Kapitel 16a

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Leise schließe ich die Türe zu Beynons Arbeitszimmer. Erneut habe ich mich rausgeschlichen, um an Informationen zu kommen. Etwas enttäuscht schleiche ich durch den spärlich beleuchteten Gang und finde mich vor Alistairs Türe wieder.

Schüchtern klopf ich an, da ich unsicher bin, ob ich einfach eintreten darf. Ich lausche. Doch kein Mucks ist zu hören und ich will mich gerade umdrehen, als ich das bekannte Husten höre.

„Ja", vernehme ich die Stimme des alten Mannes und öffne langsam die Türe. Der Raum ist wieder in Dunkelheit getaucht und nur das Flackern einer Kerze auf dem Nachttisch wirft Licht in den Raum.

„Oh Emmelin, du bist es. Komm rein. Komm rein", ruft der alte Mann mir außer Puste zu. Das Licht reicht aus, um die Umrisse des alten Mannes zu sehen.

„Was bringt dich heut her, mein Kind?", fragt er liebevoll während er mich aufmerksam mustert.

„Ich ... ich weiß nicht. Ich wollte nur nach Ihnen sehen. Und sicherstellen, dass alles in Ordnung ist." Tatsächlich bin ich mir unsicher was mich zu dem alten Mann gezogen hat. Vielleicht ist es die Enttäuschung wieder nichts Brauchbares in Beynons Arbeitszimmer gefunden zu haben. Oder die Verabredungen, die ich am Tag mit den Brüdern hatte, bei denen sie mir erneut keine Antworten boten. Vielleicht aber auch die Enttäuschung einfach keinen Fluchtplan schmieden zu können. Oder die Enttäuschung, dass meine Mutter und mein kleiner Bruder immer noch nicht zurück sind. Aber vielleicht genoss ich den gestrigen Abend mit dem alten Mann so sehr, dass ich es wiederholen will. Er wirkte so einsam bei unserem Abschied gestern, dass es mir beinah das Herz zerbricht.

„Brauchen Sie vielleicht etwas Wasser?", frage ich, als mir das leere Glas auffällt. Schnell befülle ich es wieder und setze mich neben ihm aufs Bett und betrachte den alten Mann einfach nur. Kurz wird es still zwischen uns. Aber keine unangenehme Stille. Eine beruhigende, wohltuende und herzliche Stille. Eine Stille, in die ich mich kurz fallen lasse, weil sie einen inneren Frieden in mir ausbreitet. Das ist der Grund. Der Grund meines Besuchs. Dieser Frieden, den ich bei dem alten Mann gestern verspürt habe. Diese Ruhe. Ich weiß nicht wie er es macht. Aber er strahlt etwas Beruhigendes aus.

„Oh Kindchen, ich muss sagen, du hast bezaubernde Augen. Sie erinnern mich an die des kleinen Caelan. So ein süßer kleiner Junge. Er ist mich schon lange nicht mehr besuchen gekommen. Sag Mädchen, wie geht es dem kleinen Bub?", fragt er mich beinah aufgeregt und wissbegierig. Ich brauch einen kurzen Moment, um aus meinen Gedanken zu kommen. Seine tiefe aber sanfte Stimme reißt mich nicht andere Leute aus den Gedanken. Sondern holt mich seichte zurück in die Gegenwart. Was mich erneut lächeln lässt.

„Es tut mir leid. Aber ich glaube nicht, dass ich einen Jungen bei dem Namen kenne." Bis jetzt ist mir neben Willy noch kein kleiner Junge aufgefallen, um zu erahnen, von wem er sprechen könnte.

„Oh, ganz bestimmt. Ein bezaubernder kleiner Junge. Blond wie Stroh und seinem Namen alle Ehre. Vielleicht kennst du ihn bei seinem Zweitnamen. Willy. So ein süßer Junge. Er ist der Sohn von Jasmin." Er spricht von meinem kleinen Bruder. Über die Erkenntnis weiten sich meine Augen und ein Grinsen setzt sich auf Alistairs Gesicht. „Also kennst du ihn doch?" Kurz debattiere ich, ob ich offen legen soll, dass er von meinem kleinen Bruder spricht. Entscheide mich es erst einmal für mich zu behalten.

„Natürlich kenne ich Willy. Ihm geht es sehr gut. Er ist tatsächlich sehr bezaubernd. Er ist momentan mit seiner Mutter in irgendeinem Landhaus, wurde mir gesagt." Ich sehe wie Alistair kurz in seinen Gedanken verloren geht und murmelt. „Das Landhaus. Da hat es Willem immer gut gefallen." Sein Blick wird kurz traurig, als trauere um eine Erinnerung.

„Was bedeutet denn sein Name?", frage ich Alistair und reiß ihn aus seinen Gedanken. Ein breites Grinsen setzt sich wieder auf sein Gesicht.

„Schlanker, entschlossener Beschützer", sagt er lachend. „Der Kleine war schon immer dünn wie eine Bohnenstange. Aber den Beschützerinstinkt eines Löwen. Einmal, der kleine war, glaube ich drei, ärgerten ein paar Jungs die kleine Prinzessin. Die Buben müssen um die acht gewesen sein. Aber der kleine Willy kam Roya zu Hilfe." Roya, das muss Beynons kleinste Schwester sein. „Natürlich hatte der Kleine keine Chance. Doch bevor die Jungs ihm auch nur ein Haar krümmen konnte, kam auch schon Beynon und rette die zwei. Der Kleine ließ es sich natürlich nicht nehmen, dass er seine Schwester gerettet hat", beendet er die Erzählung und muss bei dem Gedanken lachen. Doch etwas verwirrt mich bei seiner Erzählung.

Die Flucht (Merahs Fluch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt