042 BUCH SIEBEN - Ladon

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Die mit Goldfäden bestickte Polsterung des Sofas war kratzig und störte mich. Müde schlug ich die Augen auf und blinzelte gegen das Sonnenlicht, welches durch die wenigen Spalten der geschlossenen Fensterläden fiel. Es musste schon Mittag sein, so kräftig wie die Sonne schien.

Cieran lag neben mir - wobei, halb auf mir traf es wohl eher. Eng an mich geschmiegt und seinen Kopf auf meiner Brust abgelegt, schlief er noch seelenruhig.

Er war nach dem gestrigen Tag ohnehin schon müde gewesen, unser intensives Liebesspiel in der Nacht hatte letztendlich auch noch zu seiner Erschöpfung beigetragen. Ich lächelte, dachte an die heiße Nacht zurück, wie Cieran die Kontrolle über seinen Körper verlor, mich stürmisch küsste und mir immer wieder mit vor Erregung zitternden Stimme zuhauchte, wie sehr er mich liebte. Währenddessen strich ich sanft durch Cierans weiches Haar, betrachtete ihn liebevoll.

Ich liebte ihn so sehr.

Sanft hauchte ich ihm einen Kuss auf die Stirn, achtete aber darauf, mich nicht allzu sehr zu bewegen. Ich wollte Cieran noch nicht wecken, er brauchte den Schlaf.

Cieran seufzte leise im Schlaf, drehte sich ein klein wenig zur Seite, weshalb ich erneut lächelte.

Dann aber verschwand mein Lächeln plötzlich, als Leanders Worte von gestern durch meinen Kopf hallten.

Oder sollte ich ihn lieber deine Hure nennen, wenn ich euch beide so anschaue?

Diese Beleidigung hatte mich verletzt, auch wenn ich es niemandem gezeigt hatte. Nicht einmal Cieran. Noch immer wusste ich nicht, ob Leander das wirklich ernst gemeint hatte, aber dennoch war ich verletzt.

Ich war nicht Cierans Hure. Ich war...was eigentlich?

Die meisten hätten mich wohl als Cierans Liebhaber bezeichnet. Doch bedeutete das in adligen Kreisen nicht beinahe das gleiche wie Hure?

Vorsichtig stand ich auf, schaffte es tatsächlich, ohne Cieran zu wecken. Sanft zog ich die relativ dünne Decke - eigentlich war es das Tischtuch vom Esstisch - bis über seine Schultern.

Dann suchte ich mir meine Klamotten zusammen, die von der Eingangstür bis in das Esszimmer, wo wir die Nacht verbracht hatten, verstreut auf dem Boden und auf Möbelstücken lagen.

Als ich schließlich angezogen war, warf ich noch einmal einen Blick auf den schlafenden Cieran auf dem Sofa im Esszimmer. Dann ging ich nach draußen auf die Straße, setzte mich auf die Stufe vor der Tür und ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen.

Es war ein vergleichsweise warmer Wintertag. Zwar waren die Winter hier in Deas bei weitem nicht so kalt wie in Gorian, doch kalt war es dennoch. Letzte Nacht hatte ich auf den Straßen einige Pfützen gesehen, die ohne das wärmende Sonnenlicht gefroren waren. Dennoch wurde deutlich, dass der Winter sich bald dem Ende neigen würde.

Meine Gedanken schweiften wieder zu Cieran und Leanders Beleidigung, trübten den schönen Tag in meinen Augen.

Ich war nicht Cierans Hure, würde es nie sein. Er liebte mich und ich liebte ihn. Aber wie musste es wohl für Außenstehende wirken, die unsere Liebe nicht verstanden oder akzeptierten?

Zwei gleichaltrige Jungen, die zwar aufgrund der Hierarchie in der Öffentlichkeit auf Abstand gingen, aber sich dennoch verdächtige Blicke zuwarfen, den anderen stets verteidigten und sich gemeinsam zur Nachtruhe begaben. Bei den Göttern, so könnten wir unsere Tarnung niemals aufrecht erhalten.

Die Maske des Sir Fyreborn bekam immer mehr Risse, gefährlich viele Risse. Cieran und ich konnten nur hoffen, dass die Gerüchte nicht schon durch die gesamte Firvenarmee die Runde gemacht hatte.

Wir mussten aufpassen. Die Zeit in Nar-Sciath hatte uns unvorsichtig werden lassen, dort hatten wir uns nicht verstecken müssen, unsere einzige Sorge war die nötige Privatsphäre gewesen, die Dyana uns manchmal leider verwehrt hatte.

Doch hier war nicht Nar-Sciath. Bereits die letzte Nacht hätte all unsere Bemühungen auf Unterstützung zunichte machen können, hätte uns jemand gesehen oder auch nur gehört.

So schwer es uns auch fallen würde, wir mussten uns voneinander fernhalten. Keine verstohlenen Blicke mehr, die uns verraten könnten. Keine kurzen Berührungen mehr, wenn wir dachten, allein zu sein. Keine gemeinsame Nacht mehr, nicht einmal das gleiche Zimmer, schließlich könnte uns immer jemand folgen, den vielleicht sogar ich nicht bemerken würde.

Kurzum mussten wir zu dem werden, was wir vorgaben, zu sein: Ein Lord und sein Leibwächter. Nicht mehr und nicht weniger.

Mich störte allein der Gedanke daran, Cieran bei mir zu haben, ohne ihm wirklich nah sein zu können. Aber es musste wohl sein. Leise seufzend lehnte ich mich an die Tür, nur um wenige Minuten später fast nach hinten zu kippen, als sie geöffnet wurde.

"Hier bist du", sagte Cieran mit einem leichten Lächeln, der nur halb bekleidet in der Tür stand. Offenbar hatte er sein Hemd noch nicht gefunden.

Zuerst wollte ich ihm zuflüstern, doch dann entschied ich mich dazu, die Verbindung zwischen uns zu nutzen.

Wir müssen vorsichtiger sein, Cieran. Bitte geh rein und zieh dich an. Ich komme gleich nach.

Während ich gedanklich zu ihm sprach, war ich aufgestanden und hatte mich kurz verbeugt, wie es sich für einen Leibwächter gehörte.

Werden wir beobachtet?, fragte Cieran und ließ seinen Blick über die Häuser schweifen.

Nein, aber sicher ist sicher. Bitte, geh wieder rein.

Cieran nickte leicht und schloss die Tür wieder. Ich wartete einen Augenblick, sah in jedes der Fenster, von denen aus man das Haus, in dem wir übernachtet hatten, beobachten konnte. Ich sah und hörte nichts. Also betrat ich das Haus wieder.

"Also, was ist los?", fragte Cieran, kaum dass ich die Tür hinter mir geschlossen hatte.

"Ich habe nachgedacht. Vor allem über Leanders...Worte gestern", setzte ich an.

"Ladon, du darfst dem nicht glauben, was er gesagt hat. Du bist nicht meine Hure, niemals! Ich liebe dich und...", unterbrach Cieran mich aufgebracht und gefährlich laut.

Mit ein paar schnellen Schritten überwand ich die Distanz zwischen uns und ließ ihn durch einen kurzen Kuss verstummen.

"Ich habe darüber nachgedacht, wie er zu dieser Anschuldigung gekommen ist und mir ist klar geworden, dass wir selbst Schuld daran sind. Wir versuchen zwar, uns entsprechend unserer Rollen zu verhalten, aber schon ein einziger Blick kann uns verraten. Und ist meine Maske erst einmal gefallen, verlierst du Leanders Unterstützung völlig."

"Wir."

"Was wir?"

"Wir verlieren Leanders Unterstützung. Aber wir brauchen sie, um jeden Preis."

Legenden von Patria - Der Baum der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt