012 BUCH FÜNF - Cieran

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"Ich kenne einen Weg in die Burgruine hinein. Ich weiß nicht sicher, ob er nicht verschüttet ist - aber es ist wohl das Beste, das wir kriegen können", sagte ich zu Asena.

Unmittelbar nach dem Anfall hatte ich Ladon gespürt. So nah, ich konnte ihn beinahe riechen, aber er war nicht da. Und doch war er es. Das Gefühl war nur kurz, doch es hatte gereicht, um den Schmerz zu verdrängen und mich zurück in die Welt zu holen.

Ich hatte Worte gehört. Ladons Worte. Aber ich hatte sie nicht verstanden.

"Ladon?", versuchte auch ich, mit ihm Kontakt aufzunehmen - ich sprach die Worte aus, gleichzeitig versuchte ich, sie über unser Band zu ihm zu schicken. Doch ich bekam es nicht zu greifen, zu sprunghaft war es, ich war mir nicht sicher, ob es ihn überhaupt erreicht hatte.

Aber er war noch da und er war mir näher gewesen als je zuvor. Ich wusste nicht, ob er mir auch räumlich nähergekommen war - doch er war nah.

Als ich in die Gruft zurückkam und in eine Besprechung zwischen Asena und einigen anderen hineinplatzte, lächelte ich.

"Ihr sprecht vom Geheimgang", erwiderte Khrysor wissend.

"Woher weißt du...", wollte ich mich erkundigen.

"Ich hatte immer ein Auge auf Euch", entgegnete er und lächelte sanft. Dann verfinsterte sich sein Gesicht und er senkte den Blick zu Boden. "Bis Ihr aus Dynion verschwunden seid."

Hatte er von meinen nächtlichen Ausflügen in die Stadt hinunter gewusst? Ja, das hatte er. Sein Blick verriet ihn. Doch an meinen Vater verraten hatte er mich nicht. Das rechnete ich ihm hoch an.

"Wir brauchen mehr Waffen, bevor wir direkt ins Herz des Feindes vordringen", brachte Asena ein.

"Was schlägst du also vor?", wandte ich mich wieder an sie.

"Einer meiner Spion hat mir von einer Waffenlieferung berichtet, die Levian deinem Onkel geschickt hat. Wir könnten sie davon abhalten, ihr Ziel zu erreichen."

Ich nickte. "Ich helfe euch."

"Kannst du überhaupt kämpfen?", fragte Asena misstrauisch.

"Ich habe es ihm beigebracht", bestätigte Khrysor. "Er kann kämpfen."

"Na dann, seltsamer Junge... bereiten wir uns mal vor."

-

Es war eiskalt hier, zurück an der Oberfläche. Der berüchtigte Wind peitschte noch immer über die Ebene, vereinzelt fielen Schneeflocken zwischen den Böen. Mein Atem bildete kleine Wolken in der Luft, die über meinem Kopf hinwegflogen, in den Himmel hinein. Wie ein paar winzige Drachen.

Ich stand allein am Rand der Straße, am Horizont sah ich bereits den von mehreren Reitern begleiteten Tross kommen. Drei Planwagen, je zwei Soldaten auf dem Kutschbock. Ein halbes Dutzend auf Pferden darum herum. Vielleicht waren noch mehr innerhalb der Wägen.

Mein Blick schweifte über die Gegend. Man konnte meine Begleiter tatsächlich nicht mehr sehen. In helle Klamotten gekleidet, verborgen zwischen Sträuchern, kauerten etwa fünfzehn Männer und Frauen, Asena und Khrysor. Es musste verdammt kalt auf dem gefrorenen Boden sein, doch alle hielten still. Wenn man ganz genau hinsah, konnte man ein einzelnes Gesicht ausmachen, von dem dampfende Atemwolken ausgingen.

"Seid ihr auf dem Weg nach Dynion? Könnt ihr mich mitnehmen?", fragte ich schließlich den ersten der Reiter, nachdem sie mir nahegekommen waren. Ich krümmte mich vermeintlich vor Kälte vor ihm zusammen, ging auf die Knie.

"Verschwinde, Lump!", zischte der mich an. Dabei trug er das Wappen der Blayds.

"Weißt du überhaupt, mit wem du redest?!", erwiderte ich und richtete mich wieder auf. Ich hatte mein Ziel erreicht, der Tross kam zum Stehen.

"Was juckt es mich? Mach die Straße frei, sonst sorgen die Hufe unserer Pferde für Platz!"

"Ich bin Cieran Blayd."

Schallendes Gelächter. Davon ließ ich mich nicht beeindrucken. Weil ich wusste, was sie nun erwartete. Mich anzuerkennen war ihre einzige Chance gewesen.

Der erste Pfeil traf den ersten Reiter direkt durch den Hals, das Blut sprühte daraus hervor, helles Rot auf dem Weiß des Schnees. Sein Pferd ging durch und preschte an mir vorbei weiter den Weg entlang. Seine Leiche glitt herab, wurde an den Sporen mitgeschliffen, hinterließ eine rote Spur im Schnee.

Ich ließ den Lumpen fallen, mit dem ich mich bedeckt hatte und zog das Schwert, das Khrysor mir anvertraut hatte. Ein Beidhänder, es lag schwer in der Hand - aber ich war mir sicher, gut genug damit umgehen zu können.

Wie geplant hatten unsere Schützen die Kavallerie binnen weniger Augenblicke ausgeschaltet, damit blieben nur noch die Soldaten, die die Planwägen bemannten. Inzwischen hatten sich meine Unterstützer erhoben und stürmten die Straße, den Soldaten auf den Wägen blieb keine Wahl, als zu kämpfen - die Straße war von den Leichen der Reiter zu uneben geworden, sie wären nicht weit gekommen.

Einer stürmte auf mich zu, mit erhobenen Schwert. Als er mich erreicht hatte, wich ich einen Schritt zur Seite und riss mein Schwert in die Luft. Die Klinge schnitt den Kopf von den Schultern, ich konnte mich dem nächsten Gegner zuwenden. Tatsächlich hatten sich in den Wägen mehr Soldaten befunden, da nun mindestens ein Dutzend der Soldaten meines Onkels auf der Straße waren.

Auch Asena war da und ihr Kampfstil erinnerte mich an den von Atarah. Aber Atarah war besser, koordinierter, präziser. Asena verlor beim Kämpfen den Umblick. Ich rannte zu ihr, als ich einen vermeintlich toten Reiter sah, der, trotz einem Pfeil in seinem Rücken, gerade aufstand und sein Schwert zog. Gerade, als er Asena mit einem groben Hieb in den Rücken schlagen wollte, hatte ich sie erreicht und blockte den Schlag mit meiner eigenen Waffe ab. Das laute Scheppern veranlasste Asena dazu, sich umzudrehen. Sie kommentierte nicht weiter, dass ich ihr gerade das Leben gerettet hatte, und wandte sich wieder dem Gegner vor ihr zu.

Es dauerte nur noch wenige Minuten, bevor wir die Planwägen in unserem Besitz hatten und uns aufmachten in Richtung Unterschlupf.

Sie waren voll mit Waffen, Schwertern, Lanzen, Pfeilen und Bögen. Gold wert in diesen Zeiten. Vom erfolgreichen Überfall blieben nur einige Leichen zurück, die bereits langsam vom Schnee bedeckt wurden.

Legenden von Patria - Der Baum der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt