002 BUCH FÜNF - Cieran

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Vielen Dank, dass ihr euch entschieden habt, die Geschichte von Ladon und Cieran hier weiter zu verfolgen! Solltet ihr neu hier sein, hier ein Hinweis: Dieses Buch, "Der Baum der Götter", ist der zweite Teil in der "Legenden von Patria"-Reihe. Ihr solltet "Flammendes Blut" gelesen haben, bevor ihr hier ansetzt. Viel Vergnügen!

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Zwei lange Wochen waren verstrichen, Wochen, in denen wir die Gebirgszunge nach Gideas passiert, Gideas durchquert und schließlich die Wälder Giars erreicht hatten.

Adrastos hatte die ganze Zeit über vielleicht ein Dutzend Worte mit mir gewechselt. Je näher wir der Hauptstadt Illea kamen, desto unruhiger schien er zu werden. Ich war mir nicht sicher, ob das an der Nähe zu seinem Auftraggeber lag, oder an der Tatsache, dass der nächste Neumond allmählich näherrückte. Ich versuchte nicht erneut zu flüchten, gab mir nur immer wieder Mühe, Ladon über das Band zwischen uns zu erreichen. Doch es gelang mir nicht.

Bei den Göttern, ich fragte mich, wann dieser Höllenmarsch endlich enden würde. Der Kopfgeldjäger versorgte mich mit Essen und Trinken, wenn wir einen Bach oder Fluss passierten, durfte ich mich waschen. Aber er ließ mich nie mehr aus den Augen. Nie mehr schlief er, während ich wach war. Diesen Fehler wollte er offensichtlich nicht noch einmal machen.

Die Reise laugte mich aus, ebenso die kaum erholsamen Nächte, gefüllt von Träumen vom Elfen und dem Galgen.

Und doch versuchte ich immer wieder, eine Konversation mit Adrastos zu beginnen. So auch an diesem Abend, an dem wir unter einer großen Eiche ein Lager aufgeschlagen hatten.

"Du hast gesagt, ich würde nie verstehen, warum du mich nicht tötest", begann ich das Gespräch.

Statt mir zu antworten, richtete Adrastos nur seine stechenden Augen auf mich, zeigte mir damit, dass ich seine Aufmerksamkeit hatte.

"Erklär' es mir", forderte ich ihn auf. Mit einer Reaktion hatte ich nicht gerechnet, umso überraschter war ich, als sie doch kam.

"Die Liebe ist Segen und Fluch zugleich."

"Du sprichst in Rätseln", erwiderte ich verständnislos.

Adrastos stöhnte genervt, dann setzte er fort: "Sie ist ein Segen, wenn sie besteht, und ein Fluch, wenn sie entzweigerissen wird."

"Klingt, als hättest du Erfahrung", forderte ich ihn heraus.

"Was geht dich das an, Grünschnabel", zischte er, doch die sich wie vor Schmerz krümmenden Flammen in seiner Aura verrieten ihn.

"Erzähl mir davon", bot ich ihm an.

"Warum sollte ich das tun?", entgegnete er ungläubig. Verächtlich bewegten sich seine Mundwinkel nach unten.

"Weil ich dir zuhöre. Was hast du zu verlieren?"

Adrastos stand auf, ich erwartete fast schon, dass er zu mir kommen würde, um mich zu schlagen. Aber das tat er nicht. Er begann, vor dem Lagerfeuer auf und ab zu gehen, die Schatten, die das Licht der Flammen warf, tanzten auf seinem vernarbten Gesicht.

"Einst habe ich jemanden geliebt. Sie war wunderschön, von höherem Intellekt als jedes andere Lebewesen... und doch war sie von Unheil gezeichnet."

Ich wollte fragen, was er damit meinte, aber ich hatte Angst, er würde mit seiner Erzählung aufhören. Also hielt ich stattdessen meinen Mund geschlossen und beobachtete ihn aufmerksam, während er weiter auf und ab schritt.

"Ihre zwiespältigen Wurzeln hinderten sie daran, in einer der Welten Fuß zu fassen. Ich war der erste Halt, den sie ihn ihrem Leben hatte, die erste, neu geschlagene Wurzel. Standhaft genug, um jedem Sturm standzuhalten, wie ich damals glaubte."

Sein Blick verfinsterte sich. Bald war ich mir nicht mehr sicher, ob die Flammen oder seine Falten die Schatten über sein Gesicht warfen.

"Das schrecklichste Schicksal ereilte uns. Das Schrecklichste, was einem liebenden Paar passieren kann. Danach verschwand sie für immer. Manchmal denke ich noch immer an ihr wallendes, rotes Haar...", erinnerte sich Adrastos zurück.

Ich empfand Mitleid mit ihm. Auch wenn er kaum Fakten ausgesprochen hatte, war mir doch klar geworden, dass in seinem Leben tragische Geschehnisse Einzug gehalten hatten, die er noch immer mit sich herumtrug. Dann kam mir ein anderer Gedanke. Ich war mir nicht sicher, ob er beunruhigend oder ermutigend war, dennoch teilte ich ihn mit Adrastos.

"War sie... eine Elfe?"

Wie eingefroren blieb Adrastos stehen, von mir abgewandt.

Ich nahm meinen Mut zusammen und fragte erneut: "War sie eine Elfe?"

"Die Hälfte ihrer Wurzeln lag bei den Elfen. Woher weißt du das?", erwiderte Adrastos, wandte sich jetzt ruckartig zu mir um.

"Als man mich in Illea eingesperrt hatte, um mich bald darauf wegen Königsmordes hinzurichten, hat mich eine rothaarige Frau mit spitzen Ohren und einer goldenen Maske besucht."

"Was?!", schrie Adrastos jetzt beinahe, dann sprang er auf mich zu, riss mich am Kragen hoch und brüllte mir ins Gesicht: "Du kennst sie?! Was hat sie dir gesagt?!"

"Woher weißt du überhaupt, dass sie es war?", versuchte ich, ihn zu beschwichtigen, wieder einmal baumelten meine Füße in der Luft.

"Ich sah sie auch. Mit einer goldenen Maske. Sie war es."

"Sie sagte mir, dass ich ein Drachenreiter sei... Und dass ich, wenn ich Ladon beschützen wolle...", weiter kam ich nicht, der Kopfgeldjäger ließ mich auf den Boden fallen und wandte sich wieder von mir ab.

Die Teile eines zersplitterten Mosaiks begannen allmählich, sich in meinem Kopf zusammenzusetzen. "Sie war - oder ist - deine Reiterin!"

Adrastos antwortete nicht, sah nur mit starrem Blick in den dunklen Wald hinein.

"Du musst mir sagen, was das bedeutet! Was ist das für eine Verbindung zwischen Ladon und mir?", drängte ich ihn jetzt. Er wusste mehr, das war offensichtlich. Und doch teilte er keine Antwort mit mir.

Wie viel von den Geschehnissen, die unsere Welt ins Chaos stürzten, steuerte diese Halbelfe mit der Goldmaske?

"Sie war es", sagte er schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit des spannungsgeladenen Schweigens.

"Sie war was?"

"Sie war es, die mir den Auftrag gab, dich zu töten."

Legenden von Patria - Der Baum der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt