Kapitel 23a

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Am Frühstückstisch des nächsten Morgen hebt sich meine Stimmung auch nicht. Obwohl Willy wieder fröhlich vor sich herplappert, hängen meine Gedanken an der Zeit, die zu schnell voranschreitet. Die Kombination aus der gestrigen Enttäuschung und dem zu wenigen Schlaf lässt mich erschöpft über meinem Teller hängen. Aus irgendeinem Grund wirkt mein Frühstück wie ein Boot geformt. Selbst mein Rührei und der Speck machen sich über mich lustig. 

Traurig stochere ich in dem Essen herum. Als etwas gegen meinen Kopf stößt, werde ich aus meiner Trance gerissen und schaue auf.

„Willy!", mahnt meine Mutter meinen kleinen Bruder. Ich sehe, dass der Kleine mir ein Brötchen gegen den Kopf geworfen hat und sich jetzt ein Grinsen nicht unterdrücken kann. Meine Mutter hingegen schaut verärgert zu ihm und dann entschuldigend zu mir. Auch Leander und Beynon müssen sich ein Lachen unterdrücken, was mich zum Schmunzeln bringt.

„Was? Sie hat nicht zugehört", sagt der Kleine unschuldig und ich blicke entschuldigend zu ihm. Er muss mit mir gesprochen haben und ich habe es nicht gemerkt.

„Tut mir leid, Kleiner. Meine Gedanken sind momentan etwas - abgelenkt." Kurz blicke ich zu Beynon, der zu verstehen scheint, was meine Gedanken beansprucht. Ich glaube nicht, dass jemand Willy bereits von der Hochzeit berichtet hat. Als Beynon es meiner Mutter erklärte, war er noch nicht da. Nicht dass es sich um ein Geheimnis handelt, aber ich will den Kleinen nicht mit Dingen belasten, die er nicht begreifen kann.

„Was denn? Vielleicht kann ich helfen", schlägt Willy vor und zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht. Seit langem eines, das ehrlich ist. Wieder erkenne ich meinen Vater in seinem Gesicht und eine Wärme umschließt mein Herz.

„Ich denke nicht kleiner, aber danke", sage ich kurz und versuche das Thema zu wechseln. „Was hast du denn heute vor?" Die Augen meines Bruders weiten sich und sein Grinsen wird noch größer. Als habe ich ihm gerade eine Torte vor die Nase gestellt, schaut er mich vorfreudig an.

„Ich geh heute zum Hafen mit Beynon", verkündet er stolz. Kurz überrascht mich die Tatsache, dass der Besuch des Hafens so viel Freude in dem Kleinen weckt.

„Nur wenn du dich benimmst", mahnt Beynon fröhlich, doch sein Grinsen wird groß, als er das fröhliche Lächeln von Willy sieht. Seine Worte vernehme ich nur am Rande, denn mir kommt im selben Moment eine Idee.

„Darf ich euch begleiten?", frage ich flehend und mit einem übertrieben großen Lächeln. Eine Idee beginnt in meinem Verstand zu wachsen und lässt mich wieder Hoffnung fassen.

„Ich weiß nicht, ob...", beginnt Leander zu sagen und ich sehe Beynons Augen herausfordernd aufblitzen. Es gefällt ihm nicht, dass Leander die Frage beantworten will, die ich offensichtlich an ihn gestellt habe. Ich erinnere mich daran, als Leander mich an den Hafen nehmen wollte und Beynon es für keine gute Idee hielt, was meine Hoffnung wieder etwas drückt.

„Leander, das entscheide wohl ich", sagt er streng an seinen Bruder und ich sehe die Rivalität zwischen ihnen wieder aufblitzen. Und Wut in Leanders Gesicht über die Art, wie Beynon mit ihm spricht. Erneut kommt mir eine Idee, um diese für mich zu nutzen. Keine Zeit, um die Beziehung zwischen den beiden Brüdern zu schonen.

„So hätten wir beide wieder etwas mehr Zeit zusammen. Ich denke, es ist in Ordnung für Leander, wenn wir unser Treffen heute einmal ausfallen lassen." Zwar genieße ich die Ausflüge aufs Dach ungemein. Aber ich weiß, dass ich Beynon, mit der Aussicht auf ein ausgefallenes Treffen mit seinem Bruder, ködern kann. Kurz habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn so manipuliere, aber mir läuft die Zeit davon. Nachdem ihnen meine Gefühle nicht genug bedeuten, um mir Antworten zu geben, kann ich jetzt auch ihre missachten. Es ist unübersehbar, wie sehr Beynon die Treffen missfallen. Ich bin nur noch nicht sicher, weshalb er nichts dagegen unternimmt. Mein Angebot reizt Beynon. Leanders bösen Blick an seinen Bruder ignoriere ich. Sehe Beynon aber an, dass es ihm gefällt.

Die Flucht (Merahs Fluch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt