Prolog

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"Aua! Pass doch auf, wo du hintrittst, Claire!" Faye hüpfte wild in der Dunkelheit umher. Es war stockdunkel. "Pssht!" zischte ich und hielt sie am Arm fest. Wir blieben beide stehen und sagten nichts, bis wir uns sicher waren, dass uns keiner gehört hatte. Hätte man uns nach Anbruch der Nachtruhe auf dem Flur erwischt, wäre alles umsonst gewesen – unsere stundenlange Planung am Abend zuvor, die Besorgungen, die wir gemacht hatten, und auch die ganze Vorfreude.Der Plan war nahezu perfekt gewesen. Fertiggemacht waren wir in unsere Bademäntel geschlüpft und pünktlich um 22 Uhr über die Feuerleiter durch das offen gelassene Fenster in das Foyer geklettert. Dort hatten wir unsere Mäntel sorgfältig in vorbereitete Plastiktüten im Mülleimer versteckt und waren dann die große Treppe im Eingangsbereich hinuntergeschlichen. Einen Moment lang standen wir reglos im Dunkeln und sahen uns an. Fragend hob ich die Braue und auf Fayes Nicken hin öffnete ich die schwere Tür. Wir standen auf dem Schulgelände und steuerten auf den anliegenden Wald zu. "Die anderen warten schon auf uns," flüsterte ich und nahm Faye bei der Hand. "Es dauert nicht mehr lange." Der Wald wirkte zunächst vollkommen still, doch nach einigen Metern hörten wir die lauten Stimmen und das Knacken der Äste unter den Füßen der anderen. "Das müssen sie sein." Ich machte mir nicht mehr die Mühe zu flüstern. Je weiter wir uns von der Schule entfernten, desto lauter wurden wir, weil wir uns sicher fühlten. Als würden die dicht stehenden Bäume auch unser Gelächter zurückhalten, als bildeten sie eine Mauer, die uns in Sicherheit wiegte. "Wir haben es wirklich geschafft." Faye riss mich aus meinen Gedanken. "Ich dachte schon, wir würden uns verlaufen." Ich rollte bloß mit den Augen. Sie hatte von Anfang an Zweifel an dem Plan gehabt, dabei hatten wir es sonst auch immer geschafft, ohne erwischt zu werden, herauszuschleichen – und das sogar ohne stundenlanges Planen. "Da kommt Cole." Sie ließ meine Hand los. "Ich lasse euch allein." Faye verschwand so schnell in der Dunkelheit, dass es fast aussah, als hätte der Wald sie verschlungen. "Ich dachte schon, du kommst nicht mehr," Cole drückte mir einen Pappbecher in die Hand und zog mich an sich. "Ich würde mir doch meine eigene Geburtstagsparty nicht entgehen lassen." Ich nahm einen großen Schluck und gab mir Mühe, nicht sofort das Gesicht zu verziehen. "Ich hasse das Zeug," sagte ich, dann nahm ich gleich darauf einen weiteren Schluck. "Und trotzdem trinkst du es immer wieder." Cole schlang amüsiert seinen Arm fester um meine Hüfte. "Wir wollten eigentlich schon losgehen, aber dann haben wir doch noch gewartet." "Wie nett von euch," antwortete ich sarkastisch und leerte meinen Becher mit einem Zug. Schnaubend warf ich ihn zur Seite. "Uns einfach zurücklassen, obwohl wir heute wegen mir feiern." Er bemerkte den Ärger in meiner Stimme nicht und zuckte bloß schmunzelnd mit den Schultern. Fest an sich gedrückt, navigierte er mich zu den anderen. "Gehen wir dann endlich los?" Faye verschränkte die Arme vor der Brust und schob ihren Absatz geräuschvoll auf dem Boden hin und her, während hinter ihr Coles bester Freund Casper den Alkohol in seinem Rucksack verstaute. "Klar," gab ich zurück, löste mich von Cole und lief auf Casper zu. "Brauchst du Hilfe bei deinem... Tetrisspiel?" Ich legte den Kopf schief zur Seite. Er warf den Kopf in einer übertriebenen Geste zurück und lachte laut auf. Er hatte schon immer