Kapitel 4a

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Für die nächsten Tage wird uns wie ein Uhrwerk das Essen aufgetischt. Früh, Mittag und Abend. Beynon lässt mich nicht mehr rufen und auch sonst sehen wir niemanden außer den Muskelprotz. Kians Verletzungen heilen langsam, aber inzwischen kann er wieder lachen, ohne wegen der Schmerzen zusammenzuzucken. Immer wieder lesen wir die Seiten des Logbuch von Caspian, aber entdecken nichts Neues. Uns wird bewusst, dass Beynon irgendetwas wissen muss.

Der Muskelprotz stellt uns gerade das Abendessen hin, als ich aufspringe.

„Ich muss mit Beynon sprechen", sage ich mit möglichst fester Stimme. Der Mann mustert mich verwirrt und schließt die Türe ohne einen Kommentar. Schnell eile ich zu dem kleinen Fenster. „Bitte, es ist wichtig", bettele ich, doch der Mann legt nur seinen Kopf schief. Nach einem Moment verschwindet er. Traurig drehe ich mich zu Kian, der mir erwartungsvoll entgegenblickt. Er wirkt beinah glücklich, als habe er die Antwort erhalten, auf die er wartet.

„Was?", frage ich genervt, aber zutiefst verwirrt.

„Er hat nicht abgesperrt", flüstert Kian und geht auf die Türe zu. Leise drückt er die Klinke nach unten und tatsächlich, die Tür ist nicht abgeschlossen. Schnell schließt er sie wieder. Da es die letzte Mahlzeit des Tages ist, wird der Muskelprotz bis morgen früh nicht auftauchen.

„Was machen wir jetzt?"

„Wir hauen ab", sagt Kian leise aber überzeugen.

„Wir sind mitten auf dem Meer. Wo sollen wir denn hin?" Die Worte treffen Kian hart. Er muss vergessen haben, dass wir uns auf einem Schiff befinden. Er denkt kurz nach.

„Du hast doch erzählt, dass in dem Raum, in den dich Beynon gebracht hat, Karten sind. Vielleicht können wir herausfinden, wie weit wir uns vom Land befinden und mit dem Rettungsboot einen Ausbruch versuchen", schlägt er vor. Auch ihm wird bewusst wie klein unsere Chancen sind. Aber uns ist bewusst, dass wir die Situation nutzen müssen. Zumindest Information müssen wir sammeln.

So schleichen wir durch den Gang und ich führe Kian zu dem Zimmer. Kurz lauschen wir an der Türe. Der Raum scheint leer zu sein. Mit einem leisen Quietschen öffnet sich die Türe und wir treten in den Raum. Kian knips das Licht an und der kleine Raum wird, erhält. Er wirkt noch ein Stück kleiner, als in meiner Erinnerung. Neben dem Tisch und dem Stuhl steht nur noch ein Regal mit eingerollten Karten hier drinnen.

„Das bringt uns alles nichts. Wir müssten wissen, wo Beynons Zimmer ist oder die Kajüte des Kapitäns, dort würden wir sicher Informationen finden. Die Karten hier bringen uns nicht weiter", gesteht Kian entmutigt und lässt seinen Kopf in den Nacken fallen.

„Was machen wir jetzt?"

„Mehr als wegsperren können sie uns sowieso nicht. Ich schlage vor wir schauen uns etwas um. Wer weiß, vielleicht stoßen wir auf Beynons Zimmer." Er sagt es im Spaß, aber so groß ist das Schiff nicht und es ist gut möglich, dass wir durch einen Zufall das Zimmer entdecken.

„Spaziergang, hört sich gut an", scherze ich, um die drückende Stimmung zu heben.

Wir schleichen zurück auf den Gang, der spärlich beleuchtet ist. Da es schon spät ist, müssen die meisten in ihren Betten liegen. Bis auf ein knarre des Holzes vernehmen wir keine Geräusche. Als wir plötzlich an einer Tür ankommen, die einen Spalt geöffnet ist und Licht von dem Raum in den Flur fällt. Ich erkenne die Stimme, des Kapitäns.

„In zwei Tagen kommen wir in Evrem an und du darfst dann dem König erklärten, wieso auch der Prinz bei uns ist. Deine Spielchen mit dem Mädchen kannst du auch mit ihm klären. Ich habe damit nichts am Hut."

„Glaub mir, mein Vater wird sich nicht darüber ärgern, sobald ich ihm erzähle, was ich entdeckt habe." Beynons Stimme klingt stolz und sehr von sich selbst überzeugt. Zwei Tage sind wir also vom Land entfernt. Ich sehe wie Kian genervt die Augen rollt. Ganz leise schleichen wir an der Türe vorbei. Die anderen Türen sind geschlossen und wir entscheiden uns sie nicht zu öffnen. Wir möchten ungern schlafende Seeleute wecken. Als wir am Ende des Ganges auf eine Treppe stoßen, gehen wir ohne groß nachzudenken hinauf. Eine gewisse Anspannung, uns außerhalb der Zelle zu bewegen, durchfährt meinen Körper. Aber auch die Freude von dem bisschen Freiheit sprudelt in mir auf.

Die Flucht (Merahs Fluch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt