Als meine Tränen aufhörten sich über meine Wangen zu ergießen, waren die einzigen Geräusche im Raum unsere Atemzüge. Ich genoss diese Stille. Sie verband uns, auf eine andere Art und Weise. Diese Stille war nackt und entblößte unsere verhaltenen Seelen und das ohne Worte. Dieses Gefühl war unbeschreiblich. Ich schloß die Augen und summte, ohne es zu bemerken vor mich hin. Bis mich Noahs tiefes lachen aus der Trance riss. Er lachte? Ich öffnete die Augen und schaute direkt in die Seinen. Er sah belustigt auf mich herab. Sein Blick war weich und er strich mir zart über die Wange. Diese kleine Berührung brannte auf meiner Haut und verursachte in meinem ganzen Körper ein Gefühl, das ich vorher so noch nie gespürt hatte. Mit einer flüsternden Stimme fragte ich: "Kann ich heute hier bleiben? Bei dir?" Noah versteifte sich. Ich hatte das Gefühl er führte einen Inneren Kampf mit sich, der jedoch so schnell wieder vorbei war, wie seine Hand die er ruckartig von meiner Wange zog. Plötzlich setzte er dieses typische Arschloch grinsen auf. "Ach Prinzessin, wenn ich gewusst hätte, das ich dich mit meinen Geschichten so schnell ins Bett kriegen würde, hätte ich dir viel früher davon erzählt." Ich hatte keine Lust mehr auf diese Spielchen. Nicht Heute. Nicht nach diesem Gespräch. Also machte ich genau das was er nicht erwartet hatte. Ich blieb einfach liegen und verschränkte die Arme ineinander. Ich wusste er wollte mich mit seinem Kommentar vergraulen, also sah ich ihn nur abwartend an. Über was er wohl so angestrengt nachdachte? Ich wollte gerade etwas sagen, da spürte ich wie er zögernd seine Hand auf meine Wange legte. Obwohl ich so wütend auf ihn war, ließ mich diese einzelne Berührung alles wieder vergessen. Seine Stimme war jetzt nur noch ein hauchen; "Claire, Ich glaube du solltest jetzt besser gehen." Er klang so ernst und entschlossen, wie noch nie und es traf mich wie ein Schlag, denn ich wusste er meinte es ernst. Er wollte mich nicht. Es tat weh so zu tun, als würde es mir nichts ausmachen, doch ich gehorchte und setzte mich auf. Als ich aufstehen wollte legte Noah noch einmal seine Hand auf meine. Ich wollte mich nicht umdrehen, denn mir waren Tränen in meine Augen geschlichen. Seine Stimme klang zögerlich: "Du machst ihn so glücklich ...und er war seid ihrem Tod nicht mehr so glücklich, Claire. Ich kann ihm das nicht wegnehmen, egal wie sehr ich es auch möchte..." Er musste nicht weitersprechen, ich verstand. "Claire", sagte er vorsichtig., doch ich stand auf, und als ich bei der Tür angekommen war, drehte ich mich noch einmal zu ihm zurück. Ich dachte der Abstand zwischen uns wäre groß genug doch diese Verbundenheit die ich ihm gegenüber verspürte, hatte wohl keine Räumlichen Einschränkungen. Dafür war sie viel zu intensiv. "Und was ist mit deinem Glück, Noah? Du solltest auch glücklich sein dürfen." Mit diesen Worten drehte ich mich zur Tür und als ich die Hand auf die Türklinke gelegt hatte hörte ich ihn flüstern: "Wer sagt denn das du nur ihn glücklicher machst..." Mein ganzer Körper zitterte. Jeder Muskel, jede einzelne Faser. Ich spürte wie meine Lippen sich zu einem traurigen lächeln formten, das nicht lange anhielt, denn wir beide wussten das er von einem Glück sprach, das noch viel größer sein konnte. Für uns beide. Es für ihn jedoch nicht sein durfte. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verließ ich Noahs Zimmer und atmete auf dem Flur erstmal tief aus. Dann wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und wollte gerade in mein eigenes Zimmer, da bemerkte ich das angehende Licht im Untergeschoß und überlegte es mir anders. "Josh bist du das?" fragte ich und lief die Treppe herunter. "Wer denn sonst?" antwortete er belustigt, gefolgt von lauten Geräuschen eines sich öffnenden Küchenschrankes "Wer hat Essen gemacht?" Ich setze mich an den Tisch und schob die Schüssel mit den übriggebliebene Nudeln vorsichtig zu Josh. "Kannst du haben." "Das hat Noah gemacht, oder?" "Und wenn schon" erwiderte ich und zuckte mit den Schultern. "Probier mal, schmeckt richtig gut." Josh setze sich zu mir und nahm sich eine Gabel. "Er hat schon echt lange nicht mehr gekocht." murmelte er und begann dann zu essen. "Und", fragte ich um das Thema zu wechseln. "Wie stehst du zur kleinen Demi?" "Du weißt aber das Sie größer ist als du, oder?" Josh hob amüsiert seinen rechten Mundwinkel. "Na und" erwiderte ich grinsend. "Ich will eigentlich nur herausfinden wie sie so drauf ist, wenn du sie magst." "Ich glaube schon, das da Interesse besteht." Josh schob die leere Schüssel von sich und schaute mir herausfordernd in die Augen. "Was wäre, wenn ich dir sage das ich sie mag?" "Ich würde mich sehr für dich freuen." Ich lächelte Ihn an und fügt ehrlich hinzu, "Ich müsste nur nochmal sicher gehen das es meinem Brüderchen an nichts fehlt, wenn es dann soweit ist." Bei dem Wort Brüderchen versteifte sich Josh kurz und ich wollte mir schon vor entsetzten auf die Stirn schlagen, da hoben sich, kaum merklich, Josh's Mundwinkel und seine Augen leuchteten auf. "Ein 'Brüderchen' bin ich also für dich ja?" "Wenn es dir nichts ausmacht", Ich sah auf meine Hände. "Ich habe ihr kaum etwas über mich erzählt und kenne sie auch überhaupt nicht richtig und trotzdem habe ich das Gefühl das sie eins dieser Puzzleteile ist, das mir schon so lange fehlt. Ich weiß das klingt komisch..", erklärte er sich. "Nein, eigentlich klingt es überhaupt nicht komisch." erwiderte ich. "Aber was meinst du mit 'Puzzleteil'?" Er seufzte und stand plötzlich auf. "Ich weiß nicht genau." Dann schob er seinen Stuhl an den Tisch und nickte mit dem Kopf in Richtung Wohnzimmer. Ich stand ebenfalls auf und befahl meinen müden Beinen, Josh in das Wohnzimmer zu folgen. "Ich weiß nicht wie ich es dir erklären soll.." begann er. Ich setze mich auf das Sofa und kuschelte mich in eins der weichen Kissen. "Hast du dich jemals verloren gefühlt?" fragte Josh wie aus der Pistole geschossen und ich hob belustigt den Kopf. "Ich glaube da fragst du genau die Richtige." "Oh, tut mir leid!" Josh schüttelte den Kopf und fing an zu lachen. "Was für eine dumme Frage." "Ich denke wir fühlen und alle mal verloren" sagte ich und legte meine Beine auf die von Josh. "Ich fühle mich nicht nur verloren ich fühle mich leer, so als würden teile von mir fehlen." "Und wie genau sind diese Teile verloren gegangen?" fragte ich vorsichtig und dachte, er würde mir vielleicht seine Sicht der Dinge schildern, jetzt wo ich die andere kannte, doch Fehlanzeige. "Ich weiß es nicht", antwortete er stattdessen und ich wusste das er log. Ich wusste es, weil er mir gerade nicht in die Augen schauen konnte und nervös an dem der Kissen rum zupfte, das auf seinem Schoß lag. "Demi ist also eines der Teile das dir hilft dich zu vervollständigen", sagte ich und gab Josh damit seinen erwünschten Anstoß. "Ich weiß das das verwirrend klingt, gerade weil sie ein Teil ist, von dem ich nicht wusste das er fehlt." "Okay.." sagte ich langgezogen und wartete. ich wusste nicht in welche Richtung sich das Gespräch entwickeln würde. "Vor langer Zeit habe ich meine Familie verloren" sagte Josh ganz leise und nach langem überlegen. "Drei Teile die mir gewaltsam entrissen wurden und nie wieder zurück kommen werd." Drei Teile? "Als sie gestorben sind, bin auch ich verloren gewesen. Natürlich nicht wirklich. Es war, als wäre meine Seele mit ihnen gegangen und hätten nur einen leeren Körper zurück gelassen, der nicht mehr richtig funktionierte, kann weil seine wichtigsten Teile fehlten. Puzzleteile können die Lücken nur bruchweise ersetzen, aber es hilft, wenn man einen findet. Ich bin lächerlich, ich weiß. Ich rede von Lücken und Verlusten, obwohl du dich an nichts mehr erinnern kannst und mehr verloren hast, als wir alle hier zusammen." "Ich finde nicht, das du das vergleichen solltest. Jeder hat seine eigene Geschichte und trägt seinen eigenen Schmerz." erwiderte ich besänftigend. Meine Gedanken schweiften sofort zu dem Jungen aus dem Internat. Ohne es zu bemerken berührte ich meine Lippen und stich vorsichtig über die dünne Haut. Er hatte mich geküsst. Einfach so. Ich erschauderte und dachte an seine verbissene Verzweiflung. An seinen verwirrten Blick und diese Entschlossenheit. "Claire?" "Hmm?" Ich schaute geistesabwesend auf und bemerkte Josh's besorgten Blick. "Es ist schon spät und es ist ziemlich viel passiert" Josh nickte in Richtung Treppe. "Wir sollten uns schlafen legen." Ich nickte und folgte Josh wie versteinert die Treppen hinauf. Das Licht im Flur war immer noch angeschaltet und Noahs Tür stand einen kleinen spalt geöffnet. Ich spürte erneut dieses brennende Ziehen in der Brust und versuchte es abzuschütteln in dem ich den Blick von der Tür abwandte, doch genau in diesem Moment wurde aus dem kleinen Spalt, eine sperrangelweit geöffnete Tür, in der ein müder Noah stand und uns mit roten Augen ansah. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also erwiderte ich seinen Blick genauso kalt wie er es tat und hoffte Josh bemerkte die Anspannung zwischen uns nicht. Er sah Noah zunächst vernichtend an, folgte dann aber seinem Blick und blieb dann auf mir hängen. Seine Mine versteinerte sich. "Du hast es ihr erzählt" stellte Josh fest. Man konnte seiner Stimme keinerlei Emotionen mehr entnehmen. Neutral. Kalt. Vernichtend. "Du hast es ihr erzählt." Neutraler. Kälter. Vernichtender. "Josh.." begann ich, denn ich konnte diesen gebrochenen Ausdruck in seinen Augen nicht länger ertragen. "Du hattest kein Recht dazu", sagte Josh wütend und ignorierte mich. "Du hast es dir einfach genommen! Du nimmst dir einfach alles! Immer wieder!" Er ballte die Hände zu Fäusten und machte einen Schritt zurück. "Du nimmst mir einfach alles!" Noah öffnete den Mund um etwas zu erwidern, überlege es sich dann aber anders. Er nickte einfach. Er nickte, trat zurück und schaute mich nicht noch einmal an, bevor er seine Tür schloss und einfach verschwand. Ich starrte wie erstarrt auf die Tür und realisierte erst Minuten später das ich ganz allein auf dem Flur stand. Josh war in sein Zimmer geflüchtet, ohne das ich es bemerkt hatte. Ich schluckte schwer und schlurfte in mein eigenes Zimmer. Dort angekommen warf ich mich frustriert auf das Bett und schrie in eines meiner Kissen. Mir war egal ob es jemand hören konnte. Es würde sowieso niemand kommen, um nach mir zu schauen. Verdammte Scheiße.. Wo war ich hier nur reingeraten? Genervt drehte ich mich auf den Rücken und starrte an die Decke. Es wurde bereits hell draußen. Wie sollte ich überhaupt schlafen, mit all diesen Gedanken im Kopf?

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Lost in a Perfect Nightmare
RastgeleWisst ihr wie es ist die Neue zu sein? Ganz von vorne Anzufangen und sein Altes Leben hinter sich zu lassen? Claire tut es, denn sie ist diejenigen, die ihr altes Leben hinter sich lassen muss, um neu anzufangen. Und eine Wahl hatte sie nicht .