einen Hang zur Dramatik. "Nein, wir sind so gut wie fertig, und wenn jeder von uns ein Bier in die Hand nimmt, passt auch alles." Er warf sich den Rucksack über die Schultern. "Wir können los." Ich nickte und sah mich nach Cole und Faye um, die sich einige Meter weiter leise und aufgebracht miteinander unterhielten, während Cole immer wieder einen zerwühlten Blick in meine Richtung warf. Ich runzelte die Stirn und wollte gerade ihre Richtung ansteuern, da drückte mir Casper ein Bier in die Hand und lächelte verschmitzt. "Anstoßen?" Ich lächelte zurück und nickte. "Ja, warum nicht." Er öffnete sich seine Flasche mit den Zähnen und spuckte den Bierdeckel zur Seite. Seine Augen blitzten, als er mir zuprostete. "Auf dich, Claire!" sagte er und nahm einen Schluck. "Auf mich," wiederholte ich und hob das Bier an die Lippen. Ich nahm gleich mehrere Schlucke und pustete tief den Atem aus, nachdem ich die Flasche wieder absetzte. Einige Sekunden stand ich unbeholfen da und wollte erneut nach Faye und Cole sehen, da packte mich Casper urplötzlich am Oberarm und zog mich zu sich. "Casper?" fragte ich verwirrt und zog den Arm zurück. "Was soll das?" Ich sah von ihm zu Faye und Cole und dann wieder zu ihm zurück, da zuckte er leichtsinnig mit den Schultern und grinste. "Du verbringst einfach zu wenig Zeit mit mir." "Ich verbringe zu wenig Zeit mit dir?" wiederholte ich fassungslos seine Worte und Casper nickte. "Ja, genau. Ständig hängst du mit Faye oder Cole ab, aber für mich hast du keine Zeit." Ich schüttelte ungläubig den Kopf und drehte mich misstrauisch zu den anderen um. Die beiden diskutierten immer noch miteinander. "Sag mal, Claire," ich schaute unsicher zu ihm zurück. Ich war immer noch verwirrt. Da war dieses seltsame Gefühl in meiner Brust, das ich nicht zuordnen konnte. Und bildete ich mir das nur ein, oder sah Casper, so wie er mich ansah, für seine Verhältnisse sogar ein wenig schuldbewusst aus? "Ja?" fragte ich vorsichtig und auch ein wenig gespannt. "Der ganze Alk, die ständigen Partys, all dein Zeug..." Er räusperte sich und ich hob wartend eine Braue. "Wie kannst du dir das alles leisten?" Ich kniff die Augen zusammen, bevor ich fragte: "Stört es dich?" Beschwichtigend hob er die Arme. "Es wundert mich bloß, das ist alles." "Meine Eltern sind reiche Wichser, die keine Lust hatten, sich um mich zu kümmern und jetzt versuchen, das mit Geld wieder gut zu machen, indem sie mir alles bezahlen." Ich zuckte mit einer Schulter. "Aber das wisst ihr doch schon." "Ja, das wissen wir schon." Er musterte mich aufmerksam und misstrauisch zugleich, und ich runzelte die Stirn. Ich wusste nicht, woher das ganze Geld kam, und das wussten sie. Es war einfach immer da, und hinterfragt hatte ich es nie. Ich wusste nur, dass ich mein ganzes Leben in diesem verfluchten Internat verbracht hatte, weil man mich kurz nach meiner Geburt wie Müll vor den Türen der Kirche auf dem Internatsgelände abgelegt hatte. "Ganz ehrlich," sagte ich, "es ist mir egal. Außerdem profitieren doch alle davon." Dann schreckte ich auf, als Casper laut rief: "Leute! Könnt ihr euch bitte beeilen, Claire langweilt sich!" Ich wurde rot und sah erneut über die Schulter, damit Casper es nicht bemerkte. Cole strich sich das Shirt glatt, während er auf uns zulief, und Faye ignorierte mich, als sie sich zu Casper stellte und nach ihrem Bier fragte. Cole drückte mich wieder an seine Seite, so als wäre nichts gewesen. Und dann gingen wir los.

Lost in a Perfect NightmareWo Geschichten leben. Entdecke jetzt