Der Sturm war heftig und dauerte mehrere Tage an. Ich wanderte von Dorf zu Dorf, suchte Schutz vor dem eiskalten Wind voller dicker Schneeflocken, die meine Klamotten schnell durchnässten.
Direkt am Strand hatte ich Lyr's langen Mantel übergezogen, nur um festzustellen, dass er sein Schwert in diesen eingewickelt hatte. Ich hätte es ahnen sollen, als er den Mantel so merkwürdig zusammengefaltet ins Boot gelegt hatte, doch ich war zu sehr mit unserem Abschied beschäftigt gewesen.
Hoffentlich ließ der Sturm bald nach und ich fand einen Raben, der nicht Reißaus vor mir nahm, um dem Elf eine Botschaft zukommen zu lassen.
Es tat mir immer noch leid, ihn allein gelassen zu haben, aber der Drang, Cieran wiederzufinden, ihn wieder zu sehen und in meinen Armen zu halten, war einfach stärker gewesen.
Doch jetzt stand ich wieder vor dem Nichts. Zwar hatte ich das Bild der Gruft vor Augen, doch wo sie zu finden war, wusste ich nicht.
Die meisten Menschen hatten sich aufgrund des Sturms in ihren Häusern regelrecht verbarrikadiert und ließen niemanden herein, Tavernen waren ebenfalls geschlossen worden. Ich fand nur in Scheunen für kurze Zeit Schutz, oder in Ställen.
Manchmal dachte ich darüber nach, ein Pferd zu stehlen, aber dann sah ich die ärmlichen Häuser und verwarf den Gedanken wieder. Die Menschen brauchten das Pferd mehr als ich, wahrscheinlich sicherten seine Dienste ihnen das Überleben.
Obwohl die Windböen teilweise so stark waren, dass ich Sorge hatte, davongeweht zu werden, kämpfte ich mich durch den Sturm weiter ins Landesinnere, wo ich hoffte, dass zumindest die Winde schwächer wurden, schließlich kamen sie ja vom Meer. Und das geschah tatsächlich, wenn auch erst nach fast drei Tagen.
Gerade hatte ich am Horizont das nächste Dorf entdeckt. Es war bereits früher Abend, da ließ der Sturm allmählich nach. Bis ich das Dorf erreicht hatte, war er endgültig vorüber und die Wolkendecke riss sogar in Teilen auf, ließ den frischen Schnee in den wenigen, schwachen Strahlen der Wintersonne glitzern, bevor sie endgültig untergehen würde.
In diesem Dorf herrschte wieder Leben, viele der Dorfbewohner schienen sich nach dem Sturm in der Taverne am Dorfplatz zu treffen. Ich folgte ihnen, wollte für eine Weile dem Winterwetter draußen entkommen. Etwas zu trinken konnte ich mir auch leisten, ich hatte unter dem Proviant und dem Kräutertrank ein paar Silbermünzen gefunden, die Lyr mir dort hineingelegt hatte.
Ich hätte ihn dafür ohrfeigen können, schließlich brauchte er das Geld selbst und wenn schon nicht für Essen, dann mindestens für den Hufschmied. Schließlich hatte er erst kürzlich gemeint, sein prächtiger Schimmel müsse neu beschlagen werden.
Die Taverne war voll von Menschen, ich konnte nicht einen freien Tisch ausmachen. Ich quetschte mich regelrecht durch die Menge, hielt Ausschau nach einem freien Platz.
Die Wirtin kam mir entgegen, ich wunderte mich wie sie sich trotz ihrer rundlichen Figur so geschickt zwischen den Gästen umherbewegen konnte.
"Ihr sucht wohl einen Platz?"
Ich nickte nur, lächelte freundlich.
"Einen freien Tisch haben wir nicht mehr, ich kann Euch nur noch einen Platz dort hinten am Kamin anbieten, bei den Müllersgesellen", sagte die Wirtin und deutete auf den Tisch am Kamin, wo ein paar junge Männer saßen und ihre Bierkrüge leerten.
"Das wird schon gehen", entgegnete ich, "Bringt mir einen Krug Bier, Frau Wirtin, ich mache mich inzwischen mit meinen Tischnachbarn bekannt."
Die Wirtin nickte und ging davon zum Tresen. Ich erreichte kurz darauf besagten Tisch. Die Müllersgesellen verstummten und sahen mich an. In ihren vom Alkohol bereits etwas glasigen Augen lag etwas fragendes, jedoch nichts unfreundliches.
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Legenden von Patria - Der Baum der Götter
FantasyDIESES BUCH IST DER ZWEITE TEIL IN DER "Legenden von Patria"-REIHE. Die erste Schlacht wurde geschlagen und der erste Sieg gefeiert. Doch damit ist der aufkommende Krieg nicht beendet. Obwohl Levian vernichtend geschlagen wurde, fährt er mit seinen...