Kapitel 20b

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„Hey Willy", ruft er freudig und der Kleine springt ihm in den Arm. Beynon wirft einen strengen Blick zu meiner Mutter. Ich hoffe du hast nicht unüberlegtes gesagt, scheint er zu sagen.

„Mutter, was ist hier los?", frage ich verwirrt. Ihr Gesichtsausdruck ist wieder traurig. Kurz betrachtet sie noch einmal das Amulett und küsst meine Stirn.

„Hier passiert ihr nichts. Hier ist sie sicher", höre ich meine Mutter leise zu sich selbst flüstern. Beynon betrachtet uns immer noch eindringlich. Hat Beynon ihr gedroht?

„Zeit fürs Mittagessen", posaunt er glücklich und betrachtet noch einmal kurz meine Mutter, bevor er sich meinen Bruder über die Schulter wirft. Erst jetzt bemerke ich, dass auch Leander hier ist. Meine Mutter folgt den beiden und bringt Distanz zwischen uns. Ich bleibe verwirrt zurück und starre ihr hinterher.

„Sie weiß es, oder? Aber ihr zwingt sie zum Schweigen", sagte ich vorwurfsvoll an Leander. Er steht zu weit weg, um meine Worte zu hören. Sein Blick liegt auf mir und schürt die Wut noch mehr. Verärgert stampfe ich an ihm vorbei und in den Palast.

Während dem Essen kann ich meine Mutter nicht ansehen, obwohl ich ihren Blick immer wieder auf mir spüre. Ich fühle mich betrogen. Jetzt mehr denn je. Meine eigene Mutter hat all die Antworten, die ich brauche. Leander hat die Antworten. Beynon hat die Antworten. Wieso tun sie mir das an, wenn ihnen doch angeblich etwas an mir liegt? Mir fällt auf, dass Maisie nicht mehr da ist, doch ich bin zu enttäuscht, um nachzufragen.

Als die Türe aufgerissen wird, fahre ich hoch. Ein Wachmann schaut panisch zu den beiden Brüdern und fordert sie auf kurz mit ihm vor die Türe zu treten. Ohne zu zögern, springen die Beiden auf und sind auch schon verschwunden. Als sich meine Mutter räuspert, drehe ich mich zu ihr.

„Emmelin, woher hast du die Kette?", fragt sie wieder mit Angst in den Augen.

„Das ist doch egal. Mutter! Was soll das hier alles? Warum belügst du mich?", sage ich streng und spürte wie Tränen in meine Augen steigen. Bevor sie mir eine Antwort geben kann, geht die Türe wieder auf.

„Emmelin, bitte komm mit mir", höre ich Leander höflich, aber streng befehlen. Ohne Widerrede stehe ich auf und folge ihm. Ich kann hören wie Beynon auch meiner Mutter etwas entgegenruft, kann es jedoch nichts verstehen. Aber die Panik in seiner Stimme ist unüberhörbar. Was ist hier los?

Eilig zieht Leander mich hinter sich her. Zwei Wachmänner kommen mit Kian entgegen und gemeinsam laufen wir einige Treppen hoch und in einen Teil des Palastes, der sehr abseits und beinah versteckt liegt. Leander wirkt angespannter als sonst. Nach einigen Minuten zerrt er mich in einen Raum und auch Kian wird hineingebracht.

„Hier passiert dir nichts", sagt er schnell, als er auch schon die Türe hinter uns verschließt und uns verwirrt zurücklässt.

„Was ist hier los?", will ich von Kian wissen.

„Wächter aus Merah!", schreit er aufgeregt und beginnt an der Türe zu rütteln. „Ich habe gehört, wie jemand den Wachmännern vor der Tür gesagt hat, dass Männer aus Merah vor den Toren stehen und sie mich wegbringen müssen. Emmelin, mein Vater hat uns gefunden!", schreit er aufgeregt und zum ersten Mal klingt er freudig. Sie haben uns gefunden, jubelt mein Verstand. Ich beginne ebenfalls an der Türe zu rütteln und zu schreien. Die Türe gibt kein bisschen nach. Bei näherem Betrachten fällt mir auf, dass sie sich von den normalen Türen unterscheidet. Sie besteht aus Stahl und ich kann mehrere Schließmechanismen.

„Kian, die bekommen wir nicht auf", rufe ich ihm zu. Inzwischen schlägt er verärgert auf sie ein und ich sehe wie seine Knöchel bereits zu bluten beginnen. Doch er hört mich nicht. Gefangen in der Hoffnung auf Freiheit, ist er wie besessen. Ich blicke mich im Raum um. Er ist nur spärlich beleuchtet und außer einer roten Sofalandschaft komplett leer. Keine Fenster, keine weitere Türe. Beinah wie eine Zelle, nur nicht im Keller.

Die Flucht (Merahs Fluch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt