Nach weiteren fünf Tagen stelle ich erleichtert fest, dass auch der letzte Wachmann seinen Posten verlassen hat. Inzwischen kam ein Schneider vorbei und nimmt meine Maße. Minerva ist hibbeliger als sonst und plappert ständig über verschiedene Frisuren. Die meiste Zeit, wenn es um die Hochzeit geht, versinke ich in Gedanken, um den Worten nicht lauschen zu müssen.
Meine Mutter ist zuerst überrascht, als sie von den Hochzeitsplänen hört. Offensichtlich wurde ihr bis zum heutigen Tag nichts gesagt. Nach dem ersten Schock übernimmt Erleichterung. Meine Wut steigt, denn es ist mehr als offensichtlich, dass ich diese Hochzeit nicht will. Doch nicht mit einer Silbe legte sie Protest ein. Selbst Leander steht Wut ins Gesicht geschrieben bei der Erwähnung der Hochzeit. Selbst ihm sieht man den stillen Protest an. Doch meine Mutter, sie scheint es gutzuheißen, was die Kluft zwischen uns weiter aufreißt.
Leander hat Kian und mich gerade zurück auf das Zimmer gebracht, als die Uhr Mitternacht zeigt. Den ganzen Abend während ich die Sterne betrachtete kreisten meine Gedanken, um den Verrat meiner Mutter. Erst nach einer Stunde legten die Sterne ihren Zauber auf mich und ein innerer Frieden machte sich breit. Freudig stelle ich fest, dass immer noch kein Wachmann vor unserer Türe steht und ein Glücksgefühl macht sich in mir breit.
„Kian, ich gehe zu Alistair", sage ich schnell und eile zur Türe. Ich öffne sie einen Spalt, aber im nächsten Moment drückt Kian sie wieder zu.
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Wenn du erwischt wirst ..."
„Das werde ich nicht", unterbreche ich und versuche ihn zu beruhigen. Verwirrt weshalb es ihm auf einmal etwas ausmacht, verschränke ich meine Arme vor der Brust und starre ihn fragend entgegen. „Was ist los?", will ich streng wissen.
„Ich denke einfach, dass es zu riskant ist. So kurz vor der Flucht."
„Flucht? Dir ist bewusst, dass der wichtigste Bestandteil unseres Planes ein großes Fragezeichen ist. Wir kommen von dieser Insel nicht runter. Wer weiß, vielleicht kann Alistair helfen", sage ich, um ihn davon zu überzeugen, mich gehen zu lassen.
Die letzten zehn Tage haben wir bestimmt hundert Möglichkeiten durchdacht von hier nach Merah zu gelangen. Doch ohne Geld, einem Boot oder Kontakte ist es unmöglich. Wir könnten versuchen uns im Landesinneren zu verstecken. Irgendwie an Geld kommen, um uns eine Überfahrt zu leisten oder mit Merah in Kontakt treten. Das würde entweder Jahre dauern oder wir würden schon die ersten Tage erwischt werden. Außerdem traue ich Willy kein Leben auf der Straße zu und ob meine Mutter damit einverstanden wäre ist unklar. Bis jetzt habe ich noch nichts von dem Fluchtplan erzählt. Nicht nur aufgrund mangelnder Privatsphäre, aber auch, weil ich das Gefühl habe, sie könnte es nicht gutheißen. Auch die Angst, dass sie mich zum Bleiben überreden würde. Ich werde sie nicht zurücklassen, selbst wenn ich sie zwingen muss.
„Also gut", sagt Kian, nachdem er über meine Worte nachgedacht hat. Ich öffne gerade die Türe, als er sie erneut zudrückt. „Eine Bedingung", sagt er streng. „Ich komme mit." Seine Worte lassen keine Widerrede gelten, aber ich versuche es trotzdem.
„Das geht nicht Kian. Das ist zu riskant", versuche ich zu argumentieren. Doch bekomme nur einen vielsagenden Blick und verstehe sofort, worauf er andeutet. „Ich meine, wenn wir zu zweit über den Gang schleichen", erkälte ich schnell.
„Entweder wir beide gehen oder wir bleiben beide hier." Für einen Augenblick vermisse ich, den in sich gekehrten Kian. Doch als mir bewusst wird, was ich da gerade denke, verwerfe ich es schnell wieder. Ich habe lieber den normalen Kian, anstatt den traumatisierten.
„Also gut", sage ich resigniert.
Mein Herz rast schneller als sonst und meine eigenen Schritte hallen lauter als die anderen Tage. Auch erfüllt mich eine Angst, die ich die anderen Male nicht gespürt habe. Angst um Kian. Immer wieder drehe ich mich panisch zu ihm, um sicherzugehen, dass er noch hinter mir ist. Im Gegensatz zu mir kennt er sich hier nicht aus. Schneller als sonst renne ich beinah zu Alistairs Zimmer und bete, dass uns niemand über den Weg läuft. Wir schaffen es tatsächlich ohne Vorfall bis zu dem Zimmer, des alten Mannes. Leise klopfe ich an und atme auf, als er mich hereinbittet.
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Die Flucht (Merahs Fluch 2)
Fantasía!! Achtung Spoiler für alle die noch nicht Buch I (Die Auslese) gelesen haben!! Nicht nur kreisen die Bilder der zweiten Auslese in Emmelins Kopf und das merkwürdige Symbol auf ihrer Haut, sondern nun ist Beynon wieder da. Zu allem Übel mit einer Ar...