057 BUCH SIEBEN - Ladon

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Wann war ich eingeschlafen?

Das letzte woran ich mich erinnern konnte, war, dass ich geweint hatte. Geweint, weil ich Cieran verletzt hatte. Geweint, weil ich wütend war, auf mich selbst, auf Leska, auf die ganze Welt. Nur nicht Cieran.

Ich fühlte mich merkwürdig, als würde etwas in der Luft - nein, in unserem Band - liegen. Worte, die ich nicht mehr richtig zu greifen bekam. Worte von Cieran.

Er hatte also doch noch einmal zu mir gesprochen. Und ich hatte nicht geantwortet, weil ich bereits geschlafen hatte.

Ich könnte mich selbst dafür verprügeln.

Ich schloss meine brennenden Augen wieder, versuchte, mich auf die Überbleibsel der Worte zu konzentrieren, bekam das Band schließlich zu fassen, in das sie gelegt worden worden.

Es waren nur noch Wortfetzen, die ich verstand. Es lag wohl zu weit zurück, dass Cieran zu mir gesprochen hatte. Doch was ich verstand, zerriss mir das Herz, sorgte erneut dafür, dass ich bitterlich weinte.

"Schlange.....Wo...? Liebe.....hasse dich....liebe dich. Du.....trennen.......nie wieder.........gegangen.......mich nicht? Ich hasse.......vermisse. Komm....zurück. Ich hasse dich. Alles......dunkel........hier. Kein Lord.........nie wieder......mit dir.......weit weg. Ihre Kriege.....kämpfen. Ladon! Ich liebe.......hasse dich....! Sei bei mir.....! Ich vermisse dich......"

Ich schluchzte, kauerte mich zusammen. Was war ich nur für ein schrecklicher Mensch?

Cieran hasste mich. Das war mir durch die Wortfetzen klar geworden. Er hasste mich, obwohl er mich vermisste. Er wollte, dass ich zurückkam. Zurück zu ihm, obwohl ich ihn verletzt hatte.

Und jetzt ging die Sonne auf, die Nacht war vorüber und er würde allein aufwachen. Ohne mich an seiner Seite.

Wie furchtbar enttäuscht er von mir sein musste.

Aber Cieran hatte die Nacht überlebt, kein Mord war geschehen, aus Angst, er könnte den Drachen - mich - auf das Feldlager loslassen. Er lebte noch, das wusste ich, spürte ich.

Ich wollte das Band umfassen, Cieran trotz seiner Wut und Enttäuschung antworten, doch selbst mein Geist war vom vielen Weinen so zittrig, dass ich es nicht zu greifen bekam.

Ein Geräusch klang zu mir, wie ein glockenheller Gesang im Wind. War das ein Zeichen, ein Zeichen von Cieran?

Nein, war es nicht. Dyana rief nach mir, ihr Tonfall verriet mir, dass es wohl dringend war.

Ich raffte mich auf, erhob mich und schleppte mich dir Treppe hinunter, wischte mir währenddessen die Tränen von den Wangen.

"Was ist?", fragte ich mit belegter Stimme.

Dyana sah mich einen kurzen Moment schweigend an, Sorge huschte durch ihren Blick, bevor sie antwortete.

"Die Nymphen haben mich zum See gerufen. Es wurde wohl etwas aus Asarion angespült."

Verwirrt sah ich sie an. Was hatte ich damit zu tun?

"Ich habe so einen Verdacht, was es ist. Deshalb will ich, dass du mitkommst. Außerdem tut dir ein klein wenig Ablenkung gut", fuhr Dyana fort, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

Ich antwortete nicht, wartete still, bis sie ihren Mantel übergezogen hatte und folgte ihr anschließend hinunter zum See.

Schon von weitem sah ich die Gestalten im Wasser treiben, brauchte aber einen Moment, um zu begreifen, dass nicht alle davon Nymphen waren.

Leichen. Im See trieben Leichen.

Mir fuhr es eiskalt den Rücken hinunter, als ich die Farben der Umhänge sah. Lavendel und dunkelgrün. Firven und Derwen.

Legenden von Patria - Der Baum der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt