Kapitel 3a

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Am Morgen werde ich wieder von dem Knallen der Türe geweckt. Auch Kian zuckt zusammen, aber schreckt nicht aus seinem Schlaf. Weshalb ich leise auf meine Seite krabbele, um das Frühstück zu holen. Denselben Brei wie vom Vortag muss ich traurig feststellen. Kian liegt seelenruhig auf der Seite, seine Augen zucken unter seinen geschlossenen Augenlidern, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Ein guter Traum. Ich unterdrücke den Drang ihm die wirren Haare aus dem Gesicht zu schieben. Leise krame ich das in Leder gebundene Notizbuch hervor und wickel es auf.

Caspian Kingston, steht fein säuberlich auf der ersten Seite.

Die Ereignisse der letzten Tage sind so unbegreiflich, dass ich sie nicht glauben würde, hätte ich sie nicht selbst erlebt.

Schnell blicke ich noch einmal zu Kian, der zusammen zuckt. Aber ich erkenne, dass er noch schläft und blättere auf die nächste Seite.

Ich muss ganz am Anfang beginnen. Eine Zeit die mir schon zuvor ging ...

Kian rappelt sich schwer atmend neben mir auf und ich lege das Logbuch auf die Seite. Ich reiche ihm das Frühstück. Er verzieht sein Gesicht, was mich zum Lachen bringt.

„Glaub mir, es schmeckt noch schlimmer als es riecht." Er würgt die Hälfte des Breies hinunter und streckt mir die Schüssel hin. Ich bestehe darauf, dass er es mehr braucht als ich. Kian berichtet mir was passiert ist, nachdem er Jayden und mich in den Vorratsschrank untergebracht hatte.

Er war auf der Suche nach seinem Vater oder Wächtern, als er sah, dass die schwarz gekleideten Eindringlinge alle Leuten nach draußen brachten. Es waren mehrere hundert. Ein paar der Menschen, die sich wehrten, wurden ohne weiteres ermordet. Sie suchten unter der Menschenmenge nach jemand. Als er hörte, wie ein Mädchen nach Hilfe rief, eilte er zu ihr, wurde aber von fünf bewaffneten vermummten Männern gefangen genommen. Sie spritzen auch ihm ein Mittel und das nächste woran er sich erinnert, ist das er auf dem Schiff wach wurde.

„Was machen wir jetzt?", will ich entmutigt wissen.

„Wir müssen herausfinden, wen sie sonst noch verschleppt haben und was sie von uns wollen." Das ist leichter gesagt als getan. Nach mehreren Rufen, wird uns klar, dass zumindest in unserer unmittelbaren Nähe keine weiteren Gefangenen sind. Als am Mittag der Muskelprotz mit dem Mittagessen kommt, versuchen wir aus ihm Informationen zu bekommen, doch er schweigt. Als kurz nach dem Mittagessen die Türe von Kians Zelle geöffnet wird, befürchte ich, dass sie ihn wieder verprügeln wollen.

„Hey, lasst ihn in Ruhe", brülle ich den Muskelprotz an, der auf uns zukommt. Kian schiebt sich schützend vor mich. Ohne Probleme packt er meinen Arm und zerrt mich von Kian, der versucht mich aus den Fängen des Mannes zu befreien, sackt aber schmerzverzerrt zusammen, als der Muskelprotz ihn gegen die Wand schmeißt. Bevor er auch nur die Chance bekommt, erneut aufzustehen, fällt die Türe wieder ins Schloss. Dieses Mal wehre ich mich noch stärker, reise an meinem Arm, kralle mich an allem, was ich zu fassen bekomme und trete wild um mich.

Tatsächlich fällt es dem Mann schwerer mich den Gang entlangzuzerren. Wieder schmeißt er mich in das Zimmer vom Vortag. Dieses Mal beginne ich gleich an der Türe zu zerren, doch sie ist bereits verschlossen. Hinter mir höre ich Beynon lachen und Wut überkommt mich. 

Wut was sie Kian angetan haben. 

Wut was sie Jayden angetan haben. 

Wut, dass sie mich hier festhalten. 

Wut über Beynon.

Einfach alles macht mich rasend und wie eine Furie springe ich den jungen Mann an. Sichtlich überrascht, geht er zu Boden und ich beginne wild auf ihn einzuschlagen, seine Haut zu zerkratzen und ihm Worte an den Kopf zu werfen. Für einen kleinen Moment gewinne ich die Oberhand. Die meisten Hiebe währt er erfolgreich ab, doch vier tiefe Kratzspuren gehen über sein ganzes linkes Gesicht. Mit einem Ruck übernimmt er die Oberhand, rollt sich über mich und fixiere meine Arme über dem Kopf am Boden. Sein ganzes Gewicht lagert auf meinem und ich kann mich nicht mehr rühren.

„HÖR AUF!", schreit er mich wütend an und ich sehe den Ärger in seinen Augen aufflammen. Der Aufschrei lässt, die Tür aufspringen und der Muskelprotz tritt hinein. Etwas erschrocken bleibt er in der Türe stehen und beobachtet das Schauspiel.

„Ich denke, die Kleine braucht eine Lektion" zischt Beynon dem Mann entgegen.

„Aber euer Vater hat gesagt, dass ihr kein ...", höre ich zum ersten Mal die tiefe Stimme des Muskelprotz und er klingt beinah besorgt.

„Ich weiß, was mein Vater gesagt hat. Aber er ist nicht hier", unterbricht Beynon den Mann. Erneut versuche ich mich zu befreien noch er verstärkt seinen Griff um meine Hände und funkelt mich böse an. War vielleicht, doch keine so gute Idee auf Beynon loszugehen.

„Du hast eine letzte Chance, sonst wirst du es bereuen." Ich schenke seiner Drohung keine Beachtung. Das Feuer, der Wut brodelt zu stark in mir und ich spucke ihm ins Gesicht. Jetzt wirkt er wirklich verärgert. Sein Kopf wird rot, seine Augen sind zu Schlitzen geformt und seine Lippen zu einem schmalen Strich. Bevor ich es bemerke, donnert seine Faust in mein Gesicht und ich sehe kurz Sterne über mir tanzen.

„Beynon", höre ich den Muskelprotz mahnen und er lässt seine Faust wieder sinken.

„Ich darf dir die Schmerzen, die du verdienst, nicht zufügen, aber was den Prinzen angeht, habe ich keine Anweisungen." Ich weiß nicht, ob er blufft oder es ihm ernst ist. Aber das Letzte, was ich in dem Moment will, ist das auch noch Kian zu Tode geprügelt wird. Erst recht nicht meinetwegen. Beynon sieht die plötzliche Panik in meinen Augen und grinst mir zu. Erfolg blitzt in seinen Augen. Ich höre auf mich zu wehren und Beynon lockert seinen Griff um mich.

„Geht doch", sagt er zufrieden und steht von mir auf. „Jetzt steh auf und setzt dich auf den Stuhl", sagt er provokativ, doch ich folgte seiner Anweisung. Ich kann es nicht riskieren, dass er Kian etwas tut. „Steh gefälligst wieder schmiere", befiehlt er dem Muskelprotz, der augenblicklich wieder die Türe schließt. Also ist das, was er hier tut, nicht ganz so abgesegnet, wie er meint.

Er kramt wieder die blaue Murmel aus seiner Tasche und schaut mich erwartend an.

„Hand auf", sagt er streng und als ich nicht sofort seinem Befehl gehorche, wirft er mir einen mahnenden Blick, zu der so viel sagt wie: willst du das ich Kian hole. Also mach ich wie er von mir erwartet. Das Kribbeln und der Efeu beginnen wieder über meine Haut zu wachsen und ich spüre wie meine Wange, die eben noch von Beynons Schlag pocht, wärmer wird und der Schmerz nachlässt.

„Wie ist das möglich?", sagt er völlig erstaunt, als er mein Gesicht beobachtet. Plötzlich zückt er ein Messer und reflexartig lasse ich die Murmel fallen und rücke von ihm ab. Verärgert hebt er die Kugel auf und kommt wieder auf mich zu.

„Du machst das alles nur noch schwerer für dich. Ich glaube ich leiste Kian doch noch einen kleinen Besuch." Er weiß, dass es mit dem Argument die Oberhand hat und ich blicke ihm trotzig entgegen, reich ihm aber wieder meine Hand.

„Gib mir deinen anderen Arm", sagt er etwas nachdenklich, als ich die Murmel wieder entgegennehmen will. Wie angewiesen stecke ich ihm meinen Arm entgegen. Was als Nächstes kommt, raubt mir beinah den Verstand. Er zieht das Messer über meinen Arm und eine dreißig Zentimeter lange Wunde zieht sich über ihn. Der Schnitt beginnt augenblicklich stark zu bluten.

Das Hemd färbt sich rot, ein stechender Schmerz vernebelt meinen Verstand und ich schrie laut auf. Schnell legt Beynon eine Hand über meinen Mund, um meinen Schrei zu dämpfen und mit der anderen drückt er mir die Murmel in die Hand. Augenblicklich kribbelt meine Haut. Der Efeu bahnt sich einen Weg über meinen verletzten Arm und der Schmerz verschwindet mit einem Mal. Mit ihm mein schmerzerfüllter Aufschrei. Langsam nimmt Beynon seine Hand von meinem Mund und ich nehme ein paar tiefe Atemzüge.

Das Blut fließt immer langsamer aus meinem Arm und stoppt letzten Endes ganz. Mit einem Ruck reißt Beynon den Ärmel des Hemdes ab und wischt damit das Blut von meinem Arm. Was zu Vorschein kommt lässt mir den Atem erneut stoppen. Der Schnitt ist verschwunden. Die Wunde ist geschlossen und nicht einmal eine Narbe ist mehr zu sehen.

„Wie ist das möglich? Was ist so speziell an dir?", spricht Beynon ehrfürchtig, eher zu sich selbst. Wie ein Kind, das einen Schatz finden muss, mustert er mich genau. Ich sehe wieder etwas in seinen Augen funkeln. Dass ich auch am Abend des Balles gesehen habe, als er von irgendetwas in meinen Augen sprach. Der Hass, den er gerade noch geschürt hat, wird von Bewunderung übernommen und wird beinahe liebevoll.

Plötzlich wird die Tür aufgerissen und vor uns steht ein Wut erfüllter Kapitän. Schnell schnappt sich Beynon die Murmel und die leuchtenden Ranken verschwinden.

Die Flucht (Merahs Fluch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt