Kapitel 24b

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Es ist Minerva, die durch die Türe tritt. Nicht nur sie und Zoya betrachten meine freudige Laune verwirrt. Auch Kian, der mich vom Bett beobachtet, betrachte mich als sei ich verrückt geworden. Für ihn ist es noch verwirrender, denn er hat meinen Gefühlsausbruch gestern miterlebt und er kennt den Rückschlag, bezüglich unseres Fluchtplans. Doch was er nicht weiß, ist, dass ich endlich Klarheit erlangt habe. Mir ist bewusst, dass ich mir die Liebe zu einem toten jungen Mann eingestand.

Doch das Gefühl, endlich im reinen mit mir zu sein; endlich das Gefühlschaos in mir geordnet zu haben und bereit, die Liebe nicht länger als Feind zu sehen, erfüllt jede Faser meines Körpers. All das gibt mir die Kraft, die negativen Gedanken von mir zu stoßen. Sie in die dunklen Ecken zu verbannen und dem Positiven den Platz zu geben, den es verdient.

Nachdem Minerva und Zoya wieder ein Wunder vollbringen, betrachte ich mich im Spiegel. Zum ersten Mal sehe ich das hübsche Mädchen hinter der Fassade von Make-up und nicht das Make-up als hübsche Fassade. Als Minerva und Zoya das Zimmer verlassen, räuspert sich Kian kurz und ich drehe mich mit einem breiten Lächeln zu ihm. Besorgnis, wie ich sie zuvor noch nie an ihm gesehen habe, liegt wie ein dicker Schleier über seinen Augen. Er zweifelt an deiner mentalen Gesundheit, kommentiert mein Verstand.

„Geht es dir gut?", will er fürsorglich wissen und räkelt sich aus dem Bett. Mit schnellen, zielstrebigen Schritten, kommt er auf mich zu und legt behutsam seine Hände auf meine Schultern.

„Ja, Kian. Das tut es. Wirklich", sage ich mit so viel Überzeugung, dass ich sehen kann, wie ein Teil des Schleiers von seinen Augen fällt. Der Hauch eines Lächelns legt sich auf seine Lippen.

„Du siehst ... glücklich aus", bemerkt er, nachdem er mich noch ein paar Momente betrachtet. Glücklich. Ja das bin ich. Glücklich.

„Ich glaube, das bin ich auch. Und Kian? Streng deine Gehirnzellen an, wir brauchen einen neuen Fluchtplan. Denn heute Abend entkommen wir diesen Mauern", verkünde ich mit so viel Hoffnung, dass mir erst jetzt bewusst wird, dass ich felsenfest davon überzeugt bin. Freudig springe ich beinah aus der Türe und durch den Gang. Vor der Türe des Essenssaals stoße ich beinah mit Leander zusammen, der gerade um die Ecke tritt.

„Guten Morgen, Emmelin. Wieso heute so stürmisch?", fragt er verwirrt und betrachtet mich innig. Seine rechte Augenbraue steigt in die Höhe, als er mein breites Grinsen bemerkt. „Was ist mit dir los?", fügt er hinzu, bevor ich seine erste Frage beantworten kann.

„Nichts", zwitschere ich fröhlich. Mit einem breiten Grinsen blicke ich ihm entgegen und sehe wie seines etwas nach unten zuckt.

„Nichts?", fragt er ungläubig. „Du bist heute irgendwie ... fröhlicher", versucht er zu erklären. „Was ist denn gestern am Hafen passiert?", fragt er mit einem Hauch von Eifersucht. Er denkt, dass Beynon der Grund für meinen Gemütszustand ist. Mein Lächeln zuckt kurz. Du darfst dir nichts anmerken lassen. Sonst verstehen sie noch, dass du einen Weg aus Evrem gefunden hast, mahnt mich mein Verstand und ich unterdrücke das fröhlich auf und ab Wippen.

„Nichts Interessantes, wirklich. Ich habe nur erfahren, dass Willy Kapitän werden will. Wusstest du das er ein Lexikon an Wissen über Schiffe und alles was das Segeln angeht, ist? Der Kleine weiß Dinge, von denen ich noch nie in meinem Leben gehört habe", schwärme ich von meinem kleinen Bruder. Das entlockt Leander ein Lachen und löst seine Verwirrung über meinen Gemütszustand. Die Eifersucht bleibt jedoch.

„Guten Morgen, Mutter", begrüße ich sie strahlend, als ich den Raum betrete und falle ihr in den Arm. „Ich liebe dich", verkünde ich fröhlich. Ich spüre wie sie kurz zusammen zuckt, doch unterdrücke die negativen Gedanken, die versuchen etwas in die Situation hineinzuinterpretieren. Auch Willy ziehe ich in eine feste Umarmung. Danach lasse ich mich mit einem breiten Grinsen auf meinem Platz fallen. Ich bemerke Beynons Blick, der wie Leanders zuvor, von Verwirrung und einem Hauch an Misstrauen gefüllt ist.

Die Flucht (Merahs Fluch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt