Bei den Dämonen, ich hatte Ladon nicht kommen sehen, nicht gefühlt, wie er sich durch die Menge zu mir hindurchgedrängt hatte. Ich fühlte nur Wut, Hass gegenüber dieser Hure, dieser Hure, dieser Hure. So kannte ich mich nicht. Und das ließ mich nur noch mehr aufbrausen.
Bis Ladon sich zwischen uns stellte, um mich zu küssen. Während viele dutzend Augen auf uns gerichtet waren. Zuerst war ich völlig überrumpelt von der Wärme seiner Lippen auf meinen, seinen Händen an meinen Wangen, seinem Geruch in meiner Nase.
Ebenso überrumpelt schien die Menge um uns herum. Stille war eingekehrt, Asena blieben die Schimpfworte scheinbar wie Steine im Hals stecken.
Dann fasste ich mich wieder und drückte Ladon mit meinen Händen von mir. "Was soll das?!"
Die Menge fasste das offenbar anders auf, als ich es gemeint hatte. Mein Zorn war vergessen, dafür übernahmen die Rebellen nun meine Wut, beleidigten in lauter werdendem Getuschel den Hinterlader, der sich an ihrem Lord vergriffen hatte - und das vor Augen aller.
Ladon wich noch einen Schritt von mir zurück, schien zunächst erleichtert. Kalt erfasste mich die Erkenntnis, warum er mich jetzt und hier geküsst hatte. Er hatte verhindert, dass ich diesen Burghof in ein Inferno verwandelte.
Khrysor war es schließlich, der die Initiative ergriff und die Situation entlud: "Mylord, Ihr solltet mir wieder nach drinnen folgen."
"Wir sind hier noch nicht fertig!", gab Asena entrüstet von sich, die inzwischen ein paar Schritte zur Seite getan hatte, um Ladon nicht mehr zwischen uns zu haben. Ich sah ihr den Schmerz in den Augen an. Und fühlte mich verdammt gut damit.
"Doch, das sind wir", widersprach ich und nickte Khrysor zu, um ihm zuzustimmen.
Dann sah ich wieder zu Ladon, der immer noch inmitten der ihn beleidigenden Menge stand, nur mit Augen für mich. Ich war mir nicht sicher, ob er überhaupt auf die Rufe achtete, die ihm um die Ohren geworfen wurden. Zum Glück waren es nur Worte, keine faulen Früchte oder gar Steine.
Ich konnte ihn nicht dort stehen lassen. Er hatte sich ausgeliefert, nur um mich davon abzuhalten, einen furchtbaren Fehler zu machen. Einen Fehler, zu dem Asena mich beinahe getrieben hatte.
"Und du kommst mit. Offensichtlich müssen wir reden", sagte ich also mit fester, strenger Stimme, als würde ich mir bereits überlegen, wie ich ihn am Besten bestrafen konnte.
"Reden? Ihr solltet ihm eine Hand abhacken, damit er sie nie wieder an andere Männer legen kann!", erklang eine Stimme aus der Menge.
Ich ging nicht darauf ein und doch traf mich der Kommentar bis ins Mark. Dabei war ich es, der die Gesellschaft von Männern bevorzugte. Ladon war der, dem das Geschlecht völlig egal zu sein schien. Ich war der, dem die Menge die Hand würde abhacken wollen, wenn sie von meiner Neigung wüsste.
Etwas hilflos sah ich zu Khrysor, der mir erneut aus der Bredouille half, indem er auf Ladon zutrat, ihn fest im Nacken griff und vor sich her zurück in die Schmiede stieß. Er hatte nichts gegen Ladon - aber er gab der Menge, was sie sehen wollte.
Nun blieb Asena zurück, die mich noch immer mit Schmerz in den Augen anfunkelte, ehe sie sich abwandte und in der sich allmählich zerstreuenden Menge verschwand.
Ich atmete hörbar aus, ehe ich die Schmiede betrat. Khrysor hatte Ladon wieder losgelassen, stand nun in einer Ecke, Ladon lehnte an der Wand und sah ins Leere, bis er mich hereinkommen sah.
"Ich lasse Euch ein wenig allein. Aber lasst es nicht zu lange dauern, die Menschen werden Verdacht schöpfen", bot Khrysor sich an, ich nickte dankbar, er ging.
Und ließ mich allein mit dem zurück, nach dem sich mein Herz so sehr verzehrte, und der mir doch mehr Schmerz bereitete, als es je jemand zuvor vermocht hatte.
"Cieran, es tut mir leid", begann er, stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu. "Ich habe sie geküsst, um an die Nachricht zu kommen, die du für mich hinterlassen hast. Ich liebe sie nicht."
Kurz überlegte ich, ob ich etwas darauf antworten sollte. Ich entschied mich dagegen. Worte würden mir nicht helfen. Auch ich tat einen Schritt auf ihn zu, dann holte ich aus und schlug ihm mit der flachen Hand schallend auf die Wange. Er hatte nicht damit gerechnet, dementsprechend hart traf ihn der Schlag.
Ich atmete durch. Das hatte gut getan.
"Cieran...", setzte Ladon erneut an, ein roter Abdruck bildete sich auf seiner Wange, wo ihn meine Hand getroffen hatte.
Dann konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten, die mir unvermittelt aus den Augen zu strömen begannen und mir die Sicht trübten. Ich schluchzte, verschränkte meine Arme vor meinem Körper, um mich vor der Kälte zu schützen, die plötzlich über meine Haut zu kriechen begann.
Bis die Kälte verschwand, als ich spürte, wie Ladon seine Arme um mich legte und mich damit in den Kokon aus Wärme einhüllte, der ihn stets umgab. Er sagte nichts mehr, das war auch gut so.
Ich versank in seinen Armen, bereit, alles zu vergessen. Die Zeit, die Welt, mein Leben, den Krieg.
Aber das konnte ich nicht.
Ich war es schließlich, der sich aus der Umarmung löste. Noch einmal holte ich aus und schlug ihn auf die andere Wange, er ließ es über sich ergehen.
Dann legte ich meine Hände an seinen Hinterkopf und zog ihn zu mir, um ihn zu küssen. Noch einmal seine Lippen schmecken, noch einmal seine Zunge über meine Lippen gleiten spüren.
Und wieder löste ich mich von ihm. "Ich verstehe es nicht."
"Ich hätte einen anderen Weg finden müssen", stimmte Ladon zu.
"Du solltest gehen."
Ladon hob die Augenbrauen, Angst glitzerte in seinen Augen. Seinen schönen Augen. "Du willst, dass ich gehe?"
"Nicht für immer. Nur eine Weile, bis der Tumult um den Hinterlader sich gelegt hat, der sich an den rechtmäßigen Lord von Gorian rangemacht hat", bestätigte ich mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen.
"Dann werde ich gehen. Ich kann nach Süden, dem Fluss stromabwärts folgen. Schauen, wie weit die Flotte der Morwyrs gekommen ist."
"Und dann kommst du zurück", bat ich ihn, konnte auch meine Angst nicht verbergen. Die Angst, ihn zu verlieren. Die Angst vor dem unendlichen Schmerz, der aus diesem Verlust folgen würde.
"Und dann komme ich zurück", bekräftigte Ladon. "Und wir fangen neu an, wenn du willst."
Und ich hatte noch nichts in meinem Leben mehr gewollt.
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Legenden von Patria - Der Baum der Götter
FantasíaDIESES BUCH IST DER ZWEITE TEIL IN DER "Legenden von Patria"-REIHE. Die erste Schlacht wurde geschlagen und der erste Sieg gefeiert. Doch damit ist der aufkommende Krieg nicht beendet. Obwohl Levian vernichtend geschlagen wurde, fährt er mit seinen...