055 BUCH SIEBEN - Ladon

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Ich wusste nicht genau, wie ich es schaffte, aber nachdem ich am Ufer des Sees bei Nar-Sciath gelandet war, verwandelte ich mich zurück.

Ich schluchzte auf, Tränen liefen mir in Strömen über die Wangen.

Frierend, zitternd und schluchzend lag ich auf den kalten Kieselsteinen. Nicht nur Cieran war überfordert mit der Situation, auch ich.

Ich war ein Monster, das willkürlich Menschen tötete, ein Ungeheuer, das sich nicht unter Kontrolle hatte. Feuer und Tod, das war alles, was ich der Welt bringen würde. Feuer und Tod.

Und ich hatte Cieran allein gelassen, gerade jetzt, wo er mich brauchte. Er war erschüttert, überfordert und so furchtbar traurig.

Ob er meine Trauer nach dem Tod der Waisenkinder auch so sehr gespürt hatte, wie ich nun seinen Schmerz durch Atarahs Verlust spürte?

"Hab ich's doch gewusst."

Dyanas Stimme brachte mich irgendwann zurück in die Realität, riss mich aus dem dunklen Strudel, in dem ich versunken war.

Ich sagte nichts, hob nur den Kopf ein klein wenig und kauerte mich noch mehr zusammen, mir plötzlich wieder darüber bewusst, dass ich nackt war.

"Hier, zieh dir erstmal was an", sagte Dyana, reichte mir ein paar zerschlissene Klamotten und drehte sich dann um, gab mir etwas Privatsphäre.

Wie mechanisch zog ich die Klamotten an, hatte keine Kraft richtig aufzustehen.

"Fertig...", brachte ich brüchig hervor, meine Stimme matt und kratzig.

Dyana wandte sich wieder zu mir, betrachtete mich für einen Moment schweigend. Ich musste furchtbar aussehen, wie ein Häufchen Elend.

"Komm", meinte sie dann, "Ich habe Tee gekocht. Wir trinken eine Tasse und du erzählst mir, was passiert ist."

Sie reichte mir ihre Hand und ich ergriff sie nach kurzem Zögern, folgte ihr in das Haus, in dem Cieran und ich mit ihr gelebt hatten, als wir hier waren.

Ich starrte nur vor mich hin, auch als ich schließlich in dem kleinen Haus am Tisch saß und Dyana mir eine Tasse mit dampfendem Tee in die Hand drückte.

Cieran weinte wieder, ich spürte es. Winzige Nadelstiche in der Magie unseres Bandes. Allein das Gefühl trieb mir selbst die Tränen in die Augen, erfolglos versuchte ich, sie durch Blinzeln loszuwerden.

"Ich kann dich nicht zwingen, mit mir zu sprechen, Ladon. Aber lass mich dir sagen, dass es hilft."

Dyanas Stimme drang wieder an meine Ohren. Ich wischte mir die Tränen von den Wangen.

"Ich konnte es nicht aufhalten. So sehr ich es auch versucht habe, ich konnte nicht...", brachte ich hervor, eigentlich völlig zusammenhangslos, doch Dyana fragte nicht nach, wartete geduldig, bis ich weitersprach.

Und das tat ich, auf einmal konnte ich gar nicht schnell genug loswerden, was mir auf der Seele lastete.

Ich erzählte ihr alles, von Leska, ihrem Verrat und dem Hinterhalt in Asarion. Dann von Atarahs Tod und Cierans Zusammenbruch, von meiner ungewollten Verwandlung und dem Blutrausch, in den ich danach verfallen war.

Zum Schluss zögerte ich wieder einen Moment, bevor ich ihr erzählte, dass ich Cieran alleingelassen hatte und mich furchtbar fühlte deswegen.

Wieder rannen ein paar Tränen über meine Wangen, als ich ihr davon erzählte.

Als ich schließlich schwieg, endlich einen Schluck des inzwischen halb erkalteten Tees nahm, nickte Dyana langsam.

"Das ist wirklich viel", stellte sie fest und ich lachte bitter auf. Als ob ich das selbst noch nicht bemerkt hätte.

Legenden von Patria - Der Baum der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt