Ayla saß am Steuer, ihre Hände fest um das Lenkrad geklammert. Das monotone Brummen des Motors und das gelegentliche Knarzen des Ledersitzes begleiteten uns, während die Lichter der Stadt allmählich hinter uns verblassten. Die Straße zum Internat war von Bäumen gesäumt und dunkel, nur gelegentlich von den Scheinwerfern des Autos erhellt. „Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?" fragte Ayla schließlich und brach die angespannte Stille. Ich sah Ayla von der Seite an, ihre Augen vor Sorge verengt. Wir hatten uns gestritten, nachdem Ayla sich geweigert hatte, mir Geld für den Bus zugeben, und dann hatte sich mich frustriert wie ich war, mit zu ihrem Auto genommen und gewartete, bis ich mit meinem Ziel rausrückte, bevor sie den Motor startete. Sie hatte nicht viele Fragen gestellt, doch nach einer Weile des Schweigens, war es einfach aus mir herausgebrochen. Und zwar alles. Von Anfang bis zum Ende. Und auch ihren Vater ließ ich in der Erzählung nicht aus. „Nein, aber was sollen wir sonst tun?" Ayla erwiderte den Blick kurz, bevor sie sich wieder auf die Straße konzentrierte. „Wir müssen Antworten finden, oder?" „Ich kann immer noch nicht fassen, wieso dein Vater diese Akte über mich hatte," sagte ich und rieb mir nachdenklich die Schläfe. „Was, wenn man uns erwischt?" Ayla schnaubte. „Glaub mir, ich habe mit ihm mehr als genug Erfahrung. Er wird nichts merken, solange wir vorsichtig sind. Und ich will genauso sehr wie du wissen, was da los ist." Ich nickte langsam. „Ich weiß, ich weiß. Es ist nur... das alles fühlt sich so surreal an. Auch das du mir helfen willst. Ich meine, es ist nicht deine Schuld. Dein Vater hat diese Akte von mir, aber vielleicht besitzt er sie ja auch nur, weil ich neu in der Stadt bin, könnte das sein? " Ayla lachte trocken. „Vielleicht finden wir ja heraus, dass alles nur ein großer Missverständnis ist, und wenn wir in dem Internat keine Informationen finden, dann suchen wir als nächstes bei mir zu Hause nach Antworten." „Ich hoffe wir finden etwas," murmelte ich und starrte aus dem Fenster. Die Bäume zogen wie dunkle Schatten an uns vorbei, und in der Ferne konnte ich bereits die Umrisse des Internats erkennen. „Was machen wir, wenn wir dort sind?" fragte Ayla und ich ging tief in mich, bevor ich mit fester stimme sagte: „Wir schleichen uns rein und gehen zu dem Büro, von dem Leyna erzählt hat. Ich kenne einen Weg, bei dem uns niemand sieht" Alya atmete tief durch und nickte. „Okay, ich vertraue dir. Lass uns das durchziehen." Ich lächelte schwach. Das Auto rollte leise weiter, während wir uns dem Internat näherten. Die Dunkelheit schien uns zu umhüllen, aber meine Entschlossenheit war stärker. Ich würden die Wahrheit herausfinden, egal was es kostete.
Es war dunkel und die wenigen Bewohner des Internats, die in den Ferien da waren, schliefen bereits. Zum Glück fand ich den Zaun schnell wieder, über den wir nur zwei Tage zuvor geklettert waren. Ayla und ich parkten das Auto ein Stück entfernt und schlichen uns lautlos durch den Wald zum Zaun. „Da vorne," flüsterte ich und deutete auf die Stelle im Zaun, die etwas durchgebogen war. „Hier sind wir das letzte Mal drüber." Sie nickte und nahm Anlauf. Ich kniete mich nieder und verschränkte ihre Hände, um ihr einen Schubs zu geben. Mit einem leisen Grunzen stieß sie sich nach oben und zog sich an den Metallstreben hoch, bis sie über den Zaun klettern konnte. Sie landete leise auf der anderen Seite und wartete, bis ich mich ebenfalls hinüberschwang. „Alles klar?" flüsterte sie und sah sich um. „Ja, lass uns weiter," erwiderte ich und wir schlichen uns in Richtung des Gebäudes, von dem Leyna mir erzählt hatte. Der Mond war unser einziger Begleiter, sein schwaches Licht reichte gerade aus, um die Umrisse der Umgebung zu erkennen. Wir bewegten uns geduckt, die Schritte bedacht und leise. Immer wieder blieben wir stehen, lauschten in die Dunkelheit und beobachteten die Umgebung. Wachmänner, die ich zuvor noch nie gesehen hatte, und auch keine Erinnerung in mir hervorriefen patrouillierten in regelmäßigen Abständen, aber zum Glück waren sie mehr darauf bedacht, dass niemand hinausging, als dass jemand hereinkam. „Jetzt," flüsterte Ayla und wir huschten zu einem Busch, der nahe an einem der Eingänge lag. Ein Wachmann war gerade vorbeigegangen und wir hatten ein kleines Zeitfenster, um ins Gebäude zu gelangen. Ich öffnete die Tür vorsichtig. „Rein," sagte ich leise und wir schlüpften ins Gebäude. Drinnen war es kühl und still, der Geruch von verbrannten Büchern und Holz lag in der Luft. Wir standen in einem Flur, dessen Ende im Dunkeln lag. „Das Büro müsste im Keller sein," erinnerte ich mich und Ayla nickte. Wir schlichen uns weiter, jede Bewegung bedacht, jede Stufe vorsichtig. Die Treppe knarzte leise unter unseren Schritten, aber sonst war alles still. „Hier entlang," flüsterte ich und führte uns zu einer Tür, die in den Keller führte. Wir öffneten sie und stiegen hinab in die Dunkelheit. Der Keller war kühler und feuchter, und unsere Schritte hallten leicht wider. „Leuchte mal hier," sagte Ayla und hielt mir ihr Handy hin. Das Licht war schwach, aber ausreichend, um den Weg zu beleuchten. Wir gingen den Flur entlang und versuchten einige Türen zu öffnen, doch sie waren alle verschlossen. „Wir müssen weiter," flüsterte ich, als wir am Ende des Flurs ankamen. Plötzlich hörten wir ein leises Geräusch, ein Kichern, das die Stille durchschnitt. „Was war das?" fragte Ayla und sah mich an. „Keine Ahnung, aber wir müssen vorsichtig sein," antwortete ich und wir gingen weiter. Die Spannung war greifbar, jede Bewegung könnte uns verraten, jeder Laut könnte uns in Gefahr bringen. Noch bevor ich die Klinke der letzten Tür herunter drücken konnte, stolperte ich über einen am Boden stehenden Steinbrocken und ließ einen Schreckensschrei aus. Ayla packte mich sofort am Arm und zog mich hinter die Tür in das Zimmer. "Wer ist da?!" Rief eine männliche Stimme. Ayla und ich sahen uns mit großen Augen an, da wurde die Tür aufgerissen. Ich leuchtete der Person, die herantrat mit dem Handy ins Gesicht und er senkte seinen Blick. Sofort schoss mir der Geruch von Äpfeln und Parfum in die Nase. "Claire?" sagte er und ich umschloss das Handy fester. "100 Punkte, Hauptgewinn" erwiderte ich sarkastisch. Meine Hände fingen an zu zittern. "Cole, wo bleibst du?" Eine zaghafte, weibliche Stimme aus dem Hintergrund. "Ach, du hast Gesellschaft?" fragte ich ihn und grinste. Er starrte mir perplex ins Gesicht und nickte in Richtung Ayla."Und du ebenfalls." "Cole!" Die Stimme kam näher und ich wusste, wer dort gleich im Türrahmen stehen würde. Das Rothaarige Mädchen aus meinen Erinnerungen. Mit angeschwollenen Lippen und zerzausten Haaren. "Claire..." hauchte sie, als sie mich entdeckte und sah dann zu Ayla. Zuerst sah sie Schuldbewusst aus, sehr schuldbewusst. Und dann wurde sie wütend. "DingDingDing" machte ich als hätte jemand einen dummen Teddy auf dem Jahrmarkt gewonnen. "Du kennst die beiden?" fragte Ayla und ich nickte. "Das ist der Junge von dem ich dir erzählt habe. Der, der mich so plötzlich geküsst hat." "Geküsst?" fragte das rothaarige Mädchen, doch ich ignorierte ihren Einwand. "Was für eine Überraschung" sagte ich sarkastisch "Trefft Ihr zwei euch öfter hier unten zum ficken? Macht die Heimlichtuerei das, mit dem ex der besten Freundin betrügen, spannender?" Ich hob eine Augenbraue, so wie Noah das immer tat. Ich wusste ja zu gut was das für eine Arrogante Wirkung haben konnte und Ayla schnaubte. "Davon kann ich dir ein Lied singen, Claire." Und ich wusste, das sie auf Leyna und Said anspielte. "Du warst weg" sagte das Mädchen "Und keiner wusste wo du bist und ob du überhaupt wieder kommst. Was machst du überhaupt hier? Wer hat dir gesagt, das wir hier sein würden?" Sie verschränkte schützend die Arme vor der Brust. Aus ihr würde ich so schnell nichts herausbekommen. Ich wandte mich an Cole. Ich sah ihm enttäuscht in die Augen und er senkte den Blick "Es tut mir so leid." Ayla schnaubte. "Was genau tut dir denn leid Cole?" fragte ich. "Das hast du mir jetzt so oft gesagt, doch ich weiß überhaupt nicht, was genau du meinst." "Einfach alles", sagte er. "Das hier..." Er wedelte unsicher mit der Hand in der Luft herum "Und das damals... Ich wusste nicht das dieses dumme Spiel so Enden wird. Es sollte doch Spaß machen..., es war doch dein Geburtstag." Mein Kopf begann wieder zu Pochen. "Hör auf damit" flüsterte das Mädchen "Das ändert doch sowieso nichts." "Das entscheidet am besten Claire, oder nicht?" Ayla baute sich neben mir auf. Ich versuchte mich an ihren Namen zu erinnern und der Felsen den Noah entdeckt hatte, blitzte in meinen Gedanken auf. "Es ändert alles Faye", sagte ich. Sie sah erschrocken auf und ich lächelte. Volltreffer. Faye krallte sich an Cole fest und er schüttelte sie ab. "Du erinnerst dich also doch..?" Er Streckte die Hand aus und ich wich zurück. "Natürlich du Idiot. Ich konnte das bloß nicht vor den anderen sagen." "Wieso?" fragte Faye skeptisch und ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu. "Als ob du das nicht wüsstest!" "Ich hab nichts mit all dem zu tun gehabt!" rief sie empört und meiner Meinung nach einen tick zu bemüht. "Ich erinnere mich an alles Faye. Ich möchte nur wissen wieso..., Ich dachte wir wären Freundinnen. Das dachte ich wirklich... Was hat sich geändert? Lag es an Cole? Warst du eifersüchtig?" "Es gab kein Problem, okay? Es war nicht meine schuld." "Aber Faye.., dieses Spiel war doch deine Idee." Cole musterte sie von der Seite. Über was für ein dummes Spiel sprachen die beiden da überhaupt die ganze Zeit? Und was hatte das mit mir zu tun!? "Es war nicht meine Idee!" Sie klang schrill. "Da war dieser Typ okay? Gutaussehend, oder Claire? Etwas älter als wir. Vielleicht so um die 25." "Und?" machte ich ungeduldig. "Wir haben uns getroffen. Das erste mal in unserer Bar. Du warst natürlich wieder zu besoffen um überhaupt etwas mitzubekommen."
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Lost in a Perfect Nightmare
RandomWisst ihr wie es ist die Neue zu sein? Ganz von vorne Anzufangen und sein Altes Leben hinter sich zu lassen? Claire tut es, denn sie ist diejenigen, die ihr altes Leben hinter sich lassen muss, um neu anzufangen. Und eine Wahl hatte sie nicht .