Gegend rumwedeln. "Beeil dich," zischte er ungeduldig und hielt die Hände zu einer Schale geformt aneinander. "Na los!" sagte er leise und duckte sich. Vorsichtig stellte ich mich auf seine Hände. "Jetzt sind wir richtige Räuber!" flüsterte ich begeistert, während er seufzend die Arme hob. Mit Leichtigkeit schob er mich den Zaun hinauf und erneut kam es mir so vor, als würde ich für ihn nichts wiegen. Den restlichen Teil des Zauns zog ich mich selbst hinauf und oben angekommen, schlug ich die Beine über das Gitter und wartete. In Sekundenschnelle kletterte Noah mir hinterher. Der Zaun wackelte durch unser gemeinsames Gewicht. "Machst du das eigentlich öfters?" fragte ich, um meine Angst zu überspielen. Der Zaun war wirklich hoch. "Ist das eine ernst gemeinte Frage?" Er sprang mit einem Satz auf die andere Seite. So ein Angeber. Der Zaun wackelte und ich umklammerte das Gitter fester. "Von unten sah das nicht so hoch aus." Skeptisch biss ich mir auf die Unterlippe. "Claire, spring bitte einfach." "Wie du willst." Er sollte nicht bemerken, was für eine Angst ich hatte. Ich kniff meine Augen fest zusammen und ein Ruck durchfuhr meinen Körper, als ich Noah folgte und sprang, dabei aber doch nicht so hart landete, wie erwartet. "Siehst du, du musst keine Angst haben." Noah hatte mich aufgefangen und nun lag ich in seinen Armen. Wir sahen uns in die Augen und ich lächelte, weil er die Brust hob wie ein stolzes Huhn. „Danke," sagte ich und er lächelte zurück. Leider ließ er mich viel zu schnell wieder los. „Nichts zu danken." Er wandte sich von mir ab. „Na los, Angsthase. Wir haben einen weiten Weg vor uns." "Ich bin kein Angsthase!" Er schnaubte. „Wirklich nicht!"
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Lost in a Perfect Nightmare
RandomWisst ihr wie es ist die Neue zu sein? Ganz von vorne Anzufangen und sein Altes Leben hinter sich zu lassen? Claire tut es, denn sie ist diejenigen, die ihr altes Leben hinter sich lassen muss, um neu anzufangen. Und eine Wahl hatte sie nicht .