062 BUCH ACHT - Cieran

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"Ich bin gekommen, um mich mit euch um die Bedrohung zu kümmern, die mein Onkel für Gorian darstellt", erwiderte ich bestimmt. Schon seit wir Khrysor getroffen hatten, hatte ich mein Bestes getan, die Haltung eines Lords einzunehmen.

Ich hasste es.

"Dafür war wohl zuerst ein kleiner Abstecher ins sonnige Deas nötig, was?", stichelte Asena gegen mich. Sie mochte mich nicht, aber ich mochte sie auch nicht wirklich. Ich wusste nicht einmal, ob man ihr trauen konnte, zu impulsiv waren ihre Handlungen. Aber Ladon vertraute ihr - deshalb gab ich ihr ebenfalls einen Vertrauensvorschuss.

Laute Schreie aus dem Inneren des Gebäudes, in dem sich einst unter anderem der Thronsaal meines Vaters befunden hatte, lenkten unsere Aufmerksamkeit auf sich.

"Was geht da drinnen vor?", fragte Ladon alarmiert nach.

"Eine Frau bekommt ihr Kind und es läuft nicht besonders gut", erklärte Asena, die Ladon gegenüber einen wesentlich weicheren Ton anschlug.

Wieder hallten markerschütternde Schreie aus dem Gebäude heraus, mir stellten sich die Nackenhaare auf. Aber tun konnte ich nichts, schließlich war ich kein Heiler.

"Lasst uns das Gespräch also an einem ruhigeren Ort fortsetzen, wenn Ihr erlaubt", schlug Khrysor vor, ich nickte dankbar.

Asena schien nicht besonders glücklich darüber, ihre Autorität mit meiner Ankunft erneut weitgehend zu verlieren, doch auch sie neigte ihren Kopf in Zustimmung, Khrysor führte uns in eines der weiteraufgebauten Nebengebäude. Die Schmiede.

Das Innere erinnerte mich an die Katakomben, alles war vollgestellt mit Betten, Waffen, einem Tisch in der Mitte. Besprechungsraum wie Schlafquartier gleichzeitig.

"Also - was ist passiert, seit ihr beide euch der Reihe nach hier eingefunden habt und dann so überstürzt wieder verschwunden seid?"

-

Eine Leiter führte mich hinauf ins obere Stockwerk des Wohngebäudes der Clanfamilie, beide steinernen Treppenhäuser waren eingestürzt. Die Ruine war zahlreichen Plünderungen zum Opfer gefallen, das obere Stockwerk des Hauses war nahezu leer gefegt. Auch ich hatte hier gelebt. Und ich erinnerte mich noch daran, wie alles einst ausgesehen hatte.

Einst - dabei war es noch gar nicht lange her. Wie viel sich in so kurzer Zeit geändert hatte. Wie sehr ich mich verändert hatte.

Ich hatte den Bergfried der Burg mit eigenen Augen einstürzen sehen, kaum zu glauben, dass überhaupt noch etwas von der Burg stand. Ich folgte dem Flur, musste hin und wieder Schutthaufen ausweichen. Der Boden könnte jederzeit unter mir nachgeben - ich war mir nicht sicher, wie stabil die Grundfeste des Gebäudes noch war.

Ohne einen Einsturz auszulösen erreichte ich schließlich die Tür zu meinem ehemaligen Gemach. Die Tür selbst war aus den Angeln gerissen worden, vielleicht von Plünderern unmittelbar nach dem Fall Dynions, vielleicht von Kopfgeldjägern, die hinter mir her gewesen waren - vielleicht sogar von Adrastos. Sicher würde ich das nie wissen.

Ich stieg über die eingetretene Tür hinweg nach drinnen.

Das Bett war noch da, zumindest das Grundgerüst. Die Matratze war herausgerissen worden, alles, was irgendeinen Wert gehabt hatte, geplündert und weg.

Man sah noch, wo das Fenster sich einst befunden hatte - darüber klaffte ein gewaltiges Loch im Mauerwerk. Ich stand nun in der Mitte des Raums und schloss die Augen.

Fast konnte ich mich selbst sehen, im Lauf der Jahre. Mein Vater, der mich weckte, meine Mutter an meinem Bett, wenn ich krank war. Alles Erinnerungen aus meiner frühen Kindheit. Vor der Zeit, in der ich mich zunehmend von meinen Eltern distanziert hatte.

Legenden von Patria - Der Baum der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt