Kapitel 15a

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Drei Tage später.

Vorsichtig öffne ich die Tür. Ganz leise quietscht sie und ich stocke in meiner Bewegung. Ich lausche in die Stille. Nichts. Kein Atmen. Kein Rascheln. Nicht einmal ein Rauschen. Mutig öffne ich die Türe noch ein Stück. Meine Vermutung bestätigt sich. Wie die letzten drei Nächte stehen wieder keine Wachmänner vor der Türe. Sind sie wirklich so leichtsinnig und gutgläubig? Befürchten sie nicht, dass wir fliehen? Aber dann wieder haben sie meine Mutter und Willy. Die immer noch auf ihrem Urlaub sind. Sie haben wohl wirklich nichts zu befürchten.

Leise trete ich in den Gang und blicke nach rechts und links. Auch hier ist niemand. Kurz schaue ich zurück in den Raum. Kurz nach zwei. Wer sollte so spät auf den Gängen unterwegs sein? Ich beobachte den schlafenden Kian. So friedlich wirkt er inzwischen in seinem Schlaf. Er zuckt nicht mehr so wie zu Beginn. Nur ein Schnaufen ab und zulässt auf unschöne Gedanken ahnen. Heute ist es so weit. Ich nehme allen Mut zusammen. Die letzten Tage nutze ich jeder Gelegenheit, die ich mit Beynon alleine war um an Informationen zu kommen. Ich wollte seine gute Laune aufgrund seiner Schwester ausnutzen, doch er blieb hart. Kein Wort fiel über seine Lippen. Keine meiner Fragen beantwortete er.

So begann dieser Plan in mir zu keimen. In der Bibliothek wurde ich nicht fündig, auch bei meiner Palasterkundungen wurde ich nicht schlauer. Der einzige Ort, neben den Schlafgemächern, in dem ich momentan an Antworten zu kommen glaube, ist Beynons Arbeitszimmer. Der Raum gefüllt mit Büchern und Unterlagen, in den mich vor einigen Tagen die Wachen brachten, um mit Beynon zu sprechen. Mit dem Wachmann im Schlepptau konnte ich dort nicht herumstöbern, aber im Schatten der Nacht, im Schutze der Dunkelheit und ohne Adleraugen, die mich beobachten, spricht nichts dagegen. Außer das Offensichtliche. Die Gefahr erwischt zu werden. Aber was bleibt mir übrig? Ich bin verzweifelt.

Noch einmal nehme ich meinen ganzen Mut zusammen. Ziehe mir die Kapuze des Pullovers, Kians Pullovers, tief ins Gesicht und trete auf den Gang. Leise schließe ich die Türe hinter mir und beginne im Schatten des seichten Lichtes, der Gänge herumzustreichen. Bei Nacht wirkt der Weg noch so viel weiter. Aber es kann auch an der konstanten Angst erwischt zu werden, liegen. Das Adrenalin pumpt durch meine Adern und das Rauschen meiner Ohren ist so laut, dass ich nicht einmal Schritte hören könnte. Was wiederum meine Angst noch mehr schürt, meinen Puls noch höher treibt und das Rauschen noch lauter wird.

Nach einigen Minuten erreiche ich die Tür, die ich für die richtige halte. Bei Nacht sieht alles so anders aus. Auch liegt viel mehr auf dem Spiel. Die falsche Türe könnte drastische Folgen haben. Ich nehme einen tiefen Atemzug. Versuche mein Herz zu beruhigen und das Rauschen in meinen Ohren abzuschwächen. Vorsichtig lege ich mein Ohr gegen die Türe. Ich will nicht aus Versehen Beynon antreffen und klopfen ist keine gute Idee. Ich lausche. Eine Minute, dann noch eine und noch eine. Um wirklich sicherzugehen, dass aus dem Raum nicht zu hören ist.

Wieder nehme ich all meinen Mut zusammen, lege meine Hand auf den kalten Türknopf und bete, dass die Türe nicht verschlossen ist. Vorsichtig drehe ich den Knauf und zu meiner Überraschung geht sie auf. Wenn er tatsächlich geheime Informationen hier aufbewahrt, ist er ganz schön dumm die Türe nicht zu versperren. Mein Glück. Doch wer außer mir würde in das Arbeitszimmer, des Thronerben von Evrem eindringen.

Schnell verschwinde ich in dem Raum und schließe die Türe hinter mir. Es brennt kein Licht. Nur der seichte Mondschein füllte den Raum. Ich gebe meinen Augen kurz Zeit sich an die minderen Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Nach einigen Minuten kann ich die Umrisse von Büchern aus machen. Um hier wirklich nach Information zu suchen, brauche ich mehr Licht. Eine Taschenlampe oder Kerze habe ich nicht bei mir. Ich sehe eine Tischlampe auf dem großen Schreibtisch. Diese sollte genug Licht bieten sehen zu können, aber nicht zu viel um von draußen aufzufallen. Hoffe ich zumindest. Vorsichtig taste ich nach dem Schalter und knipse ihn an. Sofort werde ich von dem künstlichen gelben Licht geblendet und kneife die Augen zu. Mein Blick geht durch den Raum. Es sollte von außen nicht sichtbar sein, vermute und hoffe ich.

Die Flucht (Merahs Fluch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt