Meeresrauschen drang mir in die Ohren. Möwenschreie vermischten sich damit, vertrieben langsam die Dunkelheit in meinem Kopf.
Ich hörte das Flattern von Flügeln dicht bei mir, ein weiterer, lauter Möwenschrei. Dann ein Pieken an meiner Schulter, an meinem Rücken und an den Beinen. Ich wollte mich bewegen, doch im ersten Moment gehorchte mir mein Körper nicht. Was war passiert?
"Verschwindet! Los, fort mit euch!"
Eine Stimme schallte über das laute Gezeter der Möwen hinweg, ihre Flügel schlugen mir Luft ins Gesicht, als sie davonflatterten. Zurück blieb nur das Geräusch von Schritten, die sich mir näherten. Kurz darauf war da eine kräftige Hand, die mich auf den Rücken drehte.
Durch die Bewegung schien mein Körper wieder zu erwachen. Ich spürte den Drang nach Luft, wollte tief einatmen, doch es ging nicht. Panik stieg in mir auf, doch ich konzentrierte mich auf das Einatmen, schaffte es, genügend Luft in meine Lunge zu bringen, um zu husten.
Ich hustete eine Weile, spuckte Wasser und drehte mich wieder auf die Seite, um mich an dem eklig salzigen Wasser nicht erneut zu verschlucken.
Als ich wieder richtig Luft bekam, trotz der Tatsache, dass meine Lunge bei jedem Atemzug noch ein wenig brannte, öffnete ich die Augen und richtete mich auf.
Ich befand mich an einem Strand, raue Wellen rauschten unaufhörlich darauf zu. Am wolkenverhangenen Himmel kreisten Möwen, die sich mit kräftigen Flügelschlägen gegen den Seewind stemmten.
"Dachte ichs mir doch, dass du noch lebst."
Die Stimme neben mir ließ mich herumfahren. Neben mir hockte ein Mann, der mich mit aufmerksamen Augen musterte, die der Farbe des Ozeans ähnelten. Seine Kleidung war nicht gerade die teuerste, aber dennoch in gutem Zustand und seine längeren, dunkelblonden Locken hielt er mithilfe eines Tuches um seinen Kopf halbwegs gebändigt.
"Wo bin ich?", fragte ich mit kratziger Stimme und massierte meine Schläfen, da ich leichte Kopfschmerzen hatte.
"Du bist auf Elerain. Ganz in der Nähe meiner Behausung."
Ich warf einen Blick hinter mich, konnte jedoch nichts außer Strand und die dahinterliegenenden, steilen Felswände sehen.
"Doch nicht die Insel Elerain?"
Das durfte nicht wahr sein. Ich musste nach Acazia, um Cieran zu finden.
Der Mann nickte jedoch, was mich nur noch verzweifelter machte.
"Ich muss sofort nach Acazia!"
Mit diesen Worten sprang ich auf, doch schon einen Augenblick später stellte sich das als Fehler heraus. Meine Sicht verschwamm und ich drohte, das Gleichgewicht zu verlieren. Der Mann fing mich jedoch auf und stützte mich.
"Immer mit der Ruhe. Ich bringe dich erstmal zu mir, bis du wieder auf den Beinen bist. Dann sehen wir weiter."
"Aber...ich muss zu Cieran. Er braucht mich. Ich muss ihn finden", protestierte ich schwächlich, in meinem Kopf drehte sich alles. Ich war wohl doch zu schnell aufgestanden.
Der Mann sprach beruhigende Worte zu mir, die ich aber kaum verstand, während er mit mir über den Strand auf die Felswände zulief.
Beim Näherkommen erkannte ich, trotz meiner leicht verschwommenen Sicht, eine große Höhle, in deren Schutz eine Hütte gebaut worden war. Neben der Hütte, aber ebenfalls im vorderen Bereich der Höhle, war ein Gatter aufgebaut, in dem ein schneeweißes Pferd stand und Heu fraß.
Die Art, wie die Hütte und das Pferdegatter in die natürliche Höhle hineingebaut worden waren, erinnerte mich ein klein wenig an den Turm im Baum in den Wäldern von Tuath. Aber natürlich war die Hütte nicht aus dem weißen Stein und das Pferdegatter verschmolz nicht auf scheinbar magische Weise mit dem Fels.
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Legenden von Patria - Der Baum der Götter
FantasyDIESES BUCH IST DER ZWEITE TEIL IN DER "Legenden von Patria"-REIHE. Die erste Schlacht wurde geschlagen und der erste Sieg gefeiert. Doch damit ist der aufkommende Krieg nicht beendet. Obwohl Levian vernichtend geschlagen wurde, fährt er mit seinen